Protest gegen Flüssiggas: "Sauberes Gas ist eine schmutzige Lüge"
LNG-Unternehmen leiden unter sinkender Nachfrage und fallenden Preisen. Aber die Bundesregierung gibt weiter Steuermittel für fossile Energieprojekte aus
In Deutschland und Europa nehmen die Proteste gegen neue Infrastrukturen für Erdgas zu. Ende September besetzten Aktivisten von "Ende Gelände" kurzzeitig ein mit Erdgas betriebenes Kraftwerk sowie eine Pipelinebaustelle. Rund 3.000 Klimaaktivisten protestierten auf der Baustelle der Zeelink-Gaspipeline und vor dem Gaskraftwerk Lausward in Nordrhein-Westfalen.
"Wir sind heute hier, um fossiles Gas als Klimakiller zu entlarven. Sauberes Erdgas ist eine schmutzige Lüge. Es ist Wahnsinn, Milliarden in Erdgas, Pipelines und Fracking-Häfen zu investieren statt in erneuerbare Energien. Erdgas ist eine fossile Sackgasse und keine Brücke in die Zukunft", sagt Kim Solievna, Sprecherin der Initiative.
Es ist das erste Mal, dass "Ende Gelände" und andere Klimaaktivisten bei ihren Aktionen direkt die neuen Gasinfrastrukturen zum Ziel machen. In Norddeutschland unterstützen die Bundes- und Landesregierungen gegenwärtig den geplanten Bau von drei Flüssiggashäfen mit erheblichen Summen aus dem Steuertopf. Kritiker monieren vor allem, dass diese Infrastrukturen dafür geeignet sind, mithilfe von Fracking gewonnenes Erdgas aus den USA und Australien zu importieren, das dafür zu LNG verflüssigt werden muss.
Beim Fracking, der LNG-Herstellung und dem Schiffstransport tritt jedoch massiv Methan aus, ein Gas, das kurzfristig - in den nächsten 100 Jahren - noch sehr viel stärker als Treibhausgas wirkt als CO2. Experten gehen davon aus, dass die Klimabilanz von LNG mindestens genauso schlecht ist wie der von Kohle. Dies hindert die Öl- und Gaskonzerne jedoch nicht daran, Erdgas aggressiv als angeblich grüne Alternative zu vermarkten.
Wenige Tage nach den Protestaktionen in Nordrhein-Westfalen wenden sich nun über 100 kanadische, deutsche und internationale Bürgerinitiativen mit einem offenen Brief an die deutsche Botschaft in Ottawa.
Sie protestieren gegen die Unterstützung der Bundesregierung für ein besonders skandalöses Projekt, das geplante Terminal für den Export von Flüssigerdgas in Goldboro, und verlangen Auskunft über die Beteiligung des deutschen Steuerzahlers.
Wacklige Finanzierung, schwierige Aussichten, umweltfeindliches Projekt
Schon im Jahr 2013 unterschrieb das kanadische Unternehmen Pieridae Energy einen 20-jährigen Liefervertrag mit dem deutschen Energiekonzern Uniper. Das Unternehmen ist in Deutschland an dem, ebenfalls von der Bundesregierung subventionierten, Importterminal Wilhelmshaven beteiligt.
Auf der Grundlage dieses Vertrages kann Pieridae deutsche Unterstützung in Form von Garantien für Ungebundene Finanzkredite (UFK-Garantien) erhalten, die wesentlich zur Finanzierung des Projektes beitragen würden. Absehbar ist allerdings, dass Pieridae letztendlich ein riesiges LNG-Terminal in die traumhafte nordische Landschaft von Nova Scotia klotzt, um mithilfe zusätzlicher Pipelines Erdgas aus den Fracking-Gebieten in den USA exportieren wird.
"Abgesehen davon, dass Pieridae auf klima- und umweltfeindliches Fracking-Gas aus Kanada und den USA angewiesen sein wird, steht das Projekt finanziell seit nunmehr sieben Jahren auf eher wackeligen Füßen", sagt Andy Gheorghiu, Campaigner und Policy Advisor für die Brüsseler Nichtregierungsorganistion Food & Water Action Europe.
Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz der Deutschen Umwelthilfe, kritisiert besonders, dass die Bundesregierung den Ausbau der erneuerbaren Energien ausbremst und damit die Energiewende konterkariert. Stattdessen pumpe sie Millionen in klima- und umweltschädliche LNG-Terminals im In- und Ausland. "Diesem Irrsinn werden wir zusammen mit unseren transatlantischen Verbündeten ein Ende setzen", hofft Constantin Zerger.
Schon allein die wirtschaftlichen Aussichten für derartige Unternehmungen gestalten sich äußerst fragwürdig. Laut Pieridae habe die Bundesregierung für den Bau des LNG-Terminals Goldboro und der damit verbundenen "Erschließung zusätzlicher Erdgasquellen sowie Erdgaslieferungen" eine Kreditgarantie in Höhe von 4,5 Milliarden US-Dollar "in Aussicht gestellt", berichten die kanadischen Aktivisten.
Als der europapolitische Sprecher der Linken-Fraktion, Andrej Hunko, vor zwei Jahren zu dem Fall nachhakte, zeigte sich die Bundesregierung äußerst zurückhaltend. Klar wurde aus der Antwort nur, dass sie tatsächlich mit dem Projekt zu tun hatte und Pieridae zumindest einen "Letter of Interest" ausgestellt hatte. Andrej Hunko hatte bereits damals davor gewarnt, dass Steuergelder für Projekte verschwendet, die nicht nur klimafeindlich sind, sondern zudem wirtschaftlich scheitern.
Aktuell zeichnet sich ab, dass Aktivisten und Politiker Recht behalten könnten, die mit Blick auf die skandalöse öffentliche Subventionierung von Öl- und Gasprojekten vor "strandet assets" gewarnt haben. So kam das auf fossile Energieträger spezialisierte Beratungsunternehmen Wood Mackenzie kürzlich zu der Einschätzung, dass "Wachstum der LNG-Nachfrage gegenüber den aktuellen Prognosen verlangsamt".
LNG: Projekte verzögern sich
Massimo Di-Odoardo, Chefanalyst zum Thema Erdgas, schätzt ein, dass das anhaltende Streben nach Technologien, die "viel sauberer sind als Erdgas", dem LNG-Handel zukünftig Probleme bereitet. Zudem können die Preisschwankungen am Spot-Markt, sowie die Tatsache, dass die Kohlenstoffintensität der Energiequellen durch die Politik verstärkt geprüft wird, dazu führen, dass LNG deutlich weniger nachgefragt wird, als die traditionelle Energiepolitik glauben machen will.
In der australischen LNG-Industrie, einem der größten Profiteure des Fracking- und LNG-Booms, sind die Auswirkungen bereits angekommen. Im September kündigten Chevron und Inpex an, dass sie Arbeitsplätze streichen und sich geplante Projekte "verzögern". Dies betrifft zuerst das LNG-Terminal Ichthys. Laut Auskunft der Bundesregierung gegenüber Andrej Hunko steckt auch in diesem Projekt der deutsche Steuerzahler mit einer Exportkreditgarantie in Höhe von fast 550 Millionen US-Dollar.
Andrew McDowell, Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank, betonte kürzlich, dass Investitionen in neue Infrastrukturen für fossile Brennstoffe einschließlich LNG "wirtschaftlich eine zunehmend unsicherere Entscheidung" seien. "Jedes weitere Wachstum von LNG in Europa müsste schon politisch getrieben werden", lässt sich McDowell vom Handelsblatt zitieren, das bisher sehr freundlich über die LNG-Politik der Bundesregierung berichtete.