Proto-Trump

Vor fast 20 Jahren feierte Pat Buchanan bei Vorwahlen mit einem Programm Erfolge, das dem des aktuellen republikanischen Umfrageführers in vielen Punkten ähnelt

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Eineinhalb Wochen nach der ersten Fernsehdebatte und einem Medienaufreger darüber, ob Donald Trump der (vorher vor allem durch ihre Äußerung "der Weihnachtsmann ist weiß" bekannte) Fox-News-Moderatorin Megyn Kelly eine durch Dysmenorrhoeverursachte Leistungsminderung unterstellte oder nicht, führt der exzentrische Milliardär, der angekündigt hat, im Bedarfsfall bis zu einer Milliarde Dollar seines Privatvermögens für den Wahlkampf auszugeben, die Umfragen weiterhin souverän an: Fox News sieht ihn mit 25 Prozent vor dem schwarzen Neurochirurgen Ben Carson, der mit 12 Prozent an zweiter Stelle steht. Auf Platz drei folgt der Tea-Party-Texaner Ted Cruz, der sich als einziger republikanischer Mitbewerber nicht von Trump distanzierte (aber dafür den republikanischen Mehrheitsführer im Senat scharf angriff). Bei anderen Instituten liegt Trump mit Werten zwischen 17 und 32 Prozent ebenfalls klar vorne.

Der Immobilienmagnat pfälzisch-schottischer Herkunft ist nicht der erste Bewerber, der im Vorfeld einer Präsidentschaftswahl mit einem Programm punktet, das nicht den Positionen der republikanischen Parteielite entspricht, aber bei vielen Wählern gut ankommt: Als Pat Buchanan vor fast 20 Jahren die Vorwahlen in New Hampshire gewann und in Iowa nur knapp hinter dem Elitekandidaten Bob Dole lag, sprachen US-Medien von einer "Mistgabel-Revolution". Buchanan scheiterte allerdings am Super Tuesday und schloss sich Ross Perots Reform Party an, bei deren Vorwahlen vor 15 Jahren auch Donald Trump antrat.

Das ist jedoch bei weitem nicht die einzige Gemeinsamkeit der beiden Bewerber: Auch viele ihrer politischen Positionen gleichen sich besonders da, wo sie vom republikanischen Elitenkonsens abweichen: Zum Beispiel bei den Einfuhrzöllen, die Buchanan deutlich erhöhen wollte und mit denen Trump Produktionsjobs in die USA zurückholen und den Staatshaushalt entlasten will. Die Idee einer deutlich stärkeren Befestigungen der Grenze zu Mexiko, mit der Trump derzeit das größte Aufsehen erregt, spielte in Buchanans Wahlkampfreden ebenfalls eine wichtige Rolle.

Zweck der Befestigung war auch bei ihm die Verringerung illegaler Einwanderung aus Lateinamerika. Um dieses Ziel zu erreichen, propagierte der Katholik irisch-schottisch-englisch-deutscher Abstammung außerdem stärkere Kontrollen der Beschäftigten von großen Unternehmen, die Streichung der steuerlichen Absetzbarkeit der an Illegale gezahlten Löhne und eine Gesetzesänderung, nach der in den USA geborene Kinder nicht mehr automatisch die US-Staatsbürgerschaft bekommen und so als "Anker" für eine Legalisierung der gesamten Familie fungieren können. Diese Idee hat Trump für seinen aktuellen Wahlkampf aufgegriffen (vgl. Eine Nation ohne Mauer ist keine Nation).

Die Einwanderung von Spanischsprechern birgt Buchanans Ansicht nach die Gefahr, dass aus dem US-amerikanischen Südwesten ein zweiter Kosovo wird. Außerdem begründete er seine Vorschläge zur Einwanderungsbegrenzung mit den Interessen der afro-amerikanischen Bevölkerung: Deren ökonomische Lage verbesserte sich seiner Einschätzung nach vor allen zwischen 1924 und 1929 und zwischen 1933 und 1965, als strenge Einwanderungsgesetze galten und Schwarze auf dem Arbeitsmarkt gebraucht wurde. Frederick Douglass, Booker T. Washington und W. E. B. Du Bois hätten das erkannt und sich entsprechend kritisch über Einwanderung geäußert.

Pat Buchanan. Foto: Bbsrock. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Außenpolitisch war Buchanan ein Kritiker der der Neocons. Den Einmarsch in den Irak bezeichnete: er als den "größten Fehler in der Geschichte der USA". Die Ereignisse in der islamischen Welt sind seiner Meinung nach eine innerislamische Angelegenheit und eine Einmischung hat seiner Ansicht nach nicht mehr Sinn, als Steine auf einen Bienenstock zu werfen. Die Energieversorgung lässt sich ihm zufolge besser durch eine Förderung von Alternativen zum Erdöl sicherstellen.

Auch Trump hält nichts von einem US-Militärangagement im Irak, drückt das aber unterhaltsamer aus als Buchanan: Nachdem Jeb Bush letzte Woche erklärte, die irakische Regierung erwarte, dass die USA zeigen, dass sie dort Interessen hätten, meinte Trump, das sei das dümmste, was er seit langem gehört habe: "Die irakischen Amtspersonen sind ein Haufen Gauner. Wenn es überhaupt einen Irak gibt, was ich nicht glaube." Der letzte Teil dieser Äußerung dürfte nicht auf geographischer Unkenntnis beruhen, sondern auf der Tatsache, dass sich das Land auch nach Ansicht vieler Fachleute längst in einen weitgehend selbständigen Kurdenstaat, einen sunnitischen Kalifatsteil und einen schiitischen Rumpfirak aufgespalten hat.

Russland sah Buchanan nicht als Feind oder Konkurrenten, sondern als wichtigen Partner der USA. Das änderte sich auch dann nicht, als Wladimir Putin Boris Jelzin ablöste. Als der 2006 verdächtigt wurde, die Vergiftung des ehemaligen KGB-Agenten Alexander Litwinenko angeordnet zu haben, mutmaßte Buchanan über ein Täuschungsmanöver westlicher Dienste. Während des Georgienkonflikts warf er der Bush-Administration vor, die schüre "Russophobie" und gefährde damit vitale US-Interessen.

Auch hier gibt es Ähnlichkeiten zu Donald Trump: Er ist von den 17 republikanischen Vorwahlbewerbern derjenige, der das beste Verhältnis zu Russland propagiert. Die aktuellen Spannungen resultieren seinen Worten nach unter anderem daraus, dass der russische Staatspräsident Wladimir Putin Barack Obama nicht respektiert. Mit ihm selbst als Präsidenten wäre das seiner Ansicht nach ganz anders.

Buchanan beschuldigte die Neocons, deren Interventionspolitik er bekämpfte, den Vorwurf des Antisemitismus als Waffe gegen ihn zu nutzen. Allerdings bot er ihnen durch zahlreiche israelkritische Äußerungen und eine recht eigenwilligen Sicht auf den Zweiten Weltkrieg aber auch Angriffsflächen, die sie kaum verfehlen konnten. Trump bietet solche Angriffsflächen bislang nicht - neben dem größeren Unterhaltungsfaktor ist das einer der Gründe dafür, dass er es weiter bringen könnte als Buchanan. Das glaubt auch der der heute 76-jährige Mistgabelrevolutionär von 1996: Anders als viele andere politische Kommentatoren hält er es durchaus für möglich, dass Trump der Kandidat der Republikaner wird. Ende Juli meinte er, wenn die Vorwahlen jetzt beginnen würden, dann würde er auf ihn wetten.

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