Putin und Erdogan in Teheran
- Putin und Erdogan in Teheran
- Die strategische Partnerschaft zwischen Russland und Iran
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Wie ist die "strategische Partnerschaft" gegen den Westen einzuschätzen? Der türkische Präsident tanzt zwischen den Blöcken.
Als Treffen der "Astana Troika" bezeichnet Kreml-Sprecher Dmitri Peskow die Zusammenkunft in Teheran, die vom Spiegel als "Gipfel der Opportunisten" tituliert wird.
So ließe sich angesichts der Wünsche Bidens an den ultra-autoritär geführten Staat Saudi-Arabien auch über den kürzlichen Gipfel der Golfstaaten plus 3 polemisieren. Mit einem vielleicht bezeichnenden Unterschied: Solche harschen Propaganda-Bilder einer offiziellen Nachrichtenagentur wie von der staatlichen iranischen Agentur Irna gab es in Dschidda zur Einstimmung auf den Gipfel nicht.
Bilaterale Interessen
Es geht in Teheran, wo sich heute die Staatsspitzen Putin, Erdogan, Khamenei und Raisi samt Delegationen treffen, um "bilaterale Interessen", die in Gesprächen diskutiert werden, so Kreml-Sprecher Peskow. Das kann man als sachte Abweichung des Blickes vom "Westbalkon" sehen. Dort schaut man nervös, ob sich da nicht ein Anti-West-Block festigt.
Interessant wird das nicht nur wirtschaftlich, wenn es um Währungen zum Bezahlen von Energie geht.
Doch sind Anti-Blöcke in Wirklichkeit nicht so leicht zu bauen wie auf dem Reißbrett, wie auch Biden erfahren musste. Die Politik der Staaten orientiert sich an eigenen Interessen; mehr denn je spricht die Zeit für fluide Verhältnisse und gegen steinerne Blöcke.
Syrien
Und es gibt Gräben zwischen den Teilnehmern der "Astana Troika" in Teheran. Wie auch der Besuch des syrischen Ministerpräsidenten Faisal Mekdad anzeigt, wird Syrien eins der Hauptthemen sein.
Zum Hintergrund: Das Astana-Format war 2015 geschaffen worden, um den Konflikt in Syrien zu verhandeln. Die Idee dahinter war, dass Russland, Iran und die Türkei ohne westlichen Einflussmächte mit der syrischen Opposition über einen politischen Prozess verhandeln. Der Astana-Prozess wurde so zu einer Konkurrenz zu den von der UN vermittelten erfolglosen Syrien-Gesprächen in Genf.
Es zeigten sich Brüche, die fortdauern: Die Türkei ist als Astana-Garantiemacht zuständig für die syrische Opposition der islamistischen Milizen. Iran und Russland standen an der Seite der syrischen Regierung. Die Vermittlung verlief nicht reibungslos. Es gab kriegerische Gefechte, die das Verhältnis zwischen Russland und der Türkei zwischenzeitlich stark belasteten.
Dschihadisten und der politische Prozess
Derzeit ist die Situation im Groben so: Das Ziel, Syrien von der Herrschaft dschihadistischer, islamistischer Milizen zu befreien, wurde nicht erreicht; die Provinz Idlib wird beherrscht von einem al-Qaida-Abkömmling (HTS, Hayat Tahrir asch-Scham).
Es gab auch keinen politischen Prozess in Damaskus, der irgendetwas an der autoritären, vom Militär gestützten Herrschaft Baschar-al-Assads geändert hätte. Die Türkei besetzt große Gebiete in Syrien, von Afrin, der größten Besatzungszone, bis in den Nordosten Syriens.
Der syrische Präsident, der damit nicht einverstanden ist, musste den größeren Interessen nachgeben, die bilateral zwischen der Türkei und Russland verhandelt worden waren.
Seit Jahren betreibt der türkische Präsident Erdogans seinen Wunschtraum eines 30 Kilometer breiten Sicherheitskorridors auf syrischem Gelände, sehr zur quälenden Beunruhigung der Kurden, die um ihre autonome Verwaltungszone mit dem demokratischen Experiment fürchten. Die Erfahrungen aus Afrin über türkische Sicherheitszonen, die einer Annexion gleichkommen, sind bitter. Zuletzt drohte Erdogan mit einer neuen Militäroffensive auf kurdische Gebiete in Syrien.
Erdogans Möglichkeitsraum
So wird das aktuelle Treffen in Teheran als Möglichkeit für Erdogan gesehen, weiteren Spielraum für seine Pläne in Syrien zu verhandeln. Da Russland seine militärischen Kräfte auf den Ukrainekrieg konzentriert, könnten sich neue Verhandlungsräume öffnen, wird spekuliert.
Iran hat seinerseits keine große Nähe zu den syrischen Kurden, die auf Unabhängigkeit und Demokratie setzen. Allerdings hat Teheran auch kein großes Interesse an einer starken türkischen Präsenz in Syrien haben, wo man fest an der Seite der Regierung steht und die mit der Türkei verbündeten Milizen auf feindlicher Seite sind.
Drohung an die Nato
Erdogan spielt vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs tatsächlich ein opportunistisches Spiel, wie auch seine jüngsten Äußerungen zum Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands bezeugen.
"Ich möchte noch einmal bekräftigen, dass wir den Prozess einfrieren werden, wenn diese Länder nicht die notwendigen Schritte unternehmen, um unsere Bedingungen zu erfüllen", zitierte ihn gestern die regierungsnahe Zeitung Daily Sabah.
Zu den Bedingungen gehört, dass Schweden auf der Linie der türkischen Regierung gegen kurdische Vertreter der PKK wie auch der YPG vorgeht, gegen die Erdogan in Syrien Krieg führt.
Weizenexporte aus ukrainischen Schwarzmeerhäfen
Auch bei dem anderen großen Thema der Treffen in Teheran beansprucht Erdogan Gestaltungsmacht und Prominenz. Dabei geht es um den Export ukrainischen Weizens aus Häfen im Schwarzen Meer, eine Angelegenheit von weltweitem Interesse. Laut Angaben des UN-Welternährungsprogramms sind weltweit 400 Millionen Menschen von den Weizenexporten abhängig.
"Russlands Einfluss auf die Verschärfung oder Milderung der sich abzeichnenden Nahrungsmittelkrise ist groß", so Maxim Suchkov, ein Russlandbeobachter, der für al-Monitor seine Einschätzung abgibt. Suchkov zufolge gehe es Moskau darum, zu zeigen, dass Russland "nicht für die Getreidekrise verantwortlich ist", während die Türkei versuche, sich in den Gesprächen "als Ansprechpartner zu etablieren".
Putin und Erdogan würden hier – bei unterschiedlichen Interessen – eine gemeinsame Position haben, eine türkisch-russische Zusammenarbeit für einen sicheren Seekorridor sei "im Interesse beider Parteien".
Der oberste Führer spricht
Was der russische Präsident Putin mit dem obersten der iranischen Hierarchie, Ayatollah Ali Khamenei, bereden wird, wird fragmentarisch in enigmatischen oder schlichten Sentenzen auf der Twitterseite des "Supreme Leaders" auftauchen.
Bislang gibt es nur einen auslegungsbedürftigen Kommentar zu Gesprächen des Ayatollahs mit Erdogan, der sich als Einwand gegen Erdogans Angriffspläne lesen und zugleich Spielräume offen lässt:
Dem Terrorismus muss auf jeden Fall entgegengetreten werden, aber ein militärischer Angriff auf Syrien wird den Terroristen nur nützen. Natürlich sind die Terroristen nicht nur eine bestimmte Gruppe. Als Antwort auf Ihre Anfrage @RTErdogan werden wir sicherlich mit der Türkei im Kampf gegen den Terrorismus zusammenarbeiten.
Khamenei.ir