Golfstaaten: Lieber Diplomatie mit Iran als im "Anti-Block" mit den USA

Die USA und die Neuordnung des Nahen Ostens: Biden kommt mit leeren Händen aus Saudi-Arabien zurück.

Saudi-Arabien wird den Erdölmarkt aktuell nicht durch eine Steigerung der Produktion erleichtern. Man richte sich an der Nachfrage aus, so der saudische Staatsminister für auswärtige Angelegenheiten, Adel al-Jubeir, zum Besuch des US-Präsidenten Joe Biden. "Öl ist keine politische Waffe, Öl ist kein Panzer", sagte al-Jubeir. "Man kann es nicht auf jemanden richten und schießen. Öl ist eine Ware." Und: "Wenn wir eine Ölknappheit sehen, wird mehr Öl produziert werden."

Biden hatte mehr erwartet, wie aus seinem Statement hervorgeht. Er tue "alles, was ich kann", um die Rohölversorgung zu erhöhen, und er erwarte, dass dies gelingen werde.

Saudi-Arabien teilt diese Dringlichkeit, und auf der Grundlage unserer heutigen Gespräche erwarte ich, dass wir in den kommenden Wochen weitere Schritte sehen werden.

Joe Biden

Die US-amerikanische Bevölkerung müsse sich noch ein paar Wochen gedulden, dann könnte man vielleicht die Wirkungen an den Tankstellen spüren.

Keine Lust auf politische Hitze

Die Golfstaaten, ein wichtiger Partner der USA im Nahen Osten, hatten bei dem GCC+3(Golfkooperationsrat plus Ägypten, Irak und Jordanien)-Treffen wenig Lust darauf, bei den sowieso hohen Temperaturen auch noch die politische Temperatur hochzuschrauben.

Das zeigt sich an den Reaktionen auf den Besuch Bidens mit den Golfstaaten und das ist nicht nur für die Region eine bemerkenswerte Richtungsänderung, die sich da bestätigt. Auf einen kurzen Nenner gebracht: Sollte der US-Präsident gehofft haben, geopolitische Allianzen in der Gegnerschaft zu Russland und Iran zu festigen, so traf er eher auf Zurückhaltung.

Auch die Golfstaaten haben ihre eigenen Interessen und ihre eigenen politischen Rücksichten, die nun eine andere Priorität haben als während der Jahrzehnte der unbestrittenen US-Hegemonie. So kündigte etwa Anwar Gargash, Staatsminister für auswärtige Angelegenheiten der Vereinigten Arabischen Emirate, an, dass man demnächst wieder einen Botschafter nach Teheran entsenden werde:

Wir haben Differenzen (mit dem Iran, Einf. George Malbrunot), aber wir befinden uns in einem Prozess des Wiederaufbaus von Verbindungen, um durch wirtschaftliche Zusammenarbeit in Richtung Deeskalation voranzuschreiten.

Anwar Gargash, VAE

Das Zitat stammt aus einem Artikel des französischen Nahost-Experten George Malbrunot zum Biden-Besuch beim Treffen in Dschidda. In dem Beitrag findet sich auch eine weitere Aussage, die in Richtung "moderates Verhältnis mit Iran" zielt. Sie stammt vom diplomatischen Berater des Präsidenten der Emirate:

Unser Minister für Klimawandel war vor einigen Tagen im Iran und hat ein Abkommen unterzeichnet, das eine Botschaft des Friedens und der Zusammenarbeit vermittelt.

Ergänzen könnte man diesen Trend, der sich gegen eine Anti-Iran-Allianz richtet, noch mit einer weiteren Aussage, die der französische Journalist von Anwar Gargash zitiert. Dieser setzte bestimmte Erwartungen an die Emirate bereits vor dem Treffen in Dschidda in eine Kühlbox: Sein Land sei an keinem Sicherheitsbündnis in der Region beteiligt und habe auch nicht die Absicht hat, Mitglied eines solchen zu werden.

"Normalisierung" zwischen Israel und Saudi-Arabien

Eine weitere Erwartung an den Besuch Bidens, die allerdings vor allem über Medienberichte und Biden selbst gefüttert wurde, bestand darin, dass die "Normalisierung zwischen Israel und Saudi-Arabien" einen Schritt weiterkomme, heißt, dass sich Aussichten bekräftigen, wonach die beiden Länder ihrerseits künftig ein Abraham-Abkommen abschließen. Hoffnung machte, dass Saudi-Arabien israelischen Fluggesellschaften erlaubt, das Königreich zu überfliegen.

Das ist nicht gänzlich neu, das Überflugverbot für israelische Maschinen war in vergangenen Jahren bereits etwas gelockert worden und dies gehört zu einer faktischen und praktischen Normalisierung, die es zwischen Saudi-Arabien und Israel schon länger gibt.

Die Unterzeichnung eines offiziellen Abkommens hat allerdings eine andere politische Dimension und den Eintritt in diesen konfliktreicheren Raum scheut Saudi-Arabien, wie Außenminister Prince Faisal bin Farhan schnell klarmachte:

Nein, das hat nichts mit den diplomatischen Beziehungen zu Israel zu tun. Die Frage der Überflüge ist eine Entscheidung, die wir getroffen haben... im Interesse [der] Verkehrsverbindung zwischen den Ländern der Welt, und wir hoffen, dass sie das Leben einiger Reisender erleichtern wird. Es ist in keiner Weise ein Vorläufer für weitere Schritte.

Prince Faisal bin Farhan

Dass Faisal bin Farhan sich zu dieser Klarstellung genötigt sah, hat höchstwahrscheinlich weniger mit den Erwartungen des US-Präsidenten zu tun, als mit innen- und regionalpolitischen Gründen. Der israelisch-palästinensische Konflikt wird in arabischen Ländern politisch anders gesehen als in den meisten westlichen Ländern. Das Thema ist noch immer ein entzündlicher Konfliktstoff, wenn es um die "arabische Straße" geht.

Und die Erneuerbaren?

Für Saudi-Arabien kam die Energiekrise zur rechten Zeit. Dem Land ging es wirtschaftlich nicht gut; die Bevölkerung, hauptsächlich die vielen Jungen, muss über staatliche Zahlungen bei Laune gehalten werden. Die Energiekrise spült wieder Geld in die Kassen. Eine voreilige, offiziell verkündete Vereinbarung der Normalisierung mit Israel – ohne dass den Palästinensern Aussichten garantiert werden, die der Rede wert sind – wäre ein innenpolitisches Risiko.

Die großen Zukunftspläne, die der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman noch vor ein paar Jahren mit seinem Projekt 2030 groß ausgestellt hat (vgl. Saudische Giga-Moderne: Eine Entertainmentstadt für die Jugend), hatten nicht den Anklang gefunden, den er sich versprach. Die Investoren blieben aus. Aber es gab in den veralteten Zukunftsplänen auch zukunftsträchtige Ansätze für Erneuerbare Energien.

Dass Biden diese Pläne angesprochen hat, wurde von der Berichterstattung bislang nicht mitgeteilt, zumindest nicht derart, dass man es bemerkt hätte.

Dennoch: Mit wirklich "leeren Händen", wie Kommentatoren schreiben, steht der Präsident der USA nicht da, wenn es um Saudi-Arabien geht. Die lukrativen Waffen-Geschäfte zugunsten der US-Rüstungsindustrie florieren weiter.