Saudische Giga-Moderne: Eine Entertainmentstadt für die Jugend

Bild: Saudi Projects

Qiddiya soll mitten in der Wüste an einer spektakulären Abbruchkante errichtet werden. Gestern wurde der Masterplan vorgestellt

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"Epochenwechsel" wäre so ein Begriff, den der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman al-Saud gerne hören würde. Und dazu viel verbales Gefunkel mit Giga vornedran, wohlgemerkt nicht Mega, sondern Giga. Die Bauvorhaben, die Saudi-Arabien mit einer großartigen Zukunft ausstatten sollen, sind alles "Gigaprojekte". Sie locken Architekten, Planer und Unternehmer aus dem Westen wie sonst nur die Rüstungsverkäufer mit Milliarden-Dollar-Aussichten.

Bei den Investoren ist das noch nicht ganz so klar. Und die Frage, ob Saudi-Arabien über einen solch' immensen Reichtum verfügt, dass es die Megaprojekte im eigenen Land zahlen kann, Trumps irre Milliardenschecks, dazu die Waffenbestellungen bei anderen westlichen Ländern, den neuen milliardenschweren großen Friedensplan im Nahen Osten, die Unterstützung Ägyptens und die Milliarden, die es an anderen Orten in der Regionen aufbringen soll, und nicht zuletzt für den teuren Jemen-Krieg, ist nur eine unter vielen anderen Fragen, die mit Saudi-Arabiens Vision 2030 zusammenhängen.

Der Himmel über der Wüste: Vision 2030

Wahrscheinlich ist nur, dass die Vision 2030 den Kronprinzen davor bewahrt hat, dass er seinen Posten wegen des Todesfalls Khashoggi räumen muss und auf seiner 500-Millionen-Dollar-Yacht das 450 Millionen Dollar-Bildnis des Retters der Welt studiert. Auch das ist multi-megalo-gaga, mit einer melancholischen Note, da hier jemand plötzlich aus seinem Himmel gerissen worden wäre. Aber da auch die Weltmächteführer Trump und Putin Interesse an diesem Geldhimmel haben, ist Mohammed bin Salman al-Saud erstmal "safe".

Gestern wurde der Masterplan für das Gigaprojekt Qiddiya vorgestellt. Geplant ist eine gigantische Entertainment-Stadt, 45 Kilometer von der Hauptstadt Riad entfernt, mit dem Auto in 40 Minuten zu erreichen. Mit einer Ausdehnung von 334 Quadratkilometern soll die neue "Haupstadt für Entertainment, Sport und Kunst" Disney World in Florida (110 km2) bei weitem übertreffen.

Qiddiya soll neue globale Standards setzen, hieß es gestern, als die Qiddiya Investment Company das Projekt vorstellte. Luxuriöse Hotels, Apartments und Wohnungen mit einem atemberaubenden Blick von der Abbruchkante des Jebel Tuwaiq, spektakuläre Rennstrecken, spektakuläre Golfanlagen, spektakuläre Parks, spektakuläre Sportstätten, spektakuläre Gastronomie (ohne Alkohol), ein Kino und "The world's most scariest rides" - gemeint ist wohl u.a. eine Art Giga-Wasserrutsche, wie diese Bilderserie vage erkennen lässt. Auf diesem Kurzvideo kann man sich eine Vorstellung machen, wie die Entertainment-Zukunftsstadt aussehen soll.

"Es ist Zeit fur Fun"

"Es ist Zeit, Spaß zu haben", beginnt die Vorstellung des Projekts auf der Webseite qiddiya.com. Dort erfährt man auch, dass es um mehr geht, nämlich um die Frage, welche Zukunft Saudi-Arabien für seine Jugend bereithält: Zwei Drittel, 66 %, "der rasch wachsenden saudi-arabischen Bevölkerung" sind unter 35 Jahre alt. Die Jungen sind eine der hauptsächlichen Adressaten des Projekts.

Es geht zwar auch um internationalen Tourismus, um Investoren zu gewinnen. Vor allem aber soll das Projekt am "Ende der Welt" lokale und regionale Touristen anziehen, wie ein Bericht der führungsnahen Arab News die Prioritäten darlegt:

Die Demografie, die zeigt, wie groß der Anteil der Jugend ist, wird den hauptsächlichen Beitrag zum Erfolg von Qiddiya beisteuern. Daher will das Projekt das Bedürfnis nach Entspannung sowie sozialen wie kulturellen Bedürfnisse stillen.

Arab News

Wie teuer das Projekt kommen wird, das bis 2035 fertiggestellt werden soll, ist noch nicht so richtig klar. Schätzungen vom letzten Jahr gehen von Kosten allein für die Infrastruktur von 8 Milliarden Dollar aus. Bei solchen eigentlich unüberschaubaren Projekten ist das eine unverlässliche Größe.

Interessant ist, wie einfach demgegenüber die Finanzierung dargestellt wird. Als Orientierungsgröße nimmt man in der Selbstdarstellung die 30 Milliarden Dollar, welche Saudis angeblich jährlich als Touristen ins Ausland tragen, die sie künftig zumindest teilweise bei solchen Angeboten auch im Inland ausgeben könnten. Für Investoren folgt der Hinweis, dass die Finanzierung durch den Staatsfonds Pif abgesichert ist (Pif, das lautmalerisch gut zum Projekt passt, heißt ausgeschrieben: Public Investment Fund (PIF) of Saudi Arabia).

Man verspricht sich ab 2030 12 Millionen Besucher für den Entertainmentsektor, 12 Millionen für den Shoppingsektor und 2 Millionen für den Hotelbereich, dazu kommen die Zahlungen für bestimmt nicht billige 11.000 Apartments oder Wohnungen, die bis 2030 fertiggestellt sein sollen.

Und nicht zuletzt lautet das Zukunftsversprechen, dass 57.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden sowie neue Möglichkeiten für Business im privaten Sektor.

Das ist ganz offensichtlich ein spätkapitalistischer Traum in einem riesigen Sandkasten, um es etwas salopp zu formulieren. Ob die Jugend sich von solchen Elite-Projekten von Problemen ablenken lässt, die sie, abgesehen von der zahlungskräftigen Elite, verunsichert - 57.000 Arbeitsplätze, die noch nicht einmal sicher sind, dürften nicht wirklich viel sein im Vergleich zur Zahl der Jugendlichen, die jedes Jahr auf den Arbeitsmarkt kommen.

Und die Islamisten?

Auch dürfte das Projekt in konservativen oder fundamentalistischen religiös geprägten Kreisen auf Widerstand stoßen. Selbst wenn zuletzt davon berichtet wurde, dass zuletzt auch bekannte, eingefleischte fundamentalistische Prediger, die ideologische Verbindungen zu Muslimbrüdern haben, signalisieren, dass sie sich dem Kurs des Kronprinzen anschließen, so dürfte das nicht in Stein gemeißelt sein. Ebensowenig die Kontrolle der saudischen Führung über das Milieu, aus dem sich radikale Strömungen ergeben.

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Sobald sich ungeahnte Schwierigkeiten ergeben, was angesichts der volatilen politischen Lage in der Region nicht ausgeschlossen ist, dürfte der Einfluss der politischen Islamisten sich nochmal anders zeigen. Auch jetzt ist allein aufgrund der Schulausbildung wahrscheinlich nicht zu unterschätzen, dass das gut verankerte religiöse Establishment Einfluss auf die Jugend hat.

Dass sich die Gigaprojekte nicht der gigantischen Aufgabe zuwenden, die Ausbildung der nächsten Generationen auf ein Niveau zu bringen, das sich später auch auf der Ebene neu veröffentlichter Patente zeigt sowie bei der Ausbildung neuer Berufe in einer neuen Gesellschaft, zeigt, wie altmodisch die neuen Pläne imgrunde sind. Müßig anzumerken ist, dass über die Rolle der Frauen in Saudi Arabiens Zukunft gar kein Wort verloren wird.