Putin verzichtet vorerst auf Gegenmaßnahmen zu den US-Sanktionen
Interessierte Kreise in den USA wollen offenbar nicht nur Trump schaden, sondern auch den Konflikt mit Russland am Köcheln halten
Mit der Verhängung der Sanktionen gegen russische Geheimdienste und der Ausweisung von russischen Diplomaten, die als Geheimdienstmitarbeiter bezeichnet werden, hat der scheidende US-Präsident Barack Obama seinen Nachfolger nicht nur brüskiert, sondern in eine schwierige Situation gebracht. Sie schließt auch eine Konfrontation mit Russland mit einem digitalen Schlagaustausch ein, zumindest wenn das Weiße Haus, wie von Obama angekündigt, auch noch verdeckte Operationen und Cyberangriffe ausführen wird.
Obama selbst hatte lange dem Druck getrotzt, auf die angeblichen russischen "Cyberaktivitäten" aggressiv zu reagieren, ist aber zum Schluss doch umgefallen. Das zeigt doch eine gewisse Schwäche. Das schnelle Verhängen von zunächst nur symbolhaften Sanktionen am Schluss seiner Amtszeit dürfte seine Präsidentschaft nicht gerade krönen. Gut möglich, dass er immerhin noch verhindert haben könnte, dass wie auch gefordert die USA einen Cyberangriff auf die russische Regierung als Rache führen.
Donald Trump, der eine Politik der Annäherung an Moskau verfolgte, ist nun gezwungen, die von Obama in fast letzter Minute noch verhängten Sanktionen wieder aufzuheben, womit er aber unter Druck auch aus der republikanischen, antirussischen Fraktion kommen wird. Oder er führt sie fort und riskiert damit eine Verschärfung des bestehenden Konflikts.
Bislang hat sich Trump auffällig zurückgehalten, um zu überlegen, wie er verfahren soll, nachdem er die angeblichen russischen Beeinflussungsversuche der Wahlen und die gleichfalls Russland zugeschriebene Entwendung und Veröffentlichung der Emails heruntergespielt hatte. Das bewog ihn auch dazu, sich von den Geheimdiensten zu distanzieren, deren Arbeit er als zweifelhaft einschätzte und schon mal ankündigte, auf das tägliche Briefing verzichten zu wollen. Jetzt hat er nur wieder einmal erklärt, dass es endlich Zeit werde, "zu größeren und besseren Dingen weiterzugehen". Er werde sich aber "nächste Woche im Interesse unseres Landes und seiner großartigen Menschen mit führenden Vertretern der Geheimdienste treffen, um über die Fakten dieser Situation informiert zu werden".
Da kann man schon heraushören, dass er von der Faktenlage nicht sonderlich überzeugt ist, zumal FBI und das Heimatschutzministerium in einem gemeinsamen Bericht auch keine Beweise für eine direkte Verwicklung der russischen Regierung vorgelegt haben, sondern nur "technische" Hinweise, die auf Russland deuten sollen.
Würde man verschwörungstheoretisch veranlagt sein, könnte man fast zu dem Schluss kommen, dass die angeblichen russischen Beeinflussungsversuche der US-Wahl von Trump-Gegnern hochgepuscht wurden, um diesen vor der Wahl als Freund Putins zu diskreditieren, was auch geschehen ist, und als Wahlsieger in eine missliche Lage zu versetzen. Ob die Aufregung um die behauptete russische Beeinflussung und die russischen Cyberaktivitäten mehr Hillary Clinton geschadet haben oder nun mehr Donald Trump, ist wohl Ansichtssache. Klar aber ist, dass Trump aus diesem Dilemma, egal wie er sich entscheiden wird, nicht unbeschädigt herauskommen wird. Und man kann vermuten, dass in gewissen transatlantischen Kreisen großes Interesse besteht, den Konflikt mit Russland nicht herunterzufahren, was eben auch bedeutet, in dieser Hinsicht Trumps außenpolitischen Präferenzen zu stören. Trump ließ erkennen, dass er den Konflikt mit China sucht, während er Russland eher wieder als Partner sehen möchte.
"Die Russen sind nicht unsere Freunde", machte aber auch der Sprecher der republikanischen Mehrheit im Senat, Mitch McConnell, deutlich gegenüber Trump und ließ erkennen, dass er eher für eine stärkere Konfrontation als bisher ist. "Sanktionen gegenüber russischen Geheimdiensten sind ein gutter erster Schritt, auch wenn er spät kommt. Wenn der nächste Kongress die russischen Aktionen gegen mit der US-Wahl verbundenen Netzwerken prüft, müssen wir auch sicherstellen, dass jeder Angriff auf die USA mit einer überwältigenden Reaktion beantwortet wird."
Putin hält sich zurück, das russische Außenministerium spricht von einem "inkompetenten außenpolitischen Team" im Weißen Haus
Der russische Präsident Wladimir Putin will offensichtlich noch Rücksicht nehmen auf Donald Trump, um seinerseits keine Hürden auf dem Weg zu einer möglichen Annäherung zu errichten. Moskau hatte immer die Vorwürfe abgestritten, sich in die Wahlen eingemischt zu haben, was anderes ist eigentlich auch nicht zu erwarten. Jetzt erklärte Putin, Russland habe zwar das Recht vor, mit Gegenmaßnahmen auf die "unfreundlichen Schritte" und die Provokation zu antworten, "aber wir werden nicht auf die Stufe einer unverantwortlichen "Küchen"-Diplomatie heruntergehen. Wir werden Schritte unternehmen, um die russisch-amerikanischen Beziehungen auf der Grundlage der vom designierten Präsidenten Donald Trump angenommenen Politik wiederherzustellen".
Putin sagte, man werde im Unterschied zu Barack Obama ausländische Diplomaten und ihre Familien nicht ausweisen. Ostentativ lud Putin die Kinder der amerikanischen Diplomaten ein, an den Feierlichkeiten im Kreml teilzunehmen. Man werde auch keine Diplomaten und deren Familien hindern, ihre Urlaubsorte aufzusuchen. Er bedaure, dass die Präsidentschaft von Obama auf solche Weise ende, schicke ihm und seiner Familie dennoch Neujahrsgrüße. Und er übermittelte auch Donald Trump und dem amerikanische Volk seine Grüße.
Scharf reagierte aber die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Zakharova, noch einmal. Sie bezeichnete die Obama-Regierung als "eine Gruppe von verbitterten und kleingeistigen außenpolitischen Verlierern". Obama habe keine größeren Erfolge auf der globalen Arena erzielen können. Jetzt habe Obama und sein "inkompetentes außenpolitisches Team" dem Ansehen der USA einen Schlag versetzt.
Überdies erklärte sie, dass aufgrund der Ausweisung von 35 Diplomaten insgesamt 96 Russen die USA verlassen müssen, darunter auch Kinder im Vorschul- und Schulalter. Unter den ausgewiesenen Diplomaten, von den USA als Geheimdienstmitarbeiter bezeichnet, seien manche erst vor zwei Monaten in die USA gekommen: "Es ist nicht klar, wie diese an den Aktivitäten teilgenommen haben sollen, die nach den Geheimdiensten im Frühjahr 2016 stattgefunden haben."