Putschversuch in Venezuela
Der Chef des Oppositionsparlaments erklärt sich zu "amtierenden Präsidenten". US-Regierung gab grünes Licht für die Aktion. Maduro bricht Beziehungen zu Washington ab
In Venezuela hat sich Parlamentschef Juan Guaidó während Protesten von Oppositionellen und Regierungsanhängern zum "amtierenden Präsidenten" des südamerikanischen Landes ausgerufen. "Ich schwöre, die Regierungsgewalt als amtierender Präsident von Venezuela zu übernehmen, um die Usurpation zu beenden", sagte der 35-jährige Politiker der rechtspopulistischen Partei Volkswille (Voluntad Popular). Er wolle eine Übergangsregierung einsetzen und Neuwahlen anberaumen, fügte er bei einer Demonstration gegen Präsident Nicolás Maduro an.
Guaidó war Anfang des Jahres zum Präsidenten der oppositionell dominierten Nationalversammlung gewählt worden. Das Parlament hat angesichts einer parallel tagenden, regierungstreuen Verfassunggebenden Versammlung kaum mehr Einfluss.
"Heute erkenne ich den Präsidenten der venezolanischen Nationalversammlung, Juan Guaidó, offiziell als Interimspräsidenten Venezuelas an", heißt es in einem Statement von US-Präsident Donald Trump. Die Nationalversammlung als "einzige legitime Regierungsinstitution" habe Nicolás Maduros Präsidentschaft für unrechtmäßig erklärt, so dass das Amt des Präsidenten vakant sei. Das venezolanische Volk habe sich mutig gegen Maduro und sein Regime ausgesprochen und Freiheit und Rechtsstaatlichkeit gefordert. "Ich werde weiterhin das volle Gewicht der wirtschaftlichen und diplomatischen Macht der Vereinigten Staaten nutzen, um auf die Wiederherstellung der venezolanischen Demokratie zu drängen", so Trump. Anerkannt wurde Guaidó bislang auch von den Rechtsregierungen in Brasilien, Argentinien, Kolumbien, Chile sowie von Kanada und der Organisation Amerikanischer Staaten.
In Reaktion auf die Erklärung Trumps gab Maduro am Mittwochnachmittag (Ortszeit) den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu den USA bekannt. Zuvor schon hatte er eine "grundsätzliche Überprüfung" der Beziehungen zu Washington angekündigt. "Wollt Ihr eine Marionettenregierung, die aus Washington gesteuert wird?", rief er tausenden Anhängern vor dem Präsidentenpalast Miraflores zu, die mit "Nein" antworteten. Die Probleme des Landes würden nur im Land gelöst, fügte Maduro mit Blick auf die schwere wirtschaftliche und soziale Krise Venezuelas hinzu. Die Opposition aber wolle keine wirtschaftliche Erholung des Landes, weil dies ihren Interessen entgegenstehe.
Die massive Zuspitzung hatte sich schon zu Wochenbeginn angedeutet, als eine kleine Gruppe Militärs zum Militärputsch aufrief. Die regierungskritische Tageszeitung "El Nacional" sah Venezuela daraufhin "in eine neue Phase der Kämpfe" eintreten. Schon Montagabend habe Caracas mehr als 30 Straßenproteste in verschiedenen Teilen der Stadt verzeichnet, hauptsächlich in Gebieten, die zuvor von Chavisten - so die Bezeichnung für die Anhänger der Regierung - kontrolliert wurden. Das Blatt verwies auch noch einmal ausdrücklich auf den "Aufruhr" einer Einheit der Nationalgarde. Die Militärs hätten sich entschieden, einem Aufruf von Parlamentspräsident Juan Guaidó Folge zu leisten und "Maduros Regime zu ignorieren".
Den Startschuss zu der Proklamation einer Gegenregierung gab US-Vizepräsident Mike Pence, der in einer Videobotschaft "im Namen von Präsident Donald Trump und dem gesamten amerikanischen Volk (...) die unerschütterliche Unterstützung der Vereinigten Staaten (...) für das Volk von Venezuela" erklärt hat, "das seine Stimme für die Freiheit erhebt". Präsident Maduro bezeichnete er in dem knapp zweiminütigen Video als "Diktator ohne legitimes Recht auf Macht". Maduro habe die Präsidentschaft nie in einer freien und fairen Wahl gewonnen, fügte Pence hinzu.
In Venezuelas Hauptstadt Caracas fanden heute Demonstrationen beider politischer Lager statt. Die regierende Vereinigte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) mobilisierte ihre Anhänger ab neun Uhr morgens zu Protesten. Es gehe darum, "die Führung von Präsident Nicolás Maduro zu unterstützen" und an den 61. Jahrestag des Untergangs der Diktatur von Diktator Marcos Pérez Jiménez zu erinnern, hieß es in venezolanischen Medien. "Morgen werden wir alle auf die Straße gehen, um unseren Präsidenten Nicolás Maduro zu unterstützen, um den Frieden zu verteidigen und die nationale Einheit zu verteidigen", sagte Vizepräsidentin Delcy Rodríguez in einer Pressekonferenz.
Die venezolanische Opposition unter der Leitung von Guaidó rief zu Kundgebungen an neun verschiedenen Punkten der Hauptstadt auf. Die Anhänger der Opposition strömten von dort aus zu einem gemeinsamen Protestmarsch im Zentrum von Caracas. Der zweite Vizepräsident des Parlaments, Stalin Gonzalez, zeigte sich zuversichtlich, dass mit dem Marsch die "Wiedervereinigung der Venezolaner" eingeleitet werde.
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