RKI-Protokolle und Impfschäden: Das sagt eine Betroffene
Wie nehmen Impfgeschädigte die Veröffentlichung der Protokolle wahr? Und was ändert sich dadurch – ist eine ehrliche Aufarbeitung in Sicht?
Der Kampf um die Deutungshoheit der "RKI-Files" ist in vollem Gang. Während pauschale Befürworter der damaligen Regierungspolitik die Brisanz der Protokolle des Corona-Krisenstabs infrage stellen und betonen, dass nicht jede Fehleinschätzung mit dem Wissen von damals ein Skandal sei, reklamieren Stimmen aus dem "Querdenker"-Lager für sich, "mit allem Recht gehabt" zu haben.
Unterdessen machen Menschen, die unmittelbar nach Impfungen krank wurden, und Long-Covid-Patientinnen ähnliche Erfahrungen, wenn es um konkrete Unterstützung geht.
Lange bekannt: Keine sterile Immunität durch Impfung
Aus der Sicht von Kristin Hoffmann, die seit ihrer Impfung mit dem Covid-19-Vakzin Moderna an schweren Krankheitssymptomen leidet, kam durch die kürzlich veröffentlichten Dokumente aber nichts grundsätzlich Neues ans Tageslicht.
Dass der Grund für ihre Impfentscheidung, nämlich der lange kommunizierte solidarische Fremdschutz, durch die Vakzine gar nicht verlässlich gewährleistet wurde, sei längst bekannt gewesen, betont die ausgebildete Physiotherapeutin, die inzwischen arbeitsunfähig ist.
Die Motivation, sich impfen zu lassen, sei in ihrem Fall "ausschließlich" der Fremdschutz gewesen aus beruflichen Gründen, da sie viel mit älteren Patienten zu tun gehabt habe, sagt sie im Gespräch mit Telepolis – und aufgrund ihrer privaten Situation, weil auch ihr Teenager-Sohn Angst gehabt habe, ihre Patienten könnten sich letztendlich seinetwegen anstecken, wenn er das Virus aus der Schule mitbringe und an seine Mutter weitergebe.
Es sei noch im Lauf des Jahres 2021 klar geworden, dass die Impfung keine sterile Immunität erzeugt, also nicht die Weitergabe des Virus verhindert, dennoch hätten viele Medien bis Mitte 2022 oder sogar noch 2023 diesen Eindruck erweckt.
Geimpft, um das Virus nicht weiterzugeben
Im Rahmen ihrer Berufstätigkeit sei die ausdrückliche Empfehlung der Regierenden im Frühjahr 2021 ständig Thema gewesen: "Ich bin im 25-Minuten-Takt gefragt worden: Wann lassen Sie sich impfen?" Auch ihr Sohn habe sie darauf angesprochen, als sie in seiner Gegenwart geniest habe und er befürchtete, sie angesteckt zu haben.
Daraufhin habe sie sich klar für die Impfung entschieden. Nach der zweiten Dosis reagierte ihr Körper heftig: Herzrhythmusstörungen, die schon nach der ersten Impfung ausgetreten waren, verschwanden dieses Mal nicht nach kurzer Zeit. Sie waren auch auf dem EKG sichtbar, nach ärztlicher Auskunft aber nicht akut bedrohlich.
Die lange Liste der Symptome
Zeitweise konnte sie auch den Arm nicht mehr bewegen, in den ihr die Spritze verabreicht worden war. Die Liste ihrer Symptome ist heute lang und beunruhigend, zumal es noch viel Forschungsbedarf gibt und die Heilungschancen zum Teil unklar sind.
Neurologische Störungen breiteten sich im ganzen Körper aus, hinzu kamen Schwellungen im Gesicht und am Oberkörper. Sie berichtet von schweren Schäden der kleinen Nerven im ganzen Körper, besonders an Armen, Händen, Beine und Füßen. Auch Sehstörungen, Vergesslichkeit Konzentrationsprobleme und Wortfindungsstörungen kommen vor.
Medizinische Versorgung nach Geldbeutel
Manche Untersuchungen, die bei diesem Krankheitsbild sinnvoll und notwendig wären, kann sie nicht finanzieren – und niemand fühlt sich dafür zuständig.
Mittlerweile wurden bei mir Schädigungen im Gehirn in Form von Atrophie festgestellt, ich habe in einem Hirnareal Glukoseunterversorgung. Auch hier habe ich lediglich die Diagnose per Post erhalten. Ein erklärendes Gespräch gab es nicht.
Ich habe mittlerweile Atrophien am Körper. Einzelne Muskeln verschwinden innerhalb von zwei Wochen, was eigentlich nicht möglich ist. Meine Hausärztin würde gern, aber kann mir nicht helfen Es müssten weitere Untersuchungen stattfinden, allerdings würde ich die ausschließlich beim Privatarzt erhalten. Den kann ich mir nicht leisten.
Kristin Hoffmann
Sie habe inzwischen Klage auf Anerkennung einer Schwerbehinderung beim Kreis Paderborn eingereicht, "weil sie mir ausschließlich für mein Kiefergelenk und meinen linken Oberarm 30 Prozent bewilligen wollen".
Was auch das Coronavirus im menschlichen Körper anrichten kann und auch angerichtet hat, verharmlost sie auch nicht – im Gegenteil erzählt sie von einer Freundin, die an Long Covid erkrankt ist und ganz ähnliche Symptome hat wie sie selbst.
Wegen Krankheit nach Impfung in die rechte Ecke gestellt
Diese Freundin sei vorher nicht geimpft worden, betont Kristin Hoffmann, die auch das rechtsoffene "Querdenker"-Milieu äußerst kritisch sieht, aber schon erleben musste, dass sie in diese Ecke gestellt wurde, wenn sie den Grund für ihre Erkrankung nannte.
Sie sei "vom Herzen her nahe der linkeren Ecke" und auf der Straße wie in Social-Media-Gruppen gegen Rechts aktiv gewesen – in letzteren sei sie aber zum Teil als "Fake" betrachtet und ausgeschlossen worden.
Aus dem "Querdenker"-Lage hingegen kommt manchmal auch regelrechte Schadenfreude: Wer sich habe impfen lassen, sei selbst schuld, heißt es dann in den Kommentarspalten.
Das Warten auf ehrliche Aufarbeitung
Ob die Veröffentlichung der RKI-Protokolle die Bereitschaft zur ehrlichen Aufarbeitung entscheidend beeinflusst, daran hat Kristin Hoffmann bislang ihre Zweifel.
Sie selbst hält sich auch mit Vermutungen zurück, wie viele Impfgeschädigte es wirklich im Vergleich zu Corona-Geschädigten gibt, hat aber dennoch Bedenken, ob Erstere nicht teilweise unter den Tisch fallen.
In ihrem Fall ging auch der zuständige Arzt aufgrund der starken zeitnahen Symptome von einem Impfschaden aus und wollte ihr daraufhin keine weitere Dosis verabreichen. Doch auch in solchen Fällen können Betroffene lange auf die Anerkennung warten.
Warum so geizig, wenn es nur um wenige Impfopfer geht?
Aus ihrer Sicht ist unlogisch, warum die Regierung nicht schnell handelt, um den Betroffenen schnell und unbürokratisch zu helfen, "wenn wir doch so wenige sind, wie es überall, von Regierung, Ärzten und Medien immer wieder erwähnt wird", sagt Kristin Hoffmann.
Bis Januar 2024 wurden laut Medienberichten bei 467 Personen Impfschäden aufgrund von Covid-19-Vakzinen anerkannt. Aus einer Abfrage der Neuen Osnabrücker Zeitung bei den zuständigen Behörden aller 16 Bundesländer hervorgeht, dass insgesamt 11.827 Menschen entsprechende Anträge gestellt hatten. Insgesamt wurden rund 65 Millionen Menschen in Deutschland gegen das Coronavirus geimpft.
Wenn es bei den Impfschäden um einen so überschaubaren Personenkreis geht, müsste es möglich sein, den arbeitsunfähig Erkrankten den nervenaufreibenden Papierkrieg zu ersparen, in dem erst einmal niemand für sie zuständig sein will und sich alle wegducken, um nur ja nicht zahlen zu müssen.
Nervenaufreibender Papierkrieg: Kranke im Ringen mit Bürokraten
Diese Erfahrung hat Kristin Hoffmann bisher gemacht. Allerdings kennt sie solche Schilderungen auch von anderen chronisch Kranken, mit denen sie als Physiotherapeutin zu tun hatte.
Ihr selbst wurde erst im Januar 2024 eine Erwerbsminderungsrente bewilligt – rückwirkend bis 2021, nachdem sich ein Gutachter sich bereits im September 2022 dafür ausgesprochen hatte. Im November 2023 hatte sie Klage wegen Untätigkeit eingereicht.
"Es folgte ein haltloses Winden der Rentenversicherung, dass erst eine Reha angetreten werden müsste", sagt Kristin Hoffmann – obwohl der Gutachter ausgeschlossen habe, dass dies eine entscheidende Veränderung bringen würde. Zwischenzeitlich habe sie das Jobcenter sogar als arbeitsfähig eingestuft.
Wie Betroffene Selbsthilfe organisieren
Letzteres ist nun zwar vom Tisch, aber da die Erwerbsminderungsrente nicht reicht, muss sie Aufstockung beantragen, da sie in ihrem Job als Physiotherapeutin nur 13 Euro brutto pro Stunde verdient habe. "Kurz nachdem ich krank wurde, wurden die Gehälter von Physiotherapeuten massiv erhöht, weil es Demonstrationen gab".
Nun wolle das für die Aufstockung zuständige Sozialamt ihre Miete nicht vollständig übernehmen: "Sie ist mit 385,00 kalt zu teuer. Wenn ich hier ausziehen muss, habe ich ein weiteres Problem. Meine Nachbarn helfen mir sehr viel. Da meine restliche Familie 150 Kilometer entfernt wohnt. Ich hätte dann diese Hilfe nicht mehr. Es ist alles ein nicht enden wollender Alptraum."
Aufgeben will sie dennoch nicht. In Paderborn hat sie eine Selbsthilfegruppe gegründet – und als Mitgründerin des Verein Postvac Hilfe e. V. beteiligt sie sich an der Organisation einer Fachtagung, die am 15. Juni in der Stadthalle Rheda-Wiedenbrück stattfinden soll.