Rabiater Polizeieinsatz in Düsseldorf: Vorgeschmack auf neues Versammlungsgesetz?
Aktuelle Stunde im Landtag von NRW: SPD zeigt "schwarz-gelber" Koalition Rote Karte
Auf Bundesebene regieren CDU und SPD gemeinsam, in Nordrhein-Westfalen wehren sich die Sozialdemokraten gegen die aus ihrer Sicht repressive Innenpolitik der C-Partei und ihres Koalitionspartners FDP. Aktuell steht die Landesregierung unter dem CDU-Chef und Kanzlerkandidaten Armin Laschet wegen Polizeigewalt gegen Demonstrierende und Journalisten in der Kritik. In einer Aktuellen Stunde des Landtags an diesem Donnerstag forderte SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty die "schwarz-gelbe" Koalition auf, den Gesetzentwurf zurückzuziehen, gegen den sich die betroffene Demonstration in Düsseldorf gerichtet hatte.
Dort war am Samstag ein breites Bündnis gegen das geplante Versammlungsgesetz für das Land NRW auf die Straße gegangen. Mehrere tausend Menschen waren dem Aufruf zu der Demonstration gefolgt, die Veranstalter sprachen von rund 8.000 Teilnehmern, die Polizei ging von etwa 3.000 aus. Vertreten waren sowohl die Jugendorganisationen der SPD und der Grünen als auch die Partei Die Linke sowie Umweltbewegte, Gewerkschaftsgliederungen und außerparlamentarische linke Gruppen, die verschiedene Blöcke bildeten. Schlagstöcke und Pfefferspray bekam vor allem der von Antifa-Gruppen gebildete "schwarze Block" ab.
Vermummungsverbot trifft Maskengebot
Die Polizei soll als wesentlichen Grund für ihr Einschreiten Verstöße gegen das "Vermummungsverbot" genannt haben, betroffene Teilnehmer betonten im Anschluss, sie hätten sich an die Hygieneauflagen zur Eindämmung der Corona-Pandemie gehalten und schwarze OP-Masken getragen. Die Polizei warf ihnen aber außerdem vor, Transparente zu hoch gehalten und Schirme als Sichtschutz verwendet zu haben. Im Zuge der rabiaten Polizeimaßnahmen war auch ein Reporter der Deutschen Presseagentur (dpa) verletzt worden.
Kutschaty betonte in der Aktuellen Stunde, er habe in den letzten Tagen sowohl mit Polizeibeamten als auch mit Beteiligten der Demonstration gesprochen. Außerdem habe er Bild- und Videomaterial gesichtet, das ihn "zutiefst beunruhigt" habe.
Der SPD-Politiker warf der Polizei vor, auch Minderjährige stundenlang eingekesselt zu haben. Ein 15-jähriger sei nach fünf Stunden kollabiert und habe notfallmedizinisch versorgt werden müssen. Junge Frauen hätten außerdem geschildert, "dass keine Toilette aufzusuchen war und sie deshalb vor den Augen anderer in einen Gully urinieren mussten". Kutschaty betonte, es seien auch Straftaten gegen die Polizei auf dem Videomaterial zu sehen gewesen, die selbstverständlich vor Gericht gehörten - wie etwa das Werfen von Absperrelementen. Der polizeiliche Umgang mit den Demonstrierenden sei aber derart "robust" und "ruppig" gewesen, dass diese Aggression womöglich die Ursache gewesen sei, "eine Spirale der Gewalt weiterzudrehen". Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer betonte im Anschluss, der Einsatz habe das Vertrauen in die Polizei erschüttert, die Landesregierung wolle offenbar eine "robuste, repressiv ausgerichtete Polizei".
Der AfD-Abgeordnete Roger Beckamp nannte dagegen das gesamte Spektrum der Demonstration ein "buntes Sammelsurium der Gewalttätigen" und die Landtagsfraktionen von SPD und Grünen den "parlamentarischen Arm dieser Krawallgruppen".
Reul will noch "aufklären", ist aber sicher, wer das Problem war
Innenminister Herbert Reul (CDU) räumte zwar in seiner Rede vereinzelt Fehler ein, aber keine grundsätzlichen. "Wenn ich sage, ich kläre das auf, dann kläre ich das auf", versprach er. "Ohne Schnellschüsse allerdings, sondern gründlich." Allerdings war er schon vor dieser gründlichen Aufklärung sicher: "Die Ursache für den Ärger waren nicht die Polizisten, sondern ein Teil der Demonstranten." Der polizeiliche Umgang mit dem dpa-Reporter sei "nicht richtig" gewesen, da er "eindeutig" als Pressevertreter zu erkennen gewesen sei, sagte Reul. Allerdings sei noch unklar, ob der Fotograf geschlagen, geschubst oder weg gedrängt worden sei. Das müsse nun die Staatsanwaltschaft klären.
Darüber hinaus ging es in der Aktuellen Stunde um die Zukunft des viel kritisierten Versammlungsgesetzes. Reul hätte diese Debatte gern von dem aktuellen Anlass getrennt und warf der Opposition vor, "auf den Rücken der Polizisten" eine "Scheindebatte" über das geplante Gesetz führen zu wollen.
Kutschaty hatte Reul vorgeworfen, ein "Versammlungsverhinderungsgesetz" zu planen. Einer der Kritikpunkte: Es würde für noch mehr Rechtsunsicherheit sorgen, was beispielsweise auf Demonstrationen erlaubte und unerlaubte Kleidung betrifft. Die SPD-Landtagsfraktion hält den Entwurf daher für "klar verfassungswidrig". Unter "Militanzverbot" ist darin zu lesen, es sei verboten, an einer Demonstration teilzunehmen, wenn diese zum Beispiel "durch das Tragen von Uniformen, Uniformteilen oder uniformähnlichen Kleidungsstücken (…) Gewaltbereitschaft vermittelt und dadurch einschüchternd wirkt".