Rätselhafter Jupiter
Die Bilder des realen Jupiter-Systems sind kaum weniger psychedelisch als Kubricks berühmter Farbenrausch am Ende seiner Weltraum-Odyssee
Ursprünglich war der Saturn als Ziel der Weltraum-Odyssee vorgesehen gewesen. Doch weil die Tricktechniker Probleme hatten, dessen prachtvolles Ringsystem glaubhaft darzustellen, disponierte Stanley Kubrick kurzerhand um und schickte seine Astronauten statt dessen zum Jupiter.
Im Nachhinein entpuppt sich diese aus Beschränkungen erwachsene Entscheidung als Glücksfall. Denn so ist es möglich, die Bilder des Films im symbolträchtigen Jahr seiner Wiederaufführung mit aktuellen Aufnahmen vom realen Jupiter zu vergleichen. Die wirken zum Teil so, als wären sie direkt aus der berühmten, psychedelischen Schlusssequenz des Science-Fiction-Epos heraus kopiert worden.
"Jupiter und dahinter die Unendlichkeit" lautet der Titel des dritten Film-Aktes, der von der Begegnung mit außerirdischer Intelligenz und dem Aufstieg zu einer neuen Bewusstseinsstufe erzählt. Es ist ein Rausch in Farben, der alle erzählerischen Konventionen sprengt und ein überwältigendes Gefühl erzeugt, etwas Wunderbares erlebt zu haben.
Wunderbar ist auch, was die Sonde "Galileo", die seit Ende 1995 den Jupiter umkreist, in den letzten Jahren an Bildern und Entdeckungen übermittelt hat. Aus nur knapp 200 Kilometern Höhe fotografierte sie den Mond Io, den vulkanisch aktivsten Himmelskörper des Sonnensystems, und entdeckte fantastisch geformte Krater in surrealistisch anmutenden Farben. Die Lava, die hier heraus geschleudert wird, ist mit 1500 Grad Celsius heißer als in jedem irdischen Vulkan. Wissenschaftler schätzen, dass Io pro Quadratmeter fünf mal so viel Hitze abstrahlt, wie das Gebiet der heißen Quellen im amerikanischen Yellowstone Nationalpark: etwa 13,5 Watt. Das heizt den Mond auf eine Temperatur von -183 bis -178 Grad Celsius auf.
Die drei übrigen Galileischen Monde (benannt nach ihrem Entdecker Galileo Galilei) Europa, Ganymed und Callisto sind dagegen von dicken Eisschichten überzogen. Risse in deren Oberflächen sowie Beobachtungen in den Magnetfeldern haben bei vielen Wissenschaftlern die Vermutung erhärtet, dass sich darunter flüssige Ozeane befinden könnten. Insbesondere Europa gilt mittlerweile als heißer Kandidat bei der Suche nach Leben.
Was könnten das für Lebensformen sein, die ihre Energie aus geologischer Wärme statt von der Sonne beziehen und die durch eine kilometerdicke Eisschicht vom übrigen Universum abgetrennt sind? Können sich unter solchen Bedingungen überhaupt komplexe, womöglich gar intelligente Lebewesen ähnlich den irdischen Walen und Delfinen entwickeln? Oder können wir allenfalls auf Mikroorganismen hoffen?
Eines jedenfalls ist gewiss: Mit Jupiter und seinen Monden hat Stanley Kubrick genau das richtige Ziel für seine Weltraum-Odyssee gewählt. Denn wenn im Jahr 2001 Raumfahrt wieder spannend wird, dann liegt das zu einem großen Teil an den Entdeckungen, die hier gemacht worden sind. Eine schönere Ehrung für sein filmisches Meisterwerk hätte Kubrick sich kaum wünschen können.