Raucher und Dicke kommen dem Gesundheitssystem billiger

Gewarnt wird immer vor der drohenden Kostenlawine, die mit der Verfettung einhergeht, doch nach einer Studie kommen die gesund Lebenden am teuersten

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Die WHO hat schon vor einiger Zeit die zunehmende Verfettung der Menschheit zur Epidemie erklärt. Zumindest in meisten reichen Staaten ist der Kampf gegen das Übergewicht und die Fettleibigkeit zum Politikum geworden (Von der allmählichen Verfettung der Menschheit). Man sieht die Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Standort bedroht, vor allem gehen die Regierungen vor einer künftigen Kostenlawine aus, wenn die Menschen nicht mehr nur älter, sondern aufgrund ihres Körpergewichts durch schlechte Ernährung und zu wenig Bewegung auch immer kränker werden und vorzeitig sterben. Seit Mitte der 70er Jahre steigt in vielen Ländern die Zahl der Übergewichtigen und Adipösen an, nach Vorhersagen soll 2025 die Hälfte der amerikanischen Bevölkerung bereits fett sein. Auch in Deutschland wurde gerade erst gewarnt: Die Deutschen sind zu fett - besonders die Armen und die Saarländer.

Es klingt einleuchtend, dass mit der Verfettung die Risken steigen, krank zu werden, was wachsende Gesundheitskosten nach sich ziehen sollte. Wie so oft, sind die Verhältnisse aber wahrscheinlich nicht so einfach. Niederländische Wissenschaftler haben nun versucht, in einer Simulation die zu erwartenden Mehrkosten für übergewichtige und rauchende Menschen herauszufinden. Für die Simulation, so berichten sie in dem Artikel, der in der Open Access Zeitschrift PLoS Medecine erschienen ist, gingen sie von drei hypothetischen Populationen von 1.000 Männern und Frauen im Alter von 20 Jahren aus. Eine Gruppe bestand aus übergewichtigen Menschen mit einem BMI von 30, die nicht rauchen, die zweite Gruppe aus gesund lebenden Menschen mit normalem Gewicht, die dritte aus Rauchern mit einem normalen Körpergewicht.

Die Wissenschaftler ließen die Simulation der Gruppen mit unterschiedlichen Szenarien durchlaufen, bis alle Beteiligten virtuell gestorben waren, und berechneten die Wahrscheinlichkeit für bestimmte Erkrankungen sowie die zu erwartenden Kosten, wozu sie Daten des holländischen Gesundheitssystems verwendeten. Wenig erstaunlich kosten die Raucher dem Gesundheitssystem am wenigsten, dann folgen die Dicken und am teuersten sind die gesund Lebenden, weil sie am längsten leben und dann die entsprechenden Alterskrankheiten erhalten.

Die Restlebenszeit der Raucher, beginnend mit 20 Jahren als dem Ausgangspunkt der Simulation, ist mit durchschnittlich 57,4 Jahren bei den Rauchern am kürzesten, die Dicken stehen mit 59,9 Jahren in der Mitte, die "Gesunden" erreichen 64,4 Jahren (Danke an das Forum für die Richtigstellung!). Bis zum Alter von 56 Jahren kommen nach der Simulation allerdings die Dicken am teuersten, weil sie häufiger an Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden. Beenden Raucher ihr Laster und nehmen die Dicken ab, so nehmen in den ersten 50 Jahren nach der Änderung des Lebensstils die Kosten ab, steigen dann aber wieder mit zunehmendem Alter an. In den durch der Prävention "gewonnenen" Lebensjahre ziehen sich die ehemaligen Raucher und Dicke neue Krankheiten zu, die die Kosten ansteigen lassen. "Der zugrundeliegend Mechanismus", so die Wissenschaftler, "bestehet aus einer Ersetzung von billigen, tödlichen Krankheiten durch weniger tödliche und daher teuere Krankheiten." Wenn man nur auf die Kosten sieht, kämen Maßnahmen zur Verhinderung des Übergewichts günstiger als solche zur Raucherprävention.

Die Simulation geht natürlich von einem vereinfachten Modell und von bestimmten Annahmen aus. Die Wissenschaftler weisen auf einige dieser Punkte hin, beispielsweise auf den, dass es durchaus Unterschiede machen dürfte, welches Körpergewicht die Menschen haben und wie sich dieses während des Lebens verändert. So wurden auch nur die Kosten für das Gesundheitssystem berücksichtigt. Eine geringere Lebenserwartung schlägt sich vermutlich in einer geringeren gesellschaftlichen Produktivität nieder, die zu erhebliche indirekten Kosten führen könnte.

Fourth, it is important to stress that we have focused solely on health-care costs related to smoking and obesity, ignoring broader cost categories and consequences of these risk factors to society. It is likely, however, that these impacts will be substantial. For instance, reduced morbidity in people of working age may improve productivity and thus result in sizeable productivity gains in society (e.g., [44]). In the case of smoking and obesity, these indirect costs could well be higher than the direct medical costs [8,18]. Moreover, from a societal perspective, other potentially substantial costs and consequences need to be considered, such as those related to informal care, the damage due to fires caused by smoking, or the reduced well-being of family members due to morbidity and premature death. These different cost categories emphasize the influence the perspective taken in economic analyses has on the conclusions. From a welfare economic perspective the societal perspective is, in fact, the most relevant [45], although in practice many evaluations take a narrower perspective, which more closely conforms to the perspective most relevant to the decision-maker they are trying to inform [46].