Raucher verlieren ihr Y-Chromosom

In einer Studie zeigt sich, dass ältere Raucher ungewöhnlich häufig ihr Y-Chromosom einbüßen. Das führt womöglich zu höheren Krebsraten

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Dass die zwei Geschlechter einer Spezies einen unterschiedlichen Chromosomen-Satz aufweisen, ist in der Natur nicht die Regel. Säugetiere etwa besitzen die XX-/XY-Kombination, auch manche Pflanzen, einige Fische oder die Fruchtfliege. Bei Vögeln, Schmetterlingen oder der Erdbeere hingegen besitzt das Weibchen zwei verschiedene Chromosomen, während das Männchen zwei identische Kopien aufweist.

Die Technik der Evolution, das Geschlecht eines Individuums nicht variabel anhand der Umweltbedingungen, sondern fix und zufällig festzulegen, hat Vor- und Nachteile. So bleiben die Geschlechterverhältnisse zum Beispiel ungefähr ausgeglichen. Andererseits ist ein Chromosom, das keine Entsprechung besitzt, für Fehler anfälliger.

Das hat im Laufe der Evolution des Menschen etwa dazu geführt, dass auf dem Y-Chromosom des Mannes vor allem Funktionen kodiert werden, die mit der Vermehrung zu tun haben. Etwaige Fehler im X-Chromosom, das Frauen doppelt besitzen, können Männer nicht ausgleichen - so kommt es dazu, dass weitaus mehr Männer als Frauen Rot-Grün-Blind sind.

Trotzdem beschränkt sich die Funktion des Y-Chromosoms nicht auf die Festlegung des Geschlechts. Welche Gene dieses Chromosoms für das alltägliche Überleben des Mannes abseits der Spermien-Produktion wichtig sind, das ist in der Medizin derzeit noch umstritten. Es gibt aber zum Beispiel Hinweise, dass ein Verlust des Y-Chromosoms, wie er im Alter nicht selten auftritt, mit einer höheren Krebsrate einhergeht.

Das könnte auch erklären, warum der Mann insgesamt eine geringere Lebenserwartung als die Frau hat, denn was man nicht hat, kann man auch nicht verlieren... Es ist allerdings bis heute nicht völlig klar, ob es sich dabei um eine Korrelation oder eine Ursache-Wirkungs-Beziehung handelt. Immerhin könnten der Verlust des Y-Chromosoms und eine höhere Krebsrate auch gemeinsame Ursachen haben.

Klar ist aber, so eine aktuelle Veröffentlichung im Wissenschaftsmagazin Science, dass vor allem eine ganz bestimmte Gruppe regelmäßig mit dem Alter ihr Y-Chromosom einbüßt: die Raucher. Schwedische Forscher weisen das in dem Paper an einer Kohorte von 6.000 Männern nach.

Das Phänomen ist dabei dosisabhängig: Je mehr geraucht wird, desto höher das Risiko für das Y-Chromosom. Gaben Probanden das Rauchen hingegen auf, normalisierte sich ihr Risiko nach einiger Zeit. Damit gilt: Selbst wenn der Verlust des Männlichkeits-Chromosoms und Krebs nur gemeinsame Ursachen besitzen, lässt sich diese gemeinsame Ursache durch einen Verzicht auf Glimmstängel vermeiden.