Rauschgold

Seite 2: Wir stehen an einem interessanten Punkt

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Die zentrale Beglaubigung des in welcher Form auch immer umlaufenden Geldes macht es zu einem überall gültigen Symbol für menschliche Arbeitszeit. Und an diesem Punkt wird ein massiver innerer Widerspruch des Bitcoin-Phänomens interessant.

"Objektiv" etwas wert sein könnten Bitcoins nur dann, wenn sie frei in das anerkannte Wertmaß für den Austausch von Waren konvertiert werden oder es sogar ersetzen könnten. Aber so sehr die Bitcoin-Gemeinde an diesem Punkt Optimismus verbreiten möchte, so deutlich sabotiert die Volatilität der Bitcoins als Spekulationsobjekt ihren Einsatz als wirkliches Geld.

Die Liste der Teilnehmer an der Realwirtschaft, die Bitcoins als Zahlungsmittel akzeptieren, wird eben nicht ständig länger, sondern ist starken Fluktuationen ausgesetzt - was auch nicht weiter wundert. Die Gläubigen möchten auf den durch Computervoodoo geschaffenen, imaginären Wert der Bitcoins bauen, aber die Boom- und Bustzyklen, die zwingend mit dem spekulativen Charakter des Phänomens verbunden sind, verhindern das Vertrauen, das nötig wäre, um das Bitcoin-Phänomen an die Realwirtschaft zurückzubinden.

Wir stehen an einem interessanten Punkt. Folgende Entwicklungen sind denkbar:

  1. Die Bitcoins werden irgendwie "gezähmt" und als gültiges, wertstabiles Zahlungsmittel weithin akzeptiert. Dann bliebe von dem ganzen Hype nichts übrig als eine alternative Form des bargeldlosen Zahlungsverkehrs.
  2. Die jetzigen Nutzer verlieren nach fortgesetzten Boom- und Bustzyklen die Lust an den Bitcoins.Wenn der Katzenjammer vorbei ist, gerät der Trubel in Vergessenheit wie andere Modephänomene auch.
  3. Es wird so viel "echtes" Geld in den Hype gepumpt und geht dann bei einem großen Crash verloren, dass ein Abrauchen der Bitcoins signifikante Teile der Finanzwirtschaft mitnimmt. Ähnlich wie bei der Finanzkrise 2008, die von den faulen Krediten im US-Immobilienmarkt ausging. Wichtigste Nebenwirkung: Für die Erzeugung und Verwaltung einer Phantomwährung hätte die Welt ungeheure Mengen von elektrischer Energie verausgabt, und müsste mit den erzeugten Schadstoffen *zusätzlich* zu der ökonomischen Krise zurechtkommen.

Alternative 1 ist denkbar, aber nicht sehr wahrscheinlich. Es gibt leider beunruhigende Anzeichen dafür, dass Alternative 3 wahr werden könnte, zum Beispiel das Auftauchen von "Derivaten" und "Finanzprodukten", die auf Bitcoin basieren. Man erinnert sich, dass es zwischen den Banken gehandelte "Finanzprodukte" aus faulen Immobilienkrediten waren, die der Krise 2008 erst so richtig Durchschlagskraft verliehen.

So wie die Dinge liegen, kann man nur darauf hoffen, das Szenario 2 wahr wird, ohne allzu heftige Kollateralschäden hervorzurufen. Dass ein erneuter Crash wie 2008 zu einer allgemeinen Kritik der Verrücktheit unseres Wirtschaftssystems führt, ist jedenfalls so gut wie ausgeschlossen.