"Real, conservative change"

McCain gewinnt die republikanischen Vorwahlen in Florida vor Romney und Giuliani

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Der Senator aus Arizona erhielt gestern mit 36 % die meisten Stimmen, ihm folgten Mitt Romney mit 31, Rudolph Giuliani mit 15 und Mike Huckabee mit 13 %. Giuliani, lange als aussichtsreicher republikanischer Präsidentschaftskandidat gehandelt, war durch die Strategie, sich bei den Vorwahlen auf die bevölkerungsreichen Bundesstaaten zu konzentrieren, ins mediale Hintertreffen geraten.

Bereits im Vorfeld der Florida Primaries zeichnete sich ab, dass der ehemalige New Yorker Bürgermeister den Wert der durch Medienaufmerksamkeit erzeugten kostenlosen Werbung in Bundesstaaten wie Iowa, New Hampshire und Südcarolina möglicherweise unterschätzt hatte und auch in dem Bundesstaat, auf den er seinen Wahlkampf konzentrierte, wahrscheinlich deutlich hinter McCain und Romney liegen würde.

Ob Giuliani nun das Ruder am 5. Februar, dem Super Tuesday, noch herumreißen kann, ist fraglich. In den Köpfen der republikanischen Wähler hat sich der Zwei- beziehungsweise Dreikampf McCain, Romney und – ebenfalls schon etwas abgeschlagen – Huckabee festgesetzt. Eine Entscheidungsoption sehen viele republikanische Wähler deshalb nur noch in diesen Drei – selbst wenn sie eigentlich anderen Kandidaten zuneigen.

Der Italo-Amerikaner hatte den Rentnerstaat fast zwei Monate lang bereist und dort über 30 Millionen Dollar für Werbung ausgegeben. Eine Konzentration auf Florida schien für Giuliani aus drei Gründen vielversprechend: Erstens vergibt der bevölkerungsreiche Bundesstaat mit 57 Delegierten relativ viele Wahlmänner. Zweitens werden diese nicht nach Stimmanteilen aufgeteilt, sondern gehen komplett an den Sieger. Und drittens spielte Florida auch deshalb eine zentrale Rolle im Wahlkampf des Ex-Bürgermeisters, weil hier viele ehemals in New York wohnhafte Rentner ihren Lebensabend verbringen.

Giulianis Wahlkampfteam setzte fast ausschließlich auf die Nachwirkungen des 11. September, unterschätzte dabei aber offenbar, wie sehr sich mittlerweile Informationen über die Gesundheitsversorgungsverweigerung von an den Rettungsmaßnahmen beteiligten Feuerwehrleuten und die Verantwortung des damaligen New Yorker Bürgermeisters für Mängel in der Ausrüstung und der Organisation verbreitet hatten. So sah sich Giuliani bei seinen Auftritten zunehmend mit Protesten konfrontiert, die auf diese Missstände hinwiesen. Beth Reinhard schrieb schließlich im "Miami Herald" über seinen Wahlkampf in Florida: "Je mehr Zeit er hier verbringt, desto weniger mögen ihn die Leute."

Vielleicht war es auch keine wirklich gute Idee von Giuliani, ausgerechnet den Schauspieler John Voight auf seine Bus-Werbetouren in Florida mitzunehmen. In Voights mit Abstand berühmtesten Film, Midnight Cowboy, fährt er mit seinem todkranken Partner von New York nach Florida, dem Ort, auf den die beiden all ihre Hoffnungen projiziert haben. Der Film endet tragisch: Erst nässt Voights Partner (gespielt von Dustin Hoffman) sich ein, dann stirbt er im Bus.

Auch Mike Huckabee musste nach seiner Niederlage in Südcarolina in den amerikanischen Medien einen deutlichen Rückgang der Berichterstattung über sich hinnehmen. Statt auf Florida (wo er keine Fernsehwerbung schaltete) konzentrierte er seinen Wahlkampf aber auf Super-Tuesday-Bundesstaaten wie Georgia, Alabama, West Virginia, Tennessee, Missouri, Arkansas and Oklahoma, in denen evangelikale Christen eine bedeutendere Rolle spielen. Insofern lassen sich die 13 %, die er erreichte, durchaus als Erfolg werten.

"Real, conservative change"

Die Ereignisse der letzten Wochen und Monate erweckten bei vielen Amerikanern den Eindruck, dass die Bush-Administration die USA auch wirtschaftlich in einem Zustand zu hinterlassen droht, in dem Mietnomaden Wohnungen abgeben. Das machte sich zunehmend in Form einer Wechselwelle bemerkbar – nicht nur bei den demokratischen, sondern auch bei den republikanischen Kandidaten. Die Anti-Establishment-Stimmung scheint ähnlich stark wie 1994, als die Republikaner unter Führung von Newt Gingrich mit einer darauf aufbauenden Kampagne bei den Kongresswahlen einen Erdrutschsieg erringen konnten. 2008 setzten die Demokraten mit dem Begriff "change" die Anti-Establishment-Marke – was ihre republikanischen Konkurrenten jedoch nicht davon abhielt, das Schlagwort für eigene Zwecke einzusetzen: "Washington is broken, but we can fix it with real, conservative change" warb beispielsweise Mitt Romney.

Doch obwohl der Mormone die deutlichere Anti-Washington-Rhetorik anschlug als McCain, glaubten die Wähler offenbar eher dem Vietnamveteranen, den nun auch bei den Republikanern propagierten "Wechsel" zu verkörpern. McCain hatte die Vorwahlen vor acht Jahren unter anderem aufgrund einer Schmierenkampagne des Bush-Teams verloren. Die Wahlkämpfer des späteren Präsidenten hatten sich die Adoption eines Kindes aus Bangladesch zunutze gemacht und vor den Wahlen in Südcarolina verbreitet, McCain hätte ein Kind mit einer schwarzen Prostituierten gezeugt. Paradoxerweise nutzt gerade diese Geschichte dem damals Geschädigten nun, indem sie ihn in den Augen vieler enttäuschter Wähler als glaubwürdigste republikanische Antipode zum derzeitigen Präsidenten erscheinen lässt.

Allerdings bestimmte der Wunsch nach Wechsel zwar möglicherweise die Wahl, aber nicht den Wahlkampf zwischen den beiden aussichtsreichen Kandidaten. Der war dadurch geprägt, dass sich Mitt Romney und John McCain gegenseitig beschuldigten "liberal" zu sein. Ein Begriff, der - wie bereits an anderer Stelle erwähnt - im Rhetorikuniversum republikanischer Redner in etwa die Stelle einnimmt, die "schwul" in der Welt des Deutschrap belegt.

Romney warf McCain in diesem Zusammenhang eine zu nachgiebige Haltung gegenüber illegalen Einwanderern und seinen Einsatz für einen Reform der Wahlkampffinanzierung vor. McCain beschuldigte Romney im Gegenzug, sich in einem Interview für nicht öffentliche Zeitpläne zum Abzug aus dem Irak ausgesprochen zu haben. Romney, so McCain, habe als Gouverneur von Massachusetts nicht nur die Steuern erhöht, sondern auch noch eine Krankenversicherung eingeführt, die jetzt mit einer Viertelmilliarde Dollar in den Miesen stecke. All das habe dazu beigetragen, dass der Neuengland-Staat beim Wirtschaftswachstum nur an 47. Stelle der US-Bundesstaaten liege.

Neben vor allem am vergangenen Wochenende geschalteter Radiowerbung hatte McCain auch das Web für seine Negativkampagne gegen Romney eingesetzt: Eine Anzeige zeigte das Gesicht Romneys, das in ein Bild des surfenden demokratischen Präsidentschaftsbewerbers John Kerry montiert war, der 2004 unter anderem am Vorwurf des "flip-flopping" gescheitert war, des ständigen Wechsels politischer Positionen. Bei einer Wahlkampfveranstaltung in Jacksonville meinte der Vietnamveteran, Romney sei durchaus "beständig" – allerdings nur insofern, als er zu jeder Frage "beständig mindestens zwei Standpunkte" einnehme – "manchmal auch mehr."

Mandy Fletcher, der Wahlkampfleiter Romneys, beklagte sich auch darüber, dass Wähler automatisierte Telefonanrufe erhalten hätten, in denen wahrheitswidrig mitgeteilt worden sei, dass Romney Abtreibungen auf Kosten der Steuerzahler befürworte, gegen das Maßnahmeprogramm zur Ankurbelung der Wirtschaft sei – und (immer noch ein Thema unter Floridas bedeutender exilkubanischer Gemeinde) für direkte Gespräche mit Fidel Castro eintrete. Allerdings bestritt McCain jede Verantwortung für diese Anrufe.

Regelchaos bei den Demokraten

Bei den Demokraten gewann Hillary Clinton mit 50 % der Stimmen vor Barack Obama mit 33 und John Edwards mit 14 %. Nach den Regeln des Democratic National Committee (DNC) hätten nur Iowa, New Hampshire, Nevada und Südcarolina vor dem 5. Februar wählen dürfen. Das Repräsentantenhaus und der Senat von Florida hatten jedoch mit Zustimmung beider Parteien im Rahmen der House Bill 537 die Vorwahlen auf den 29. Januar vorverlegt – was wiederum andere Bundesstaaten dazu animierte, ihre Primaries und Caucuses ebenfalls vorzuziehen. Als Reaktion darauf entschied das DNC, dass die Delegierten aus Florida nicht an der National Convention teilnehmen oder – sollte das nicht möglich sein – nicht abstimmen dürften. Außerdem wurde ein Wahlkampfverbot für den Bundesstaat verhängt.

Hillary Clinton, die ihren Namen anders als Barack Obama und John Edwards auch im von einem ähnlichen Bann betroffenen Michigan nicht zurückgezogen hatte, sprach sich am 25 Januar dafür aus, die Delegierten aus Florida und Michigan teilnehmen und ihre Stimmen zählen zu lassen, da der "Enthusiasmus" von Anhängern der Demokratischen Partei in diesen Staaten für die Präsidentschaftswahl im November gebraucht werde. David Plouffe vom Wahlkampfteam Barack Obamas warf ihr daraufhin vor, nachträglich die Regeln zu ihren Gunsten ändern zu wollen.