Obama macht den Capra - und verliert

Bei den Abstimmungen in Nevada und Südcarolina siegen Hillary Clinton, Mitt Romney und John McCain

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Die Caucus-Wahlversammlungen der Demokraten gewann in Nevada Hillary Clinton mit etwa 50 % der Stimmen vor Barack Obama mit voraussichtlich 45 % und einem abgeschlagenen John Edwards. Bei den Republikanern siegte in dem Wüstenstaat Mitt Romney mit über der Hälfte der Stimmen. Südcarolina, wo gestern nur die Republikaner Vorwahlen abgehalten hatten, ging mit 33 % an John McCain vor Mike Huckabee mit 30 und Fred Thompson mit 16 %.

Im trockenen Nevada leben über zwei Drittel der Bevölkerung im Ballungsraum Las Vegas. Zweites Zentrum des dünn besiedelten Staates ist das traditionelle Scheidungsparadies Reno an der Grenze zu Kalifornien. Während der Wirtschaftskrise in den 1930er Jahren legalisierte Nevada das Glücksspiel, eine Entscheidung, die das Gesicht des Staates aber erst etwa ein Jahrzehnt später nachhaltig veränderte, als "Bugsy" Siegel im großen Stil Mafiagelder in Hotels und Spielcasinos investierte. Begünstigt wurde der Ruf der Region noch dadurch, dass einige Bezirke auch die Prostitution legalisierten. Als dritte Attraktion kamen in den 1950er Jahren zahlreiche Atombombentests hinzu, die ebenfalls Touristen anzogen.

Gut fünfzig Jahre später hat die Bankenkrise auch den Großraum Las Vegas erfasst. Seit letzter Woche steht das drei Milliarden Dollar schwere Bauvorhaben Cosmopolitan Resort & Casino vor der Pleite weil der Immobilienmagnat Ian Bruce Eichner in Zahlungsverzug geriet. Jetzt sucht die Deutsche Bank, die ihm einen Großteil des Geldes geliehen hatte, nach neuen Investoren. Das Großprojekt ist beileibe kein Einzelfall: Nevada hat die landesweit höchste Zwangsversteigerungsquote und in ganz Las Vegas hat sich die Bautätigkeit im Vergleich zum Vorjahr halbiert.

Doch das ist nicht das einzige, was im Wahlkampf an die 1930er Jahre des vorigen Jahrhunderts erinnerte. In dieser Zeit drehte Frank Capra Filme, in denen einfache Menschen vom Land in die verdorbene Großstadt kommen und dort alles ändern: Unter anderem Mr. Deeds Goes to Town und Mr. Smith Goes to Washington. Der Wahlkampf in Nevada deutete darauf hin, dass Barack Obama oder seine Berater diese Methode (mit der bereits Newt Gingrich 1994 enorme Erfolge feiern konnte) aus der Schublade gezogen haben.

Im Gegensatz zu seiner Kampagne in Iowa griff Obama seine Konkurrenten Hillary Clinton und John Edwards am Donnerstag direkt an: In einer Debatte am Dienstag, in der die drei demokratischen Kandidaten nach ihren "größten Schwächen" gefragt worden waren, hatte Obama seine Schlampigkeit eingestanden, während Edwards und Clinton wie aus dem Bewerbungshandbuch antworteten und auf ein angeblich enormes Einfühlungsvermögen beziehungsweise auf zu große Ungeduld, Amerika den "Wechsel" zu bringen, verwiesen. Zwei Tage später münzte Obama das Ereignis zu eigenem Vorteil um, indem er bei einem Auftritt im Rancho High School mit der eigenen Unverdorbenheit kokettierte:

Weil ich ein normaler Mensch bin, dachte ich, sie hätten gemeint ich solle sagen, was meine größte Schwäche ist. Wenn ich als letzter dran gewesen wäre, dann hätte ich gewusst wie das Spiel läuft. Und dann hätte ich sagen können: "Nun, ich helfe gerne alten Damen über die Straße. Manchmal wollen sie sich nicht helfen lassen. Es ist schrecklich.' Leute, sie sagen euch nicht was sie meinen. […] Diese Art Tricks, diese Herangehensweise an Politik ist das, was aufhören muss. Denn das hat zur Folge, dass niemand mehr etwas glaubt. […] Die Wähler glauben nicht mehr was die Politiker sagen. Sie werden zynisch. […] Wir müssen diese Politik ändern – und deshalb trete ich als Präsidentschaftskandidat an.

Clinton dagegen hatte Radiowerbung geschaltet, in der Obama finanzielle Verbindungen zu Unterstützern des Atommüllagers in Yucca Mountain vorgehalten wurde, das in Nevada liegt, woraufhin Obama seine Gegnerschaft so heftig herausstrich, dass die Äußerung nur schwer zu übersetzen ist: "What part of I'm not for Yucca do you not understand?"

Eher auf den Präsidentschaftswahlkampf als auf die Caucus-Wahlversammlungen gemünzt schien die Äußerung Obamas gegenüber dem Reno Gazette-Journal, Ronald Reagan habe Amerika eine Kursänderung verpasst, wie sie Bill Clinton oder Richard Nixon nicht geschafft hätten. In diesem Zusammenhang sprach er von "Klarheit", "Optimismus", "Bewegung" und "Unternehmergeist". Auf diese Äußerung hin zählten nicht nur Hillary Clinton, sondern auch John Edwards detailliert und öffentlich auf, welche Folgen die fiskal- und sozialpolitischen Maßnahmen Reagans in den 1980er Jahren hatten.

Südcarolina: Schwarze und Evangelikale

Ein Problem, dass die republikanischen Kandidaten, die sich allesamt darum balgten, wer denn die Politik Reagans am orthodoxesten fortführen würde, nicht hatten. Ihre Anhänger stimmten gestern nicht nur in Nevada ab, sondern auch in Südcarolina, einem Staat, dem von den amerikanischen Medien größerer Symbolwert beigemessen wird. Unter anderem deshalb hatten McCain, Huckabee und Thompson Romney den Wüstenstaat praktisch kampflos überlassen. Einzig Ron Paul versuchte sich im Wahlkampf in Nevada. Er erreichte mit etwa 14 % der Stimmen den zweiten Platz vor John McCain, für den 13 % stimmten.

Während Nevada als "Testgebiet" für das Latino-Votum galt, nahmt Südcarolina diese Rolle gleich für zwei Gruppen ein: Schwarze und evangelikale Christen. Etwa ein Drittel der Bewohner South Carolinas hat afrikanische Vorfahren. Mit der Mehrheitsbevölkerung teilen sie einen Hang zum evangelikalen Christentum: Lediglich 7 % der Einwohner Südcarolinas bezeichnen sich selbst als "nicht religiös", weit weniger als im Landesdurchschnitt. Der überwiegende Teil hängt protestantischen Sekten an. Baptisten machen fast die Hälfte der Bevölkerung aus. Nach dem amerikanischen Bürgerkrieg, der von Seiten des Nordens aus vom republikanischen Präsidenten Lincoln geführt worden war, wählte die Bevölkerung Südcarolinas fast ein Jahrhundert lang demokratisch. Erst 1964 gewann mit dem protolibertären Barry Goldwater ein republikanischer Kandidat eine Mehrheit. Mit Ausnahme des evangelikalen Südstaatlers Jimmy Carter wählte der Bundesstaat seitdem republikanisch.