"… the guy who laid them off"

Mitt Romney siegt bei den republikanischen Vorwahlen in Michigan

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Die gestrigen Vorwahlen im Michigan, das im von relativ hoher Arbeitslosigkeit und fordistischer Restindustrie geprägten "Rust Belt" der USA liegt, gewann bei den Demokraten wie erwartet Hillary Clinton. Ihre Konkurrenten Barack Obama und John Edwards standen dort nicht auf den Wahlzetteln. Bei den Republikanern siegte Mitt Romney mit 39 % der Stimmen vor John McCain mit 30 und Mike Huckabee mit 16 %.

Erbhof oder Erblast?

In den Umfragen für Michigan waren Romney und McCain noch wesentlich näher beieinander gelegen. Vor acht Jahren hatte McCain den Staat gewonnen. Gestern verlor er obwohl der Anreiz für unabhängige Wähler, bei denen er von allen republikanischen Kandidaten am besten ankommt, dort abzustimmen, möglicherweise größer war, als für die Demokraten, deren örtliche Parteikader sich nicht an Bundesregeln hielten, weshalb der Wahlkampf in Michigan praktisch ausfiel und Hillary Clinton als einzige namhafte Bewerberin auf dem Zettel stand.

Romney hatte den Vorteil, dass sein Vater von 1963 bis 1969 Gouverneur von Michigan war. Allerdings war er auch Chef des in Detroit beheimateten Autoherstellers AMC, der später von Chrysler geschluckt wurde. Eine Tatsache, die andere Kandidaten gegen ihn zu nutzen versuchten: Mike Huckabee etwa ließ im Lokalfernsehen einen speziell für Michigan gefertigten Werbespot laufen, in dem er äußerte: "I believe most Americans want their next president to remind them of the guy they work with — not the guy who laid them off" ("Ich glaube, die meisten Amerikaner wollen, dass ihr nächster Präsident sie an den Typen erinnert, mit dem sie zusammenarbeiten - nicht an den Typen, der sie entlassen hat").

"Out-Pooring"

Allerdings stoßen die politischen Ziele der republikanischen Kandidaten wie etwa Steuersenkungen und internationale Handelsabkommen bei den Wählern im Rust Belt auf größere Skepsis als Anderswo, weshalb sich die republikanischen Kandidaten in Michigan noch mehr als sonst auf eher parapolitische Themen konzentriert hatten.

Der Südstaatler Fred Thompson, der aufgrund seiner schlechten Wahlergebnisse mehr und mehr als chancenlos gilt, versuchte gegenüber Mike Huckabee, der ähnliche Wählerschichten anspricht wie er selbst, herauszustellen, dass er aus noch ärmeren Verhältnissen kommen würde. Huckabee hatte immer wieder betont, dass er der erste in seiner Familie mit einem High-School-Abschluss sei. Thompson setzte dem entgegen, dass sein eigener Vater die Schule nur bis zur achten Klasse besucht habe und verlautbarte über seine Mitbewerber allgemein: "I can out-poor any of them".

Barack Obama, Sohn einer studierten Ethnologin, wollte da nicht zurückstehen und erklärte vor einer Versammlung der Hotel- und Gaststättenarbeitergewerkschaft in Nevada ausführlich, wie alt sein Wagen, wie klein seine Wohnung und wie schäbig seine Kleidung einmal waren: "I had holes in the shoes, had holes in my car. You know what I'm talking about."

Reaganismus-Orthodoxiewettbewerb

Das andere große Thema bei den Republikanern war die Rechtgläubigkeit an die Lehre Ronald Reagans. Während George W. Bush geflissentlich ignoriert wird und jeder der republikanischen Bewerber peinlich darauf bedacht scheint, sich tunlichst keinen "Todeskuss" in Form einem Empfehlung des amtierenden Präsidenten einzufangen, wird Ronald Reagan, dem es 1980 gelang, die divergierenden Strömungen in der republikanischen Partei zu vereinigen, in einer Zeit, in der diese wieder auseinanderdriften, immer mehr zur Lichtgestalt, um dessen bessere Nachahmung die Kandidaten wetteifern – vor allem Huckabee und Thompson. Thompson warf Huckabee vor, in wirtschafts- und außenpolitischen Fragen ein "liberal" zu sein - im Universum religiöser Republikaner das Äquivalent zu "schwul" bei Gangsterrappern. Weiter meinte Thompson, dass die von Huckabee zu befürchtende Politik das Gegenteil der von Ronald Reagan vertretenen Kombination aus außenpolitischer Strenge und Sozialabbau wäre.

Huckabee parierte die Attacke mit dem süffisanten Hinweis, dass Thompson bei den Vorwahlen 1976 und 1980 nicht Reagan unterstützte, sondern Gerald Ford und Howard Baker. Er – so Huckabee – akzeptiere zwar Thompsons späten "Bekenntniswechsel", wolle aber klarstellen, dass er schon weitaus länger ein orthodoxer Reaganist sei.

It's the economy – again?

Bemerkenswert am dieser Art des Wahlkampfes war unter anderem, dass der den in Umfragen geäußerten Interessen der Wähler vollständig zu widersprechen schien: Die nämlich beschäftigt angeblich zunehmend das, was die Bush-Administration innenpolitisch hinterlässt: eine Immobilien- und Bankenkrise, Hyperstaatsverschuldung und Rekordpreise für Energie. Konnte der Irakkrieg diese Themen bisher in den Schatten stellen, so ergab eine in der letzten Woche durchgeführte Ipsos-Umfrage, dass sich die Wirtschaft für eine Mehrheit der Wähler in beiden Parteien zum Thema Nummer 1 zu entwickeln scheint: 20 % nannten sie als die Frage, der sie am meisten Belang zumessen – nur 1 % weniger als die 21 %, für die der Irakkrieg immer noch das wichtigste Problem ist. Im Oktober hatte der noch mit großem Vorsprung vor allen anderen Angelegenheiten geführt.

In einer nach dem Wahlgang in New Hampshire durchgeführten Befragung hatte die Wirtschaft sogar mit deutlichem Vorsprung Platz 1 belegt. Diejenigen Republikaner, die sie als wichtigstes Thema nannten, hatten mehrheitlich McCain gewählt. Bei den Demokraten war Clinton die Kandidatin ihrer Wahl. In einer nach den Caucuses in Iowa durchgeführten Umfragen lagen bei den Demokraten Irakkrieg und Wirtschaft noch Kopf an Kopf, bei den Republikanern führte die illegale Einwanderung vor der Wirtschaft. Hier bevorzugten die Wähler, die sich am meisten um ökonomische Probleme sorgten, bei den Republikanern Mike Huckabee und bei den Demokraten Barack Obama.

Bemerkenswert ist, dass Republikaner, Demokraten und Unabhängige in der Ipsos-Umfrage von letzter Woche zu ungefähr gleichen Teilen die Wirtschaft als wichtigstes Thema nannten. Die ebenfalls fast gleiche Verteilung in den Einkommensgruppen deutet darauf hin, dass die Berichterstattung in den Medien für diese Wahrnehmung eine Rolle spielen könnte. Einerseits durch Beruhigungsmeldungen aus dem Irak, andererseits aber auch durch eine stärkere Beschäftigung mit den Risiken der Subprime-Krise.

Bei der geographischen Verteilung zeigte sich wenig überraschend, dass dem Thema in den Rust-Belt-Staaten Michigan, Illinois, Indiana, Ohio und Wisconsin besondere Bedeutung beigemessen wird. Für republikanische Wähler spielte der Krieg in der Umfrage eine weitaus geringere Rolle als bei den Demokraten, ebenso die Gesundheitspolitik. Sie interessierten sich stattdessen für Fragen der Moral, der Einwanderung und der Terrorismusbekämpfung.