Rechnen 1000 Qubits schneller?
Der neue Quantencomputer von D-Wave-Systems ist größer und technisch verbessert. Wie gut er rechnet, wird gerade getestet
Die Nachfrage nach dem ersten kommerziell erhältlichen Quantencomputer hält sich in engen Grenzen, nur zwei Exemplare davon hat der kanadische Hersteller D-Wave Systems bislang verkauft. Was weniger mit dem stolzen Preis von 15 Millionen US-Dollar zu tun haben dürfte als damit, dass die Maschine bei einem Vergleichstest der ETH Zürich vor rund einem Jahr nicht schneller gerechnet hat als herkömmliche Computer.
Mit dem jüngst fertiggestellten Nachfolgemodell verspricht der kanadische Hersteller nun deutlich mehr Performance. Ob die neue Maschine aber wirklich schneller rechne, müsse sich erst noch zeigen, zweifelt Matthias Troyer von der ETH Zürich, der die Tests am Vorgängermodell durchgeführt hatte.
Künftige Quantencomputer sollen besonders schnell rechnen. Denn sie verarbeiten Information simultan, die ein normaler Computer nur in aufeinanderfolgenden Schritten abarbeiten kann. Sie sollen daher Verschlüsselungen im Handumdrehen knacken, gigantische Datenmengen durchforsten oder höchst komplexe Optimierungsaufgaben mit Leichtigkeit lösen.
Diese Wunder verdanken sie so genannten Qubits, Speicherzellen, die die beiden Werte 0 und 1 simultan annehmen können. Das ist ein Effekt, den es nur in der Quantenphysik gibt und den sich der Verstand genauso wenig vorstellen kann, wie einen Münzwurf, der gleichzeitig Kopf und Zahl liefert. Physiker spekulieren darüber, ob im Qubit zwei Welten parallel existieren. Die kleinste Speichereinheit eines normalen Computers hingegen, das Bit, kann die Werte 0 und 1 nur nacheinander annehmen.
Der Witz beim Quantencomputer besteht darin, dass jedes weitere Qubit die Anzahl der gleichzeitig speicherbaren Werte verdoppelt. Zwei Qubits nehmen vier Werte simultan an, drei Qubits acht, vier Qubits sechzehn und so weiter. Mit 300 Qubits lassen sich schon mehr Zahlen speichern als es Elementarteilchen im Universum gibt. Diese Unzahl an Werten kann der Quantencomputer nicht nur ablegen, sondern auch verarbeiten. Dadurch entsteht, bislang allerdings nur theoretisch, der so genannte Quanten-Speedup, also die Beschleunigung des Rechnens.
Relevant soll diese Fähigkeit für besonders komplexe Aufgaben sein. So etwa das so genannte Problem des Handelsreisenden. Der will mit dem Auto mehrere Städte besuchen. Welche Reiseroute ist die schnellste? Bei drei oder vier Städten lässt sich dieses Problem leicht mit Papier und Bleistift lösen. Die optimale Tour durch 15 Städte hingegen ist eine von 87 Milliarden Möglichkeiten. Um diese zu finden, braucht man dann schon einen Computer. Werden es nur ein paar Städte mehr, geht die Zahl weit über die Billion hinaus. Ein normaler Computer kommt damit nicht mehr zu Rande.
Der Computer von D-Wave-Systems ist gebaut, um solche Optimierungsprobleme zu lösen. Es ist sozusagen ein Spezial-Quantencomputer, der nicht geeignet ist, Verschlüsselungen zu knacken oder Datenbanken zu durchforsten. Die NASA hat sich zusammen mit Google einen gekauft. Die optimale Planung von komplexen Missionen kann ähnlich ausufern wie das Problem des Handelsreisenden.
Das letzte Modell von D-Wave-Systems besaß 512 Qubits und kann damit rein rechnerisch schon eine Unzahl von Möglichkeiten testen. Die Qubits bestehen aus supraleitenden Schaltkreisen, in denen Strom simultan in zwei Richtungen fließen kann, wobei die eine Richtung 0 und die andere 1 repräsentiert.
Betriebstemperatur von 20 Tausendstel Grad über dem absoluten Temperaturnullpunkt
Die neue Maschine besitzt mehr als 1000 Qubits und soll daher noch sehr viel mehr Lösungsmöglichkeiten gleichzeitig speichern können. Doch wie wirkt sich das auf die Leistung des Systems aus? "Erste Tests deuten darauf hin, dass das neue System die Performance des letzten Modells in mehrerlei Hinsicht übertrifft", antwortet D-Wave-Vize Jeremy Hilton. Es könne komplexere Probleme verarbeiten und die Genauigkeit des Problemlösens erhöhen. D-Wave habe nämlich nicht nur die Anzahl der Qubits erhöht, sondern einige technische Verbesserungen eingeführt.
So betreibe man die Maschine nun bei einer Temperatur, die deutlich unter der bisherigen Betriebstemperatur von 20 Tausendstel Grad über dem absoluten Temperaturnullpunkt (- 273 °C) liege. Dadurch werde der störende Einfluss des Rauschens verringert, so Hilton. Die Ingenieure haben zudem die Qubits präziser gefertigt. Ungenauigkeiten in der Fertigung führen dazu, dass einzelne Qubits für die Lösung einer Aufgabe ausfallen.
Eine mangelhafte technische Umsetzung betrachten viele Experten als Ursache für den bislang fehlenden Erfolg des D-Wave-Rechners. Er nutze womöglich die Parallelexistenz der Lösungsmöglichkeiten nicht oder nur zum Teil.
Überhaupt erscheinen die Maschinen des kanadischen Herstellers eher wie teure Experimente denn als nützliches Produkt. Rund 100 Millionen Euro hat D-Wave-Systems bislang in die Entwicklung gesteckt. Mit hohem Risiko: Denn für diese Art von Quantencomputer gibt es keine theoretischen Vorhersagen, dass sie Optimierungsprobleme tatsächlich schneller lösen können als herkömmliche Computer.
Dass das bislang nicht gelang, schiebt Trevor Lanting von D-Wave-Systems auf die mangelnde Komplexität der bislang getesteten Probleme. Normale Computer würde der D-Wave-Rechner demnach erst abhängen, wenn man ihm wirklich harte Nüsse vorsetzt. Es könnte so sein, als ob man einen Ferrari und einen Opel auf einem holprigen Feldweg vergleicht, auf dem der Ferrari bei weitem nicht voll aufdrehen kann.
Dass die neue Maschine den erhofften Quanten-Speedup liefert, bezweifelt Matthias Troyer: "Aufgrund unserer Tests mit der 512-Qubit-Maschine würde ich für die damals getestete Problemklasse auch auf dem neuen Rechner keinen Quanten-Speedup erwarten", sagt der Physiker. Er schließt jedoch nicht aus, dass der Quanten-Speedup bei anderen Problemklassen auftrete.
Derzeit testet D-Wave-Systems mit seinen Kunden den neuen Computer. Die Ergebnisse würden in Fachjournalen publiziert, kündigt Hilton an. Man darf gespannt sein.
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