Rechter Wahlkampf ohne Copyright-Sorgen: Die AfD ist nicht allein
Wahlkampf auf dem Rücken von Migranten und Armutsbetroffenen: Plakate ähneln sich frappierend. Wer neben der AfD am rechten Rand fischt.
Das Wahlplakat eines wenig bekannten AfD-Kandidaten aus Brandenburg sorgt für Empörung und beschäftigt sogar die Justiz. Unter dem Motto "Wir schützen eure Kinder" sind dort ein Mann und eine Frau zu sehen, die mit Händen und Armen ein Spitzdach über drei Kinder nachbilden.
Nun ist die Aufregung groß, weil die beiden Erwachsenen womöglich den Hitlergruß zeigen könnten, wenn sie die Arme anwinkeln. Was dabei nicht zur Sprache kommt: auf dem Plakat wird eine weiße deutsche Kleinfamilie dargestellt, die dem AfD-Wahlspruch "Deutschland aber normal" wohl möglichst nahekommen soll. Es ist allerdings nicht nur die AfD, die mit solchen Vorstellungen Wählerstimmen gewinnen will. Deshalb wird auch nicht das Familienbild hinterfragt.
In dieser Auseinandersetzung wird das Niveau der politischen Diskussion im Vorfeld mehrerer Landtagswahlen in Deutschland deutlich. Es geht um Symbolpolitik statt um Inhalte. Gestreckte Arme wird man auch in den sächsischen Städten in diesen Tagen nicht sehen. Trotzdem überwiegt auf den Straßen rechte Propaganda in Reinform und das nicht nur von der AfD.
Rechte Wahlplakate nicht nur von der AfD
Hier nur ein Beispiel. Wer in diesen Tagen durch Chemnitz geht, ist mit zahlreichen Wahlplakaten von Parteien konfrontiert, die mehr Recht und Ordnung fordern und die Migration einschränken oder gleich ganz stoppen wollen. Neben den offenen Rechtsparteien AfD und Freie Sachsen verbreiten auch die Freien Wähler und die CDU in moderaterer Fassung ähnliche Forderungen.
Die offen rechtsextremen Freien Sachsen polemisieren mit Anti-GEZ-Parolen gegen die Rundfunkgebühren; die AfD fordert deren Abschaffung. Die sächsische CDU, deren Plakate auch optisch denen der Freien Sachsen ähneln, will den Wählern vermitteln, dass Law and Order und die Begrenzung der Migration bei ihr schon gut aufgehoben sind. Man muss in Chemnitz schon länger suchen, um Wahlplakate zu finden, die nicht den rechten Spin von Migrationsbegrenzung und Law and Order bedienen.
"Mahlzeit – Kinder" heißt es auf weißen Plakaten der Linkspartei, die auch andere Motive mit sozialen Themen drucken ließ. Doch sie gehen in Chemnitz unter. Die Dominanz der rechten Themen von Parteien wie AfD, Freie Sachsen, CDU, Freie Wähler, Bündnis Deutschland ist in der Chemnitzer Innenstadt unverkennbar.
Das ist auch in Sachsen zum Glück noch nicht flächendeckend der Fall. In der Leipziger Innenstadt fallen die Kandidatinnen und Kandidaten der Linken auf, die klar mit sozialen Themen um die Stimmen werben. Es wird sich zeigen, ob es ihnen gelingt, sich gegen die rechte Hegemonie durchzusetzen.
Der Krieg gegen die Armen
Dass rechte Politik eben nicht nur bei der AfD zu Hause ist, machte erst vor wenigen Tagen der gutvernetzte CDU-Politiker Carsten Linnemann deutlich. Er forderte, mehr als 100.000 Bürgergeld-Beziehern die Lohnersatzleistung vollständig zu streichen. Seine Begründung:
Wenn jemand grundsätzlich nicht bereit ist, Arbeit anzunehmen, muss der Staat davon ausgehen, dass derjenige nicht bedürftig ist. Leistungskürzungen um zehn, 20 oder 30 Prozent reichen da nicht. Dann muss die Grundsicherung komplett gestrichen werden.
Carsten Linnemann, CDU
Hier wird der menschenfeindliche Spruch "Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen" auf die Spitze getrieben. Wer nicht bereit ist, Arbeit um jeden Preis anzunehmen, kann verhungern, so die Botschaft des Kapitallobbyisten mit CDU-Parteibuch. Dabei gibt es sogar noch manche in seiner Partei, die daran erinnern, dass viele der Menschen, die von der Streichung aller Bezüge betroffen wären, kranke und ältere Menschen sind.
Politik, die über Leichen geht
Hier handelt es sich um den Krieg gegen die Armen, den der Kommentator des Neuen Deutschland, Oliver Daniel, mit Recht auch im Lager der Regierungsparteien erkennt, klar formuliert:
Wahrscheinlich werden die neuesten Sozialkürzungen der Ampel-Regierung (Stichwort: Bürgergeld) Tote zur Folge haben. Entweder direkt, wie im Falle eines Suizids, oder eine Spur indirekter, wenn der Armenhass der Politiker:innen, den sie jeden Tag in die Bevölkerung speien, bei dem ein oder anderen Anhänger des Sozialdarwinismus verfängt und er dann zur Gewalt gegen Armutsbetroffene greift.
Oliver Daniel, Neues Deutschland
Hier wird deutlich, dass der nicht der von den Regierungsparteien vorangetriebene Krieg gegen die Armen im Mittelpunkt der Öffentlichen Kritik steht sondern die Angriffe von Linnemann und Co., der diesen Krieg noch verschärfen will. Da hat es die AfD dann schwer, diese rechte Politik dann zu übertrumpfen.
Scholz' rechtes Sommerinterview
Das gilt auch für die Migrationspolitik. Kanzler Scholz hat in seinem diesjährigen Sommer-Interview alles gesagt, was auch AfD-Wähler gerne hören wollen. Es dürfe keine Zweifel geben, dass die "irreguläre Migration" gestoppt wird, auch mit Abschiebungen nach Afghanistan und nach Syrien. Eine Abschiebung in diese Länder ist schon lange eine zentrale Forderung der AfD.
Dem wurde immer gekontert, dass diese Forderung schon rechtlich nicht umgesetzt werden könne, weil es keine staatlichen Kontakte zwischen Deutschland und Syrien gibt.
Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan
Von solchen rechtlichen Problemen hört man bei Scholz kein Wort. Auch gibt es bei ihm keine Differenzierungen, die auch manchmal bei antirassistischen Stimmen fehlt. Es ist klar, dass Abschiebungen verfolgter Menschen verhindert werden müssen. Dass sind syrische Oppositionelle, Kritikerinnen und Kritiker des Islamismus, selbstbewusste Frauen und sexuelle Minderheiten.
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Doch wie ist es mit afghanischen Migranten, die durch islamistische Aktionen in Deutschland bekannt geworden sind? Kann man da wirklich damit argumentieren, dass ihnen in Afghanistan Verfolgung droht? Besteht nicht eher die Gefahr, dass sie von den Taliban noch belobigt werden?
Eine antirassistische Bewegung, die keine Realpolitik macht, sondern sich für die Rechte von Migranten einsetzt, kann zu diesen Punkt schweigen. Ein Bundeskanzler, der hier nicht differenziert, und sich im Sommerinterview als Abschiebekanzler inszeniert, betreibt rechte Politik, wie es der taz-Parlamentskorrespondent Cem-Odos Güler gut zusammenfasste:
Mit seinen Argumenten ließ der Kanzler mal wieder tief blicken. Beim Thema Migration gab er neben der Abschiebeoffensive die Interpretation zum Besten, Immigration müsse sich für Deutschland lohnen, denn es könne nicht sein, dass sich "hier jemand einen bequemen Lenz macht.
Cem-Odos Güler, taz
Hier wird deutlich, dass auch die Parteien, die gerne den Kampf gegen Rechts beschwören, wenn es gegen die AfD geht, selbst rechte Politik machen, wenn sie die Möglichkeit dazu haben. Stimmen, die sich für soziale Sicherheit für Alle, für bezahlbare Mieten und kostenlose Mahlzeiten für Kinder einsetzen, haben es da schwer. Doch sie sind die Einzigen, die den Kampf gegen Rechts wirklich ernst nehmen.