Rechtspopulisten nach Trump: "Hol dir dein Land zurück"
Wird Trump auf die rechten europäischen Anti-EU-Parteien und damit auf einen Zerfall der EU setzen?
Anthony Gardner ist seit Februar 2014 der US-Botschafter der EU. Der stramme Transatlantiker, der mit zahlreichen Finanz-, Investment- und Rechtsfirmen verwoben ist und sich für TTIP und CETA einsetzte, muss sein Amt wie andere, von der Obama-Regierung ernannte Botschafter am 20. Januar, also mit Amtsantritt von Donald Trump, verlassen.
Gardner äußerte in einem Gespräch mit Journalisten, worüber die Washington Post berichtet, dass das Übergangsteam von Trump von der Erwartung einer zerfallenden Europäischen Union ausgehen würde. Zudem könnte die Trump-Regierung der bereits jetzt kämpfenden Union noch weitere Lasten zumuten. Mitarbeiter des Übergangsteams hätten bei europäischen Regierungen angerufen und gefragt, welches Land als nächstes nach Großbritannien abspringen wird.
Seiner Ansicht nach bleibe die EU stärker, als das normalerweise in den USA wahrgenommen werde, aber eine europaskeptische Trump-Regierung würde europäischen und amerikanischen Interessen schaden, wenn sie weiterhin mit Anti-EU-Politikern wie Nigel Farage, der tatkräftig beim Brexit mithalf, zusammenarbeite. Gerade erst war Marine Le Pen, die ihre Freude über den Wahlsieg Trumps geäußert hatte, möglicherweise im Trump Tower, um Beziehungen zur neuen Regierung zu knüpfen.
Auch Geert Wilders (PVV) hat seine Genugtuung über den Wahlsieg Trumps kundgetan und ihn als "Revolution" gefeiert, die nun auch in Europa Einzug halten müsse. Er sieht Trump an der Spitze einer weltweiten Bewegung, die die "politisch korrekten Lehren der Eliten beendet". Seiner Partei werden bei den ersten Wahlen in diesem Jahr große Chancen eingeräumt, zur stärksten Partei zu werden.
Frauke Petry erging sich ebenfalls mit großen Worten: "Die Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der USA ist vor allem ein Triumph des amerikanischen Volkes über das Establishment. Daß eine politische Karriere wie die von Trump überhaupt möglich ist, bezeugt zugleich die beneidenswerte Vitalität der amerikanischen Demokratie."
Die Rechtspopulisten der ENF-Fraktion im EU-Parlament sehen sich im Aufwind und wollen am 21. Januar, einen Tag nach Amtsantritt von Trump, europäisch einen Wahlkampfauftakt ausgerechnet mit der Parole "Freiheit für Europa" in Koblenz setzen. Es ist eine ENF-Veranstaltung wird von anderen AfD-Politikern betont, die auf Distanz gehen. An dem Treffen sollen neben Frauke Petry und Marcus Pretzell, Geert Wilders und Marine Le Pen auch Harald Vilimsky (FPÖ) und Matteo Salvini (Lega Nord) teilnehmen. Salvini sah sich schon in einer Reihe mit den anderen Parteichefs und Trump sowie Putin, also in einer ungewöhnlichen amerikanisch-russisch-europäischen Einheitsfront. Schließlich wollen sich Putin und Trump annähern, beide haben Neigungen zu den rechten europäischen Parteien.
Ausgeschlossen sind von dem Treffen einige Medien, vor allem die Öffentlich-Rechtlichen, die die AfD als "Lügensender" nicht schätzt und über die Abschaffung der GEZ abschaffen will. Aber es trifft auch einzelne Journalisten von Spiegel und FAZ. Man will gerne unter sich sein und verweist auf den Livestream, tatsächlich muss man ja nicht teilnehmen. Marcus Pretzell schrieb: "Katzenjammer im Journalistenzirkus. GEZ-Medien, Frau Amann, Herr Bender und das Handelsblatt dürfen nicht zur ENF-Konfernez nach Koblenz." Und er fügte hinzu: "In Koblenz sitzen die GEZ-Medien übrigens gemeinsam mit Compact vor der Tür. Es wächst zusammen, was zusammen gehört."
ARD und ZDF protestierten. Jürgen Elsässer von Compact meint, das sei eine Retourkutsche für kritische Berichte über die NRW-AfD:
Ihre Ausladung an COMPACT zeigt, dass Sie ein schräges Verhältnis zu Medien im allgemeinen - und nicht nur zur Lügenpresse im besonderen - haben. Sie beurteilen die Medien nicht danach, ob sie dem Volk durch eine offene Berichterstattung ohne politisch-korrekte Scheuklappen dienen, und auch nicht danach, ob sie sich fair gegenüber der AfD verhalten. Nach diesen Kriterien hätten Sie nämlich COMPACT unbedingt für die Koblenzer Veranstaltung akkreditieren müssen! Für Sie gibt es offensichtlich nur ein Kriterium: Wer gegen Pretzell ist, wird gemobbt.
Jürgen Elsässer
Aus "Make America Great Again" machen die Rechtspopulisten und -nationalisten "We Will Make Our Countries Great Again", was allerdings bei den europäischen Ländern, vor allem bei den kleinen, schon etwas seltsam klingt, wenn man nicht wieder zurück in das Kolonialzeitalter will. Im Brexit-Stil kommt dazu die Forderung, dass sie das jeweilige Land wieder zurück haben wollen. Das reicht von der AfD "Wir wollen unser Land zurück" bis zur PVV-Losung "Die Niederlande wieder für uns". Fragt sich nur, wer das "Wir" ist. Die Zuwanderer jedenfalls nicht, vor allem keine Muslime.
So will Wilders nach seinem einseitigen Wahlprogramm, das Land deislamisieren, Grenzen sollen vor Asylbewerbern und Migranten aus islamischen Ländern "dicht" gemacht werden, Islamische Kopftücher dürfen in öffentlichen Funktionen nicht getragen werden, radikale Muslime sollen präventiv eingesperrt werde, Moscheen geschlossen und der Koran verboten werden. Austritt aus der EU ist ebenso Ziel wie direkte Demokratie, Kein Geld soll es mehr geben für Entwicklungshilfe, Windmühlen, Kunst, Innovation, Rundfunk etc., mehr Geld für Militär und Polizei, Mieten sollen irgendwie gesenkt werden, ebenso die Einkommenssteuer, die Kfz-Steuer soll halbiert werden, während Ausgaben für die Rente steigen sollen. Nett ist auch die Rechnung, die Wilders aufmacht. Die Deislamisierung soll 7,2 Milliarden fließen lassen und zusammen mit den Einsparungen bei der Entwicklungshilfe etc. die anderen Ausgaben finanzieren.
Trump hatte sich im Wahlkampf schon mal "Mr. Brexit" genannt und schlug der britischen Regierung etwa vor, Farage zum britischen Botschafter in Washington zu machen. Gardner meint angesichts der anstehenden Wahlen in den Niederlanden, in Frankreich und Deutschland, dass die Rechtspopulisten stärker werden und dass unter Trump die transatlantische Bindung der USA schwächer werden könnte: "Wenn wir plötzlich aufhören, das System, das wir nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut haben, nicht mehr zu unterstützen, können eine Menge schlechter Dinge geschehen." Die Abwesenheit von Grenzen und die einzige Währung in Europa hätten auch US-Unternehmen gestärkt. Das würden die verbleibenden Diplomaten zwar ihren neuen Chefs vermitteln, aber er fürchtet, dass "der Idealismus und die Werte", die Europa und die USA in den letzten 70 Jahren verbunden hätten, unter Trump gefährdet seien.
Er stimmt in die Haltung vieler ein, die nun die EU und hier oft auch Deutschland in der Rolle sehen, die frühere transatlantische Politik weiterzuführen, was in der EU und in der deutschen Regierung in das Ziel umgemünzt wird, mehr außenpolitische und vor allem auch militärische "Verantwortung" zu zeigen, die Streitkräfte zu stärken, für Interventionen auszurichten und sie sowie die Rüstungsindustrie europaweit zu verzahnen, um irgendwann eine europäische Armee zu realisieren.
Gardner formuliert dies emphatischer und dramatischer, und er tut im postfaktischen Stil so, als wäre die transatlantische Politik immer alleine von hehren Werten, die jetzt zerbrechen könnten, anstatt von handfesten Interessen gelenkt worden: "Niemals zuvor wird die Last der Geschichte so schwer auf den Schultern Europas liegen, die Flamme der Demokratie, der Menschenrechte und der Werte, die die transatlantische Partnerschaft so lange geleitet haben, zu tragen." Jetzt könne man nichts mehr als gesichert begreifen: "Die Gewalt unseres politischen Diskurses, die Vulgarität unseres politischen Diskurses, dass jetzt Dinge, die wir vor ein paar Jahren noch als inakzeptabel sahen, jetzt akzeptabel sind, ist für mich sehr schockierend."