"Rechtsstaat" in Aktion
Seite 3: Rechte Sympathien bei Polizei?
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Ein solch restriktives Verhalten der Polizeiführung wie in Fretterode muss nicht unbedingt nur durch eine etwas eigenwillige Interpretation der Rechtslage motiviert sein. Erfahrungen eines ehemaligen Polizeischülers in Sachsen erlauben durchaus auch andere Schlussfolgerungen.
Der gebürtige Kölner Simon Neumeyer zog 2016 im Alter von 21 Jahren tatsächlich gen Sachsen, um Polizist zu werden. Der unwidersprochene, hegemoniale Rassismus seiner Mitschüler und Vorgesetzten machte es ihm aber unmöglich, die Ausbildung abzuschließen.
Ein Schießausbilder hätte die angehenden Polizisten davon in Kenntnis gesetzt, dass sie das Schießen üben müssten, da inzwischen sehr viele "Gäste" in Deutschland weilten. Bei einer Ethikstunde habe der stellvertretende Leiter der Polizeischule seinen Schülern erklärt, wie unwohl er sich angesichts der vielen Ausländer in seinem Land fühle, da sie laut feierten am Silvester. Polizeischüler hätten ihre Sympathien für die NPD oder die "Braunen" offen bekundet und in sozialen Netzwerken offen gegen Ausländer und Flüchtlinge gehetzt. Lieder der Nazi-Band Stahlgewitter seien auf den Zimmern unwidersprochen gebrüllt worden, während die Polizeischüler von ihren Besuchen bei NPD-Veranstaltungen erzählten.
Entscheidend sei aber gewesen, dass er - obwohl nicht alle Polizeischüler rechts waren - der einzige gewesen sei, der sich offen gegen diese rechtsextremen Umtriebe stellte. Andere Polizeischüler hätten sich aus "Karrieregründen" nicht getraut, ihr Missfallen öffentlich zu äußern. Deswegen sei er immer stärker "ausgegrenzt" und als "links" oder "nicht normal" bezeichnet worden, erklärte Neumeyer in einem Interview. Als er etwa seinem Deutschlehrer widersprochen habe, nachdem dieser "das N-Wort" benutzt habe, sei er von seinen Mitschülern mit entsprechenden Sprüchen traktiert worden, laut denen er sich "nicht so anstellen solle und dass man ja gar nix mehr sagen dürfe".
Dass solch eine Ausbildung unter einer rechten Hegemonie nicht ohne Folgen bleiben wird, scheinen auch immer wieder die Skandale um rechtsextreme Umtriebe bei der Polizei zu verdeutlichen. Zuletzt waren es Frankfurter Polizisten, die Hakenkreuze und Hitler-Bilder in einem Gruppenchat ausgetauscht haben sollen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Volksverhetzung und dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Bei Textnachrichten hätten die Polizisten gegen Flüchtlinge und Behinderte Stimmung gemacht.
Es bleibt nur zu hoffen, dass diese Ermittlungen erfolgreicher verlaufen werden als die Bemühungen der Justiz, den Fall Oury Jalloh aufzuklären, eines unter ungeklärten Umständen 2005 zu Tode gekommenen Migranten aus Sierra Leone. Der auf einer feuerfesten Matratze in einer Dessauer Arrestzelle fixierte Jalloh soll sich laut Polizeiaussagen irgendwie selbst angezündet haben.
Ein toxilogisches Gutachten schloss aber im März 2018 Selbstmord als Todesursache aus. Dem Dessauer Oberstaatsanwalt Folker Bittmann, der tatsächlich wegen einer Vertuschungstat ermitteln wollte, wurde das Verfahren entzogen - er befindet sich bereits im Ruhestand. Zudem wurde später bekannt, dass Akten zu weiteren, ungeklärten Todesfällen bei der Dessauer Polizei vernichtet worden seien ("Und wenn es doch Mord war?").
Dennoch bleibt der Justizskandal, der von Kritikern als Polizeimord bezeichnet wird, unaufgeklärt. Generalstaatsanwalt Jürgen Konrad erklärte, es gebe keine Beweise für eine Fremdtötung oder gar ein Mordkomplott. Es mangele "sowohl an einem Motiv als auch an der zeitlichen Gelegenheit dafür". Ebenso seien Beschuldigungen "aus der Luft gegriffen", bei der Polizei herrsche ein "institutioneller Rassismus".
Todeslisten der "Schwarzen Reichswehr"
Mühsam - und mit ungewissem Ausgang - gestaltet sich auch die Aufklärung des rechtsextremen Netzwerks in der Bundeswehr, der Elitetruppe KSK und den Sicherheitsdiensten der Bundesrepublik, das laut Medienberichten konkrete Umsturzpläne für den Krisenfall ausarbeitete und sich auf den Massenmord politischer Gegner vorbereitete. Die Spuren dieses faschistischen Netzwerkes könnten bis in den Bundestag reichen.
Bei einer nichtöffentlichen Sitzung des Verteidigungsausschusses erklärten Ende November Vertreter der Bundesregierung, es gebe keine Erkenntnisse über rechtsextreme Netzwerke in der Bundeswehr. Ähnlich argumentierte der Chef des Militärischen Abschirmdienst MAD, Christof Gramm, dessen Behörde dafür zuständig ist, extremistische Tendenzen in der "Truppe" zu bekämpfen.
Mitte Dezember räumten Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft auf einer Sitzung des Innenausschusses des Bundestages nun doch die Existenz der Todeslisten der "Schwarzen Reichswehr" (Focus) ein. Bei ihren Recherchen gegen ein Prepper-Netzwerk von "Bundeswehr-Angehörigen, Reservisten und Sicherheitsbeamten" seien die Ermittler laut Agenturberichten tatsächlich auf eine Liste mit Zielpersonen gestoßen, auf der sich auch die Namen von Politikern befanden. Teilnehmer der nichtöffentlichen Sitzung erklärten, dass die Mitglieder dieses Netzwerkes die auf der Liste aufgeführten Personen im Krisenfall "zur Rechenschaft ziehen" wollten.
MAD-Präsident Christof Gramm bestätigte zudem, dass sein Geheimdienst sehr wohl einen Soldaten des KSK als "Auskunftsperson" eingesetzt habe, er sei aber bewusst nicht als V-Mann geführt worden. Derzeit läuft eine Anklage gegen einen MAD-Offizier wegen Geheimnisverrats - er soll das rechtsextreme Netzwerk vor Razzien der Sicherheitsbehörden gewarnt haben.
Überdies scheint der MAD durch neueste Enthüllungen des Focus verstärkt unter Druck zu geraten. So soll der Militärische Abschirmdienst schon 2016 Hinweise auf eine "Schattenarmee" in der Bundeswehr erhalten haben, die "Todeslisten für ihre politischen Gegner" und Mitarbeiter von Flüchtlingshilfevereinen angelegt habe. In einem Schreiben sei unter anderem von "Verdachtsmomenten" auf Waffenschmuggel innerhalb des KSK-nahen Vereins Uniter die Rede.Ein Sprecher des MAD erklärte gegenüber dem Focus, dass dieses Schreiben dem Geheimdienst derzeit nicht vorliege, es aber zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegt haben könnte.