Reform der Krankenkassen: Wird die Zahnbehandlung künftig noch übernommen?
Sparen bei den gesetzlichen Krankenkassen. Ein Kassenchef macht konkrete Vorschläge, wo der Rotstift angesetzt werden soll. Warum jetzt die Zähne besser gepflegt werden sollten.
Ein zahnloses Lächeln ist bezaubernd – bei kleinen Kindern. Doch die Zukunft scheint nicht mehr fern, in der immer mehr Erwachsene ihre Zahnlücken zur Schau stellen müssen. Denn ginge es nach den Vorstellungen des Chefs der IKK-Innovationskasse, dann müssten Patienten künftig selbst für ihre Zahnbehandlung aufkommen.
Die gesetzlichen Krankenkassen erwirtschaften ein milliardenschweres Defizit. Entsprechend beginnt die Debatte, an welchen Stellen gespart werden könnte. Das Handelsblatt hatte mit IKK-Chef Ralf Hermes gesprochen und am Donnerstag über dessen Vorstellungen berichtet.
Hermes prescht mit seinen Vorschlägen vor, Gesundheitspolitiker umschiffen das Thema Leistungskürzungen lieber. Es sollte kein Tabu sein, merkte der IKK-Chef an. Stattdessen sei es "alternativlos".
In drei Bereichen möchte Hermes den Rotstift ansetzen: zahnärztliche Behandlungen, Zahnersatz und Homöopathie. "Der Lage angemessen wäre es, die komplette zahnärztliche Versorgung aus dem Leistungskatalog zu streichen", sagte er laut Handelsblatt.
An den Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenkassen haben diese Bereiche allerdings nur einen kleinen Anteil.
Im vergangenen Jahr betrugen die gesamten Kosten knapp 263 Milliarden Euro. Mit 85 Milliarden Euro machten Behandlungen in Krankenhäusern den größten Teil aus. Mehr als 40 Milliarden Euro entfielen auf ärztliche Behandlungen und Arzneimittel.
Auf Zahnfüllungen, Wurzelbehandlungen und zahnärztliche Vorsorgeuntersuchungen entfielen dagegen nur dreizehn Milliarden Euro. Für Zahnersatz gaben die gesetzlichen Krankenkassen knapp vier Milliarden Euro aus. Bei den homöopathischen Leistungen lagen die Ausgaben im einstelligen Millionenbereich.
Den Menschen in Deutschland empfiehlt Hermes, sich immer gründlich die Zähne zu putzen. Der Aufwand für zahnärztliche Behandlungen sei "stark durch Prävention beeinflussbar", erklärte er gegenüber dem Handelsblatt. "Wer sich im Wesentlichen zweimal am Tag ordentlich die Zähne putzt, bekommt fast keine Probleme."
Ähnlich sieht er es beim Thema Zahnersatz. Insgesamt bliebe den Menschen "die Möglichkeit, sich privat abzusichern". Und dass die gesetzlichen Krankenversicherungen weiterhin homöopathische Leistungen übernehmen würden, sei für ihn unverständlich.
Statt die Kosten für diese Behandlungen zu übernehmen, "sollten die Kassen das Thema Prävention stärker in den Blick nehmen", so Hermes. Eine ungesunde Lebensweise verursache viele Krankheiten im Alter, die sich vermeiden ließen.
Gegenwärtig wird Hermes mit keiner Mehrheit für seine Vorschläge rechnen können – doch die Diskussion ist eröffnet. Wo und in welchem Umfang am Ende der Rotstift angesetzt wird, ist damit noch offen.
Der Trend geht dahin, die Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland zu verstärken. Worauf sich die Menschen hierzulande wohl einstellen müssen, hat die Organisation Healthwatch laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) vor zwei Jahren für Großbritannien öffentlich gemacht.
In einer Umfrage mit 1.375 Teilnehmern hatten damals 80 Prozent angegeben, dass es schwer sei, zeitnah einen Zahnarzttermin zu bekommen. Viele beklagten, dass Termine abgesagt wurden – teils zwischen mehreren Behandlungsschritten, wie bei einer Wurzelbehandlung.
Wer allerdings privat für seine Zahnbehandlung zahlte, konnte innerhalb einer Woche behandelt werden. Das konnten sich bei Weitem aber nicht viele leisten. Auch die Zuzahlung zur kassenärztlichen Zahnbehandlung war vielen zu teuer.
Mehr als ein Viertel der Befragten gab damals an, die Rechnungen des Zahnarztes nicht sofort bezahlen zu können oder eine Behandlung gleich komplett zu vermeiden.
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