Reform der Vereinten Nationen: Freundlicher Frontalangriff auf die Veto-Mächte

Hunderte Organisationen bereiten UN-Zukunftsgipfel vor. Reform der Vereinten Nationen als Ziel. Wie der UN-Zukunftspakt zu einer friedlichen Welt beiträgt.

Über 300 internationale Organisationen der Zivilgesellschaft, darunter Amnesty International, Greenpeace, IPPNW und ICAN, arbeiten mit Hochdruck an der Vorbereitung des im September 2024 stattfindenden Zukunftsgipfels der Vereinten Nationen.

Die Dringlichkeit einer UN-Reform

Die deutsche UN-Botschafterin Antje Leendertse und Namibias Botschafter Neville Gertze sind maßgeblich für die Planung und Umsetzung des Gipfels verantwortlich. Gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten der UN und der Zivilgesellschaft streben sie eine Reform der Vereinten Nationen an. Die Präsentation des Entwurfs eines "UN-Zukunftspaktes" am 29. Januar 2024 markierte einen wichtigen Meilenstein.

UNO-Zukunftspakt: Ein Meilenstein

Inzwischen wurden einige Hundert Stellungnahmen zivilgesellschaftlicher Organisationen ausgewertet und am 29. Januar 2024 der Entwurf dieses Abkommens präsentiert. "Wir haben versucht, das breite Spektrum auszubalancieren, waren uns jedoch bewusst, dass wir nicht alle Aspekte der schriftlichen Eingaben berücksichtigen konnten. Wir werden gemeinsam nach einer Welt streben, die sicherer, friedlicher, gerechter, gleichberechtigter, integrativer und nachhaltiger ist.

Das Streben nach globaler Sicherheit

Um dies zu erreichen, bekräftigen wir unser Bekenntnis zur Charta der Vereinten Nationen und zum Völkerrecht. Wir bekräftigen außerdem, dass die drei Säulen der Vereinten Nationen – Entwicklung, Frieden und Sicherheit sowie Menschenrechte – miteinander verbunden sind und sich gegen seitig verstärken. Wir bekräftigen außerdem, dass die Beseitigung der Armut in all ihren Formen die größte globale Herausforderung und eine unabdingbare Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung ist", so Antje Leendertse und Neville Gertze.

Ausgangspunkt des Zukunftsgipfels ist die Charta der Vereinten Nationen von 1945. Sie fordert von allen Unterzeichnerstaaten die friedliche Beilegung von Konflikten. Dieses allgemeine Friedensgebot bedarf einer Bestärkung unter den Mitgliedsstaaten und wird beim Zukunftsgipfel besonders hervorgehoben:

Alle Mitglieder legen ihre internationalen Streitigkeiten durch friedliche Mittel so bei, dass der Weltfriede, die internationale Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden.

Kapitel I, 2 UN-Charta

Besonders die fünf Vetomächte im UN-Sicherheitsrat verweigern sich regelmäßig diesem zentralen Friedensgebot. Sie sind zugleich Atomwaffenstaaten, die den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet und die daraus resultierende Verpflichtung nach Abrüstung und Abschaffung der Atomwaffen aber bis heute nicht eingelöst haben. Rüstungskontrolle und Abrüstung der Atomwaffen stehen somit wieder auf der Agenda. Atomwaffen und der Klimawandel bedrohen die Existenz allen Lebens auf unserem Planeten. Der Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen weist den Weg zu einer atomwaffenfreien Welt.

Atomwaffenverbotsvertrag: Ein Schritt vorwärts

Der Vertrag trat am 22.01.2021 in Kraft. Inzwischen haben ihn weltweit 70 Staaten ratifiziert. Der Vertrag untersagt allen Unterzeichnerstaaten, Atomwaffen zu entwickeln, herzustellen, zu lagern und zu testen. Auch die Weiterverbreitung von Atomtechnologie ist verboten. Die Androhung und der Einsatz von Atomwaffen schließen sich damit aus.

Biologische Waffen sind seit 1975, chemische Waffen seit 1997 völkerrechtlich verboten. Das gilt nun endlich auch für Atomwaffen. Der Verbotsvertrag wird in den kommenden Jahren immer mehr an Gewicht gewinnen und weltweit Staaten zur Unterzeichnung veranlassen. Diese Entwicklung wird sich auch nicht über Einflussnahme der Atomwaffenstaaten aufhalten lassen. Vielmehr wird der Druck auf diese wachsen, endlich die im Atomwaffensperrvertrag eingegangenen Verpflichtungen einzulösen.

Die Frist für Atomwaffenabschaffung

Der Zukunftsgipfel könnte als möglichen Zeitrahmen einer Abschaffung aller Atomwaffen den 100. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima festlegen. 2045 wäre die Frist für die Realisierung des Vorhabens. Diese Verpflichtung sollte mit allen Atomwaffenstaaten vertraglich angestrebt und Zwischenschritte sollten zur Erreichung des Ziels vereinbart werden. Das schließt auch eine vertragliche Vereinbarung über ein Verbot der Androhung und des Ersteinsatzes von Atomwaffen ein.

Rüstungskontrolle und Klimawandel

Kriege und die weltweiten Rüstungsausgaben von derzeit über zwei Billionen US-Dollar sind ein Antreiber des Klimawandels. Es wird im Zukunftspakt angestrebt, die Ausgaben zugunsten der Bewältigung der Klimakrise kontinuierlich um fünf Prozent zu reduzieren. Das im Pariser Klimaabkommen vereinbarte Ziel, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen und eine weltweite Dekarbonisierung bis 2040 zu erreichen, sollte handlungsleitend für den Zukunftsgipfel sein.

Die größte Herausforderung ist die angestrebte Reform des Sicherheitsrats. Aus den Stellungnahmen der Mitgliedsstaaten und der NGOs geht eindeutig hervor, dass dieses Projekt Priorität für den Zukunftsgipfel hat. Bis Juni 2024 beabsichtigen die beiden UN-Botschaften, einen ersten Reformentwurf zu präsentieren und in die Beratung einzubringen.

Die Herausforderung des UN-Sicherheitsrats

Der Sicherheitsrat, mit der Dominanz der fünf ständigen Mitglieder, den Veto- und Atommächten USA, Russland, China, England und Frankreich, blockiert sich nicht nur selbst, sondern vor allem die gesamten UN. Mit dem Vetorecht werden dringliche Friedens- und Konfliktlösungen torpediert. Der Sicherheitsrat ist im Gegensatz zur Generalversammlung die Institution, die völkerrechtlich bindende Resolutionen beschließen kann.

Eine mögliche Reform des Sicherheitsrats

Kann die ständige Blockadehaltung der Vetomächte, die die Vereinten Nationen oft lähmt, ja sogar handlungsunfähig macht, entflochten und strukturell verändert werden?

Gegenwärtig hat der Sicherheitsrat 15 Mitglieder, fünf ständige (die sogenannten P5) und 10 nichtständige Mitglieder, die nach einem festen Regionalschlüssel von der Generalversammlung für 2 Jahre gewählt werden. Eine mögliche Reform strebt eine größere Repräsentanz der Mitglieder des Südens an. Vorgeschlagen wird von Experten eine Erhöhung der Mitgliederzahl von 15 auf 25. Die ständigen Sitze würden auf zehn, die temporären auf 15 erhöht.

Das Ziel wäre die Einführung einer neuen Abstimmungsregel mit weniger Blockadepotenzial. Die Reformvorschläge könnten gem. Art. 109 der UN-Charta in einer sogenannten "Allgemeinen Konferenz" mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Generalversammlung zur Annahme empfohlen werden.

Die P5 könnten somit nicht verhindern, dass die Vorschläge von der Generalversammlung angenommen werden. Über einen moderaten Druck der reformwilligen Mitgliedsstaaten und mit diplomatischem Geschick müssten die fünf Vetomächte zu einer Änderung der UN-Charta bewegt werden. Ob das gelingen kann, ist ungewiss.

Mit Spannung wird der Strategievorschlag erwartet, den die deutsche UN-Botschafterin und der UN-Botschafter Namibias im Juni präsentieren werden.

Der Zukunftsgipfel in Nairobi

Die Vorbereitung des Zukunftsgipfels wird mit einer Konferenz der Zivilgesellschaft fortgesetzt, die auf Einladung der beiden UN-Botschafter am 9. und 10. Mai 2024 in Nairobi stattfinden wird. Auf der Konferenz soll der "Pakt für die Zukunft" mit den internationalen Organisationen, den NGOs und Verbänden ausführlich beraten werden.

Nairobi wurde als Tagungsort ausgewählt, um die Interessen und Belange Afrikas stärker gewichten zu können. Die ungleiche Verteilung von Lebenschancen zwischen Staaten des Südens und des Nordens ist eine wesentliche Ursache von Spannungen und gewaltsamen Konflikten. Auf der Konferenz der Zivilgesellschaft in Afrika wird sicher auch über Entschuldung, den Abbau des Protektionismus und über gerechtere Handelsstrukturen beraten werden.

Die weltweite Bekämpfung von Hunger und Armut, das Bemühen um gleiche und gerechte Lebenschancen weltweit, sind eine dauerhafte Verpflichtung und Aufgabe aller Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen.

Rolf Bader, 86916 Kaufering, März 2024, geb. 1950, Diplom-Pädagoge, ehem. Geschäftsführer der Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges/ Ärzt:innen in sozialer Verantwortung (IPPNW) E-Mail: bader-rolf@t-online.de

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