Regierung erwägt Verbot des Französischen Frühlings

Frankreich: Die ultra-konservative Bewegung mit rechtsextremistischem Anhang ruft in einer Tagesorder zum Kampf gegen Regierung und "Kollaborateure" auf

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Das staatlich zertifizierte Treueversprechen, der Trauschein, vor nicht allzu langer Zeit noch ein Papier, das als rückständig belächelt wurde, erlebt, ungeachtet hoher Scheidungsraten, einen neuen Schub. Seit Frauen Frauen und Männer Männern ehelichen können - und auch Kinder adoptieren -, hat die Keimzelle der Gesellschaft, die Familie eine neue, progressive Ausweitung erfahren; wobei der Fortschritt bei weitem nicht von allen als solcher begriffen wird. Während in Frankreich erste Hochzeitsplanungen der Ehe neuerer Art laufen, rüstet sich der Widerstand dagegen mit immer schärferem Vokabular. Die französische Regierung sieht darin einen Aufruf zur Gewalt und erwägt das Verbot einer Bewegung, in der sich kirchliche Fundamentalisten mit Rechtsextremen mischen.

Das Gesetz zur Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe und der Gleichstellung von Adoptionsrechten ist durch, die parlamentarische Opposition, namentlich innerhalb der UMP, ist uneins darüber, wie sie reagieren soll, die außerparlamentarische Opposition setzt darauf, dass der Widerstand auf der Straße weitergeht, um zu demonstrieren, wie viele Gegner der Legalisierung "der Sünde und der Parodie der Ehe" es in Frankreich gibt. Für Sonntag ist eine große Demonstration in Paris angekündigt.

Mit großem Pathos reklamiert die radikale Bewegung Le Printemps Français (Notfalls auch aktiv gegen die Politik der Regierenden) ein Widerstandsrecht, das mit martialischem Vokabular aufgerüstet wird. Nachdem das Gesetz am vergangenen Wochenende erlassen wurde, verkündete die Bewegung - an der sich ultrakonservative Katholiken im Umkreis des Institut Ichtus beteiligen sowie rechtsextreme und profaschistische Gruppierungen, die sich davon eine Schärfung des Profils und Popularität versprechen - den "Kampf" gegen Kräfte, die "Frankreich unterjochen wollen".

In einem Aufruf, der mit Tagesorder Nummer 1 überschrieben ist, wird ein neuer Widerstand gegen die "Gender-Ideologie" ausgerufen, die nun ihren Eingang im bürgerlichen Gesetzbuch gefunden habe. Alte heilige Institutionen wie die Ehe würden auf ein Papier reduziert, gegen biologische Gesetze verstoßen und Rechte der Kinder negiert. Aus diesen Annahmen, die argumentativ keine Gegenstandpunkte dulden und sich dagegen auch nicht halten könnten, fabriziert sich die Bewegung eine Rechtfertigung zum Widerstand, die höher gestellt ist als die Legitimation der Regierung. Die Rede ist von Kampf und Sieg und Feinden. Die Tagesorder lautet vom 20.Mai 2013 lautet:

In der Morgendämmerung dieses Kampfes kündigen die politischen Parteien bereits ihre Kollaboration mit der ideologischen Macht an, in dem sie fälschlicherweise behaupten, dass das Gesetz Taubira (das neue Ehegesetz benannt nach der derzeitigen Justizministerin, Anm. d.V.) nicht abgeschafft werden kann. Indem sie sich auf die Seite des Feindes stellen, bestimmen sie sich selbst zu unserem Gegner.

Der Französische Frühling legt hiermit offen, wen wir als Ziel ins Auge fassen: die amtierende Regierung und ihre Helfer, die politischen Parteien der Kollaboration, die Lobbies, wo die Programme der Ideologie ausgearbeitet werden und die Institutionen, die sie verbreiten.

Diese Tagesorder ist mit unmittelbarer Wirkung auszuführen.

Für den Innenminister Manuel Valls steckt in dem Ordre du Jour ein erkennbarer Gewaltaufruf. Im französischen Fernsehen erwog er Möglichkeiten, den Französischen Frühling zu verbieten. Zwar gibt es theoretisch rechtliche Grundlagen für ein solches Verbot, wie die Zeitung Le Monde darlegt, in der Praxis aber hat das Verbot mit Schwierigkeiten zu kämpfen, die in einem zentralen Punkt eine gewisse Ähnlichkeit mit dem NPD-Verbot in Deutschland haben (außer dass bislang noch nichts von V-Männern und ihrer Rolle im Printemps Français bekannt ist: Scheitert das Verbot, bietet dies den Extremisten Gelegenheit, sich in der Öffentlichkeit zu brüsten. )

Zum anderen umgeht die Bewegung schon jetzt eine bestimmte Verantwortlichkeit; sie ist keine Organisation, die über eine Adresse, einen Sitz verfügt; wer genau welche Fäden zieht, ist unbekannt, selbst wenn die Köpfe der Bewegung und einige Mitglieder aus Medienberichten bekannt sind. Ein Verbotsantrag, der auf unsicheren Füßen steht, weil der Aufruf zur Gewalt nicht so eindeutig formuliert ist, dass er gegen jede andere Auslegung gefeit ist, könnte bei Erfolg Konsequenzen haben, die den Umgang mit den Radikalen nicht leichter machen: der Rückzug in noch schwerer zu fassende untergründige Netzwerke.

Die Aktivistin Frigide Barjot, die mit ihren Aufrufen zu den Demonstrationen "La Manif pour tous" in Frankreich als Gegnerin der neuen Ehen berühmt wurde, kündigte an, morgen nicht zur Demonstration zu gehen. Sie fühle sich bedroht, heißt es in Medienberichten. Von wem die Drohung stammt, ist nicht bekannt. Béatrice Bourges, die Protagonistin des Französischen Frühlings, hatte sich vor einigen Wochen von Barjot distanziert, weil deren Protest zu "brav und zu lahm" war.

Für die morgige Demonstration wurden mehr Polizeikräfte als bei den vorhergehenden angefordert; das Innenministerium befürchtet mögliche Ausschreitungen von radikalen Gruppierungen der extremen Rechten.