Renzi stellt Reformpläne vor
Der neue italienische Ministerpräsident verspricht, mit seinem zur Hälfte aus Frauen bestehendem Kabinett jeden Monat ein neues Vorhaben anzupacken
Der neue italienische Ministerpräsident Matteo Renzi sieht dem Baltimore-Bürgermeister Tommy Carcetti aus der Fernsehserie The Wire nicht nur bemerkenswert ähnlich, er hat auch sonst einige Gemeinsamkeiten mit ihm: Renzi ist relativ jung (39) und schaffte seinen Marsch an die Spitze vor allem durch das Versprechen "abzuwracken" und alles anders zu machen.
Seit Samstag steht Renzis Kabinett – das dem Durchschnittsalter nach jüngste in der Geschichte Italiens. Die Hälfte davon sind Frauen. Am Montag stellte er sein Regierungsprogramm vor: Sein erstes Vorhaben, mit der er den Sturz seines Vorgängers Enrico Letta einleitete, ist ein neues Wahlrecht, das die Macht der beiden großen Parteien festigt. Sein Entwurf sieht vor, dass es kurz nach dem ersten Wahlgang eine Stichwahl geben soll, wenn kein politisches Bündnis einen Stimmenanteil von 35 Prozent erreicht.
Wer in dieser Stichwahl die relative Mehrheit erreicht, der darf dann 53 bis 55 Prozent der Mandate für sich beanspruchen. Zusätzlich soll es hohe Sperrklauseln gegen kleinere Konkurrenten geben, die auch bei der Großen Koalition in Deutschland Begehrlichkeiten wecken könnten: Für Einzelparteien ist eine Acht-Prozent-Hürde und für Bündnisse eine Zwölf-Prozent-Sperre vorgesehen. Die zweite Parlamentskammer, den Senat möchte Renzi in eine Regionenkammer umwandeln, in der - ähnlich wie im Deutschen Bundesrat - keine direkt gewählten Abgeordneten, sondern Vertreter von Gebietskörperschaften wie beispielsweise die Bürgermeister der größeren Städte sitzen. Außerdem will er dem Senat das Recht nehmen, der Regierung das Vertrauen oder das Misstrauen auszusprechen.
Danach hat er angekündigt, jeden Monat ein großes Reformvorhaben über die Bühne zu bringen: Unter anderem will er die Gewerbesteuer um zehn Prozent senken und niedrigere Steuern für Personen und Familien, die weniger als 15.000 Euro im Jahr verdienen. Finanziert werden soll das unter anderem durch eine Reform des Arbeitsmarktes, die Streichung von Beamtenstellen und neue Schulden, deren Genehmigung Renzi in Brüssel erwirken will. Aktuell ist das Land mit 133 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verschuldet und weist ein Negativwachstum von minus 1,9 Prozent auf.
Tommy Carcetti muss in The Wire nach seiner Amtsübernahme feststellen, dass aus seinen Versprechungen nichts wird, weil er – ebenso wie seine Vorgänger – glaubt, der Logik des Machterhalts folgen zu müssen. Renzi könnte es ähnlich ergehen: Aktuell hat er zwar Mehrheiten hinter sich (im Senat gewann seine Koalition gestern eine Vertrauensabstimmung und im Abgeordnetenhaus wird heute wahrscheinlich das selbe passieren), aber in den kommenden Monaten könnten sich sowohl in seiner eigenen sozialdemokratischen Partei (in der er sich auf seinem Weg nach oben einige Feinde gemacht hat) Abweichler zeigen, als auch in der Scelta Civica (deren Vertreter Mario Mauro seinen Posten im Kabinett verlor) oder der Nuovo Centrodestra (die sich im Herbst 2013 von Silvio Berlusconis PdL trennte). Fehlen Renzi Stimmen aus dem eigenen Lager, müsste er dafür sorgen, dass die von Silvio Berlusconis Forza Italia angeführte Opposition bei seinen Vorhaben mitmacht oder wenigstens stillhält, was nicht ohne wesentliche Zugeständnisse machbar sein dürfte.
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