Rettungsringe im Datenozean
Doch vor den Rettern des Cyberspace ist niemand sicher
Alles lässt sich retten, wenn man nur will. Sozialsysteme, Fernsehsendungen und alles, was mal irgendwann besser war. Im Internet sind die Rettungsinitiativen mittlerweile eine Art organisierte Protestbewegung gegen jede Form von Veränderung. Alles was es braucht: Etwas Webspace und viel Dreistigkeit. Und die obligatorischen drei Zeilen HTML.
Spontane Zusammenrottungen zu Willensbekundungen nannte man früher "unangemeldete Demonstrationen". Seit dem Sommer des letzten Jahres setzte sich dann die Gewissheit durch, dass das Kind einen neuen Namen und weniger Inhalte braucht: Der Flashmob war geboren (Ein bisschen Spaß muss sein). Und schnell wieder gestorben. Nicht zuletzt aufgrund übermäßiger Kommerzialisierung.
Ein stetig anwachsender Trend hingegen: Der Rettungsmob. Viel kann man in diesen Tagen rund um den Jahreswechsel retten. Harald Schmidt sollte gleich mehrfach gerettet werden. Was allerdings gegen seinen erklärten Willen wenig Sinn zu machen versprach. Die Mainzelmännchen sind da schon rettungswilliger, können sie doch nicht selbst widersprechen. Und auch des Kanzlers letztes Hemd sollte bereits gerettet werden. Angeblich retteten 40.000 Leute mit. Europa wurde zumindest teilweise vor den bösen Softwarepatenten gerettet. Was allerdings nicht vor rettenden Spendenaufrufen für eine der rettenden Organisationen retten konnte. Retten vom heimischen Bildschirm aus: ein Trend für 2004.
Virtuelle Demonstrationen und Petitionen alleine haben jedoch bislang nur wenig gerettet. Auch wenn mit eToy und dem vollvirtuellen Hasen Paulchen und seiner ebenso virtuellen Rettung Präzedenzfälle bekannt sind: Die Zahl der gescheiterten Projekte ist hoch. Selbst die traditionell als tageslichtscheu eingestufte Fraktion der Softwarepatentgegner hat sich zu einer echten, realen Demonstration aufgerafft, als es ums Eingemachte ging. Auch Greenpeace hat sich - trotz vieler Unterschriftenaktionen in Fußgängerzonen - in den Köpfen mit spektakulären Real-Einlagen wie der Brent Spar festgesetzt. Während die virtuellen Sit-Ins gegen die Weltungerechtigkeit (Massenhacks und Online-Demo) bislang eher unbeachtet blieben.