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Die rosa Fernsehträume der Telekom
Mit dem jüngst in den zwölf Städten Hamburg, Düsseldorf, Berlin, Köln, München, Frankfurt, Nürnberg, Leipzig, Stuttgart, Hannover, Offenbach und Fürth gestarteten IPTV- und Triple Play-Angebot "T-Home Complete" (= Internetprotokollfernsehen und Dreifachspiel-Angebot "T-Haus komplett") sieht die T-Com die Zeit gekommen, die deutsche Sprache endgültig abzuschaffen, nein, das Fernsehverhalten zu revolutionieren.
Zur Zeit sind in diesen Musterstädten bereits 65% der Haushalte mit einer entsprechenden VDSL-Leitung ausgestattet, die 25 MBit/s übertragen kann und Grundvoraussetzung für das "neue Fernsehen" ist. Bis Ende 2006 bzw. Anfang 2007 sollen es fast 90% und damit sechs Millionen potenzielle Kunden sein, die in der Lage sind, sich von dem neuen Fernsehvergnügen überzeugen zu können.
Die "vorsichtige Prognose" der T-Com sieht eine Millionen T-Home-Abonnenten bis Ende 2007 vor - sehr ambitioniert in Anbetracht der zunehmenden Konkurrenz durch die Kabelnetzbetreiber und der großen Anzahl an zumindest bislang noch frei empfangbaren TV-Sendern via Satellit und Terrestrik, da man bei diesem exklusiven Kommunikations- und TV-Paket bewusst nicht die Billigschiene fährt, sondern selbst Pay-TV-Anbieter wie Premiere zum "billigen Jakob" degradiert:
Das kleinstmögliche Paket T-Home Complete Basic kostet - immerhin inklusive T-Net-Telefonanschluss und VDSL25-Anschluss sowie 56 TV-Kanälen, zu denen aber natürlich auch Homeshopping-Kanäle, Bibel-TV & Co. gehören - monatlich bereits stolze 80,84 Euro. Bei T-Home Complete Plus - ebenfalls inklusive T-Net und VDSL25-Anschluss sowie momentan 24 zusätzlichen TV-Kanälen sind im Paketpreis von 90,84 Euro monatlich noch später bis zu 30 Pay-TV-Sender wie Discovery Channel oder History Channel und zwei Live-Spiele der Fußball-Bundesliga pro Woche empfangen. Dieses Paket enthält auch die zweiwöchentlich erscheinende Ausgabe der Programmzeitschrift "TV Digital".
Doch der Preis ist nach oben hin offen, je nach Größe des Geldbeutels können noch zusätzliche Features, wie Fremdsprachen- oder Musikpakete, Premiere und die komplette Bundesliga dazugebucht werden. Und es kommen noch einmalige Hardwarekosten von knapp 100 Euro dazu. "T-Home" will also alles an Freizeitvergnügen abdecken, das man braucht - muss dies aber auch, denn für andere Freizeitbeschäftungen dürfte dem T-Home-Kunde anschließend weder Zeit noch Geld verbleiben.
So umfangreich die TV-bezogene Feature-Liste von T-Home Complete auch ist - ein ansehnliches Programmangebot mit bis zu 120 Fernsehsendern, eine kleine Auswahl an HDTV-Inhalten, Video-on-Demand mit 2000 aktuellen Spielfilmen und TV-Archive: Das alles klingt zwar ganz nett, aber großenteils auch irgendwie sehr bekannt. Dessen ist man sich auch bei der T-Com bewusst, wie Thomas Hille, T-Online Segmentvorstand und Leiter des Bereichs Vertrieb, Handel & Distribution bei der T-Com eloquent ausführt: "T-Home muss am PoS vorgeführt werden. Erst dabei wird deutlich, dass unser IPTV-Paket das Potential besitzt, das Fernsehverhalten zu revolutionieren. Live erlebt macht unser Produkt richtig Freude - dem Händler und dem Kunden.". Auf Deutsch: Der Kunde muss vor Ort überredet werden, eine neutrale Produktinformation im Internet dürfte ihn auch mit Flash-Animationen nicht überzeugen.
120 spezielle in den 12 VDSL-Städten verteilte Stores (nein, ein Store ist in diesem Fall natürlich keine Gardine, sondern ein Laden - zu den T-Punkten (T-Points?) kommen nun also auch noch T-Home-Stores) sollen den Otto-Normal-TV-Bürger von der Qualität dieses "Rundum-Sorglos-Pakets" mit einer Flatrate für Internet und (Internet-)Telefonie sowie dem umfangreichen TV-Paket überzeugen.
"Entlinearisierung" des Fernsehens
Die eigentliche Neuheit von T-Home, außer der keinen objektiven Vorteil bringenden Tatsache, dass die Fernsehbilder nun per Internet-Protokoll statt in Echtzeit angeliefert werden, soll das Schlagwort "Entlinearisierung des Fernsehens" erklären: TV-Archiv-Funktionalität, ein PVR (Personal Video Recorder) mit 80 Gigabyte Festplatte und Time-Shift-Funktion sowie ein umfangreiches Video-on-Demand-Angebot (von einem bis zu 6 Euro je nach Wahl, neben aktuellen Blockbustern wird natürlich auch der Bereich Erotik angeboten) sollen Flexibilität und Unabhängigkeit von den starren Sendeschemen der Programmanbieter bieten: Der Zuschauer entscheidet, welche Inhalte er sich wann anschauen will. Allerdings geht das ja auch längst schon über Satellit.
Bewusst wird auch auf eine einfache Bedienung der komplexen Technik gelegt, alle Angebote und sämtliche Funktionen der Set-Top-Box (Media Receiver "T-Home X 300T" aus dem Hause Scientific Atlanta) werden über eine einheitliche Menüstruktur und eine entsprechend einfach gehaltene Fernbedienung gesteuert. Wenn es dann allerdings einmal einfach nicht funktionieren will, dürfte die Fehlersuche schwieriger werden als die nach einem losen Antennenkabel, wenn beim normalen Fernsehen das Bild plötzlich verschneit ist.
Da der Wettbewerb nicht schläft, darf es auch bei all den bestehenden technischen Features zu keinem Stillstand kommen. "Wir starten mit einem fokussierten Portfolio. Im Vordergrund steht die Stabilität und Zuverlässigkeit der gebotenen Dienste. Außerdem sollen die Kunden nicht durch Featuritis überfordert werden" so Thomas Hille. In Zukunft sollen noch neue Funktionen wie digitaler Radioempfang, Videotelefonie und interaktives Fernsehen dazukommen: "Die Ideen sind unbegrenzt."
Zudem soll es im Laufe des Jahres 2007 die Möglichkeit geben, auf die Verkabelung quer durch die ganze Wohnung von der VDSL-Buchse bis zum Fernseher mit Mediareceiver zu verzichten und die Verbindung für den drahtlos aufzubauen.
Geringe Reichweite
Begrenzend wirken sich derzeit noch einige andere Faktoren aus: So zeigen naturgemäß nur HD-Inhalte, was bei T-Home in Sachen Bildqualität wirklich möglich ist: HD-Streams auf hochwertigen Plasma- oder LCD-Bildschirmen überzeugen auch kritische Betrachter, doch die Auswahl ist noch sehr begrenzt. Man kann nur hoffen, dass in Zukunft HD-Produktionen der Sender zunimmt.
Auch die Verfügbarkeit des für den IPTV-Empfang mit T-Home erforderlichen VDSL-Netzes setzt den Absatzchancen mehr als Grenzen: Derzeit erreicht das hochmoderne, glasfaserbasierte VDSL-Netz lediglich knapp drei Millionen Haushalte in zehn Ballungszentren. Der weitere Ausbau hängt zudem an einem seidenen Faden bzw. von regulatorischen Entscheidungen in Berlin und Brüssel ab. Die EU-Kommission will die Privilegien kippen, wonach das neue VDSL-Netz der Telekom nicht der Regulierung durch die Bundesnetzagentur unterliegt ("Lex Telekom), da es auf eine einseitige Bevorzugung eines im Markt dominierenden Unternehmens herauslaufe. Die Telekom droht im Gegenzug mit einem Ausbaustopp des VDSL-Highspeednetzes. Seit November 2005 sind in Rekordzeit rund 13.000 Kilometer Kabel neu verlegt und 26.000 neue Kabelverzweiger in den Ausbaugebieten aufgestellt worden - dies könnte nun ein jähes Ende haben. Bezüglich der Marktchancen in den VDSL-Ausbaugebieten ist Thomas Hille aber optimistisch:
Obwohl T-Home ein Premium-Angebot ist, werden viele Kunden damit sogar Geld sparen - dafür sorgen die im den Paketpreisen enthaltenen Flatrates. Mit T-Home bieten wir nicht nur Funktions- und Programmvielfalt, sondern auch Einfachheit und Preistransparenz - also genau das, was die ‚Generation flat’ heute sucht. Jetzt müssen wir nur noch dafür sorgen, dass die Kunden das Produkt erleben können.
Na da kann die Generation flat ja noch was erleben. Folgerichtig laut Thomas Hille soll auch der stationäre Handel der wichtigste Vertriebskanal für T-Home sein. Fast 120 Points-of-Sales (T-Punkte nicht mitgezählt, diese sind ja noch deutsch bezeichnet) in den 12 VDSL-Netz-Städten verfügen über T-Home-Demonstrations-Center und können so IPTV und Internetsurfen mit 25 MBit/s vorführen.
Hauptrollen zu vergeben: Lächelnde und überzeugende Verkäufer
Für Interessenten, die (noch) keinen Zugang zum VDSL-Netz haben und deshalb T-Home Complete nicht nutzen können, steht das Einstiegsangebot T-Home Classic zur Verfügung: Es verzichtet auf Live-IPTV-Empfang, bietet fernsehtechnisch nur "Video on Demand" und funktioniert deshalb mit auch mit den bisherigen ADSL-Anschlüssen T-DSL-6000 und T-DSL-16000 Anschlüssen. Dazu Thomas Hille: "Mit T-Home Classic offerieren wir Handel und Kunden einen interessanten und lohnenden Migrationspfad."
Diesen Pfad zu beschreiten, soll sich für die Kunden jetzt besonders rechnen: Bis zum Jahresende ist die Installation des Magenta-Zaubers durch einen Techniker der T-Com im Preis enthalten. Zum anderen warten auf alle, die so richtig in die Zukunft invstieren wollen, ihr altes Handy kündigen und gleichzeitig einen T-Home-Vertrag und einen T-Mobile-Handyvertrag abschließen, Preisnachlässe von mindestens 100 Euro.
Die enorme Überzeugungskraft eines stetig lächelnden und sehr präsenten Thomas Hille wirkt mit der Zeit doch noch ansteckend. Man kommt so langsam ins Grübeln, ob man nicht doch - beheimatet fern ab von München oder einer anderen VDSL-Großstadt - eine echte technische Revolution versäumt und irgendwann zum technischen Neandertaler mutiert, der in der Freizeit immer noch durch die natürliche 3D-Landschaft spaziert, statt auf dem Sofa moderne High-Speed-Technology zu genießen. Es wird Zeit für einen den brummenden Kopf durchlüftenden Spaziergang…