Robert Menasse und die Verteidigung der Nation

Seite 2: Nationenbegriff positiv besetzen als Denkzettel für Robert Menasse?

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Noch weiter in der Verteidigung des Nationalen geht der israelische Philosoph Yoram Hazony in seinem Buch Die Tugend des Nationalismus.

Hazony, Direktor des Herzl Institute in Jerusalem, wuchs in dem Bewusstsein auf, dass Israel nur als unabhängiger Nationalstaat existieren kann, der seine Angelegenheiten selbst regelt und seine Souveränität nicht an supranationale Institutionen abgibt. Seine Großeltern waren in den 1920er- und 1930er-Jahren ins damalige Palästina gekommen, um einen unabhängigen jüdischen Staat zu gründen und nicht mehr auf die Duldung Dritter angewiesen zu sein. Diese nationale Unabhängigkeit gilt es ihm heute dringend zu bewahren - und dieses Recht spricht er auch jedem anderen Staat der Welt zu.

Denn die Welt ist für Hazony dann am besten regiert, wenn Nationen ihren unabhängigen Weg gehen können, ihre eigenen Traditionen pflegen und ihre eigenen Interessen verfolgen. Das nämlich ist Hazonys Definition von "Nationalismus", die nichts mit aggressivem Chauvinismus und Überlegenheitsdünkel zu tun hat.

Mit diesem Begriff bezeichnet er schlicht die Ansicht, dass die beste internationale Ordnung eine ist, die aus vielen unabhängigen Nationalstaaten besteht. Man kann in Hazonys Sinne also auch dann Nationalist sein, wenn man dem jeweils eigenen Land keine besonders leidenschaftlichen Gefühle entgegenbringt. Deshalb vermeidet er auch das vermeintlich freundlichere Wort "Patriotismus", zum einen, weil es die Sache nicht trifft, zum anderen, weil Hazony Euphemismen ganz und gar nicht mag.

Ingo Way, Jüdische Allgemeine

Nun verweisen auch Linke, die mit der Nation anbandeln wollen, gerne auf den Unterschied. Nur wird dann in Deutschland oft "gesunder Patriotismus" gegen "übersteigerten Nationalismus" abgegrenzt. Hazony will dagegen den Nationalismusbegriff positiv besetzen und gegen den Patriotismus abgrenzen. Doch das diese Differenzierungen in der Praxis nicht tauglich sind, wird in der Rezension von Ingo Way deutlich.

RESSENTIMENT Und genau dieses Ziel verfolge heute die Europäische Union: Die Nationalstaaten geben ihre Souveränität zugunsten überstaatlicher Institutionen auf. Und weil das für Länder mit einer stolzen nationalen Tradition aber doch ein schmerzlicher Verlust ist, entstehen Ressentiments gegen diejenigen, die eben nicht bereit sind, ein solches Opfer zu bringen: allen voran die Israelis, aber mittlerweile auch die Visegrád-Staaten, die keine muslimischen Einwanderer aufnehmen wollen, die Briten, die für den Brexit gestimmt haben, und die USA unter Donald Trump, der die Interessen seines eigenen Landes vertritt, statt Welterlösungspläne zu hegen. Sie alle werden heute von wohlmeinenden Europäern mit allen erdenklichen Invektiven bedacht, bis hin zum Faschismusvorwurf.

Ingo Way, Jüdische Allgemeine

So verteidigt der angebliche gemäßigte Nationalist Hazony die rechte Orbán-Regierung, die gute Beziehungen zu Israel mit auf Soros bezogenen Antisemitismus verbinden kann. Es hat den Anschein, dass er mit dem Buch eine theoretische Grundlage schaffen will für die Zusammenarbeit der israelischen Regierung mit Ultrarechten nicht nur in Europa wie das Beispiel Brasilien zeigt.

Beim Lob des Nationalismus fällt unter den Tisch, dass dessen Aufstieg immer mit Antisemitismus einherging. Ein Denkzettel für Robert Menasse kann daher nicht die Rehabilitation des Nationalismus sein, sondern die Erkenntnis, dass der liberale Supranationalismus wie ihn Menasse vertritt, real nicht möglich ist.

Daher hat er sich mit erfundenen Reden eine Legitimation verschaffen versucht. Doch die Konsequenz kann nicht ein Zurück zum Nationalismus, sondern eine Verbindung der Kritik von Staat, Kapital und Nation sein.