Rohstoffpartner Kasachstan
Heute wird in dem zentralasiatischen Land gewählt. Mit dem bisherigen Präsidenten Nasarbajew hofft Deutschland auf gute Handelsbeziehungen. Dessen Verständnis von Menschenrechten ist von nachrangiger Bedeutung
Kupfer, Zink, Nickel und Seltene Erden. Deutschlands Rohstoffhunger ist gigantisch. Jeder Deutsche verbraucht im Laufe seines Lebens etwa 700 Tonnen Industriemetalle. Und es wird immer schwieriger für die deutsche Industrie, an die wichtigen Grundstoffe für ihre High-Tech-Produkte heran zu kommen.
Im Oktober 2007 beauftragte das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) das Frauenhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) mit der Erstellung einer Studie über den Rohstoffbedarf für Zukunftstechnologien. 2009 wurde die Studie der Öffentlichkeit vorgestellt.
Insbesondere bei den Elektronikmetallen Gallium, Indium, Scandium, Germanium, Neodym und Tantal wurde festgestellt, dass der für das Jahr 2030 erwartete Verbrauch höher liegen könnte als die derzeitige weltweite Gesamtproduktion. Bereits heute stellt die Versorgung mit Metallen die Industrie vor immer größere Probleme. Beispielhaft dafür stehen die Industriemetalle der Seltenen Erden. Bislang ist China der größte Exporteur der seltenen Erden. In der Vergangenheit jedoch hat Peking die Exportquote immer weiter gesenkt, so dass der Markt zeitweilig wie leer gefegt war.
Idealer Partner
Eine stetigeVersorgung über die Rohstoffmärkte scheint damit nicht mehr sicher zu sein. Nun versucht die Bundesregierung und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) das Problem auf andere Art zu lösen. Seit kurzem verhandelt die Bundesregierung mit der kasachischen Regierung über eine enge Allianz bei der Versorgung mit wichtigen Industriemetallen. Damit nimmt die bereits seit einiger Zeit im Aufbau befindliche Rohstoff AG der Bundesrepublik (siehe Neue Rohstoffpolitik rückt Regierung und Industrie noch enger zusammen) erstmals klare Konturen an.
Für die Versorgung von Rohstoffen ist Kasachstan für Deutschland ein idealer Partner. In dem zentralasiatischen Land sind nahezu alle relevanten Industriemetalle zu finden. Darüber hinaus verfügt das Land über große Mengen an Öl und Gas. Bei Uran ist Kasachstan 2010 erstmals der weltweit größte Exporteur.
In einem Schreiben des BMWi1 von Anfang März diesen Jahres meint eine Sprecherin des Ministeriums: „Das Bundesministerium arbeitet intensiv am Aufbau von Rohstoffpartnerschaften.“ Ziel sei eine „gesicherte Rohstoffversorgung, Nachhaltigkeit und Transparenz im internationalen Rohstoffsektor“. Zum Stand der Verhandlungen mit Kasachstan wollte das Ministerium jedoch keine Stellung nehmen. Der Ostausschuss des BDI dagegen ließ gegenüber Telepolis verlauten, dass derzeit zwar noch nichts wirklich spruchreif sei, auf der kasachischen Seite jedoch ein großes Interesse an einer engen Zusammenarbeit bestehe.
Zurückhaltung der deutschen Industrie
Insbesondere hob ein Sprecher des Ostausschusses die positive Rolle von Kanzlerin Merkel hervor. Sie sei in der Vergangenheit bereits zwei mal vor Ort gewesen und habe damit die Tür aufgemacht. Für Kasachstan, so ein Sprecher des Ostausschusses, sei eine Partnerschaft mit Deutschland nicht nur aus technologischer Sicht wichtig. Das Land befürchte den wachsenden Einfluss des großen Nachbarn im Osten. Der Einfluss Chinas in Kasachstan werde dort nicht nur positiv gesehen. Ein zusätzlicher Partner scheint da eine gute Möglichkeit darzustellen, sich von Peking abzugrenzen.
Eine Nachricht, die die deutsche Industrie eigentlich positiv stimmen sollte. Um so erstaunlicher dagegen nimmt sich dagegen das sehr verhaltene Interesse der deutschen Unternehmen aus. Viele Unternehmen seien sehr zurückhaltend, wenn es um Investitionen in Minen ginge, so der Ostausschuss. Verantwortlich dafür sei die nicht mehr vorhandene Erfahrung auf diesem Gebiet. Denn nach dem Ende der Förderung der deutschen Rohstoffindustrie 1990 gibt es kaum noch Unternehmen, die überhaupt in der Lage seien mit einer entsprechenden Technologie die in Kasachstan vorhandenen Rohstoffe fördern zu können.
Von einigen wenigen kleinen Unternehmen einmal abgesehen, verfüge allein Thyssen-Krupp noch über das entsprechende Know-How. Offensichtlich steht das Ende des Rohstoffkonzerns Preussag AG auch für das Ende der deutschen Rohstoffwirtschaft im Ganzen. Seit der Wende in Mittel- und Osteuropa und der damit einhergehenden Öffnung der osteuropäischen Rohstoffmärkte hat sich in der deutschen Wirtschaft offensichtlich das Gefühl eingestellt, es wäre ausreichend sich allein auf die freien Märkte zu verlassen.
Handel und Menschenrechte
Wie es aussieht, spielt die derzeitige politische Situation in Kasachstan für die angestrebte Rohstoffpartnerschaft eher eine untergeordnete Rolle. Denn angesichts der riesigen Vorteile, einen exklusiven Zugang zu nahezu allen relevanten Industrie- und Energierohstoffen zu erhalten, ist eine kritische Haltung gegenüber der Regierung Kasachstans von Seiten der Bundesregierung offensichtlich nicht prioritär. Dabei regiert Präsident Nasarbajew das Land bereits seit 20 Jahren. Immer wieder kommt es zu Verstößen gegen die Menschenrechte.
Auch wenn Kasachstan nicht mit Unrechtsregimen wie Libyen gleichgesetzt werden kann, kam es laut Amnesty International in den vergangenen Jahren immer wieder zu Übergriffen der Polizei auf die Bevölkerung. Immer wieder wird von Folterungen und Misshandlungen berichtet.
Am heutigen Sonntag wird der Sieger der Wahl wohl wieder Nasarbajew heißen. Denn das kasachische Verfassungsgericht hat dafür gesorgt, dass wegen der vorgezogenen Wahl der Opposition kaum eine Möglichkeit bleibt, einen ernstzunehmenden Gegenkandidaten zu stellen. Für die Bundesregierung ist Nasarbajew ein eher angenehmer Präsident, da er bereit ist, im Zuge der anvisierten Partnerschaft der deutschen Industrie die Zugänge zu allen nötigen Rohstoffen der Zukunft zu öffnen.
Eine Antwort auf die Frage, wie denn die Bundesregierung die angestrebte Rohstoffpartnerschaft angesichts der großen Demokratiedefizite in Kasachstan einschätzt, war daher in dem Schreiben vom BMWi auch nicht zu erwarten.