Rosa Cover
Der Tod des brutalen Taliban-Top-Kommandeurs und die Diskussion über zivile Opfer in Afghanistan
Er soll einer der Fürchterlichsten unter den Schrecklichen gewesen sein, der Militärchef der Taliban, Mullah Dadullah. Gestern wurde die Leiche der einbeinigen Taliban-Legende der Presse in rosa Bettüchern präsentiert . Eine Presseschau mit "Success Story" zum günstigsten Zeitpunkt. In den letzten Tagen und Wochen mehrten sich harte Vorwürfe am Einsatz der westlichen Koalitionstruppen in Afghanistan. Grund: die hohe Zahl der von Koalitionstruppen getöteten afghanischen Zivilisten.
Mindestens 132 Zivilisten wurden seit Anfang März durch mindestens sechs Bombenangriffe oder Schießereien getötet, so zitiert die New York Times Angaben von US-Regierungsvertretern. Der entsprechende Artikel, der ausführlich vor der Gefahr warnt, dass der hohe Blutzoll unter der afghanischen Bevölkerung die militärische Mission der westlichen Verbündeten unterminieren könnte, erschien gestern wenige Stunden vor der Erfolgsmeldung, die dann die Nachrichtenwelt dominierte.
Die Verluste unter der Zivilbevölkerung sollen vergangenen Mittwoch eine "Quelle intensiver Diskussionen" in Brüssel gewesen sein, wo sich die NATO-Führung besprach. Aber, so soll die NY-Times von Teilnehmern erfahren haben, das Gespräch ging weniger darum, wie man diese Verluste reduzieren könnte, sondern eher darum, wie das jenen europäischen Regierungen zu erklären sei, die behaupten, dass ihre Soldaten in Afghanistan sind, um das Land aufzubauen, und nicht, um Taliban oder Terroristen zu jagen.
Auch das Oberhaus des afghanischen Parlaments hat über die vielen Opfer unter der Bevölkerung gesprochen und letzte Woche einen Gesetzentwurf vorgelegt, wonach die Regierung einen Dialog mit den Taliban-Kämpfern beginnen und den westlichen Streitkräften verbieten sollte, zu schießen oder Häuser zu durchsuchen, außer sie würden zuerst angegriffen.
The bill would also prohibit international forces from launching military operations unless they are attacked or have first consulted with the Afghan army, government or police.
Zur Realisation benötigt der Gesetzesentwurf die Unterschrift des Präsidenten und die Zustimmung des Unteren Hauses. Aber das Signal ist deutlich: Es wird Druck gemacht auf Präsident Karsai und auf die westlichen Verbündeten. Vor knapp zwei Wochen kritisierte Karsai die Taktik der westlichen Militärs deutlich: Die Geduld sei bald erschöpft, drohte er.
Das Thema ist brisant, daraus läßt sich für jede Seite politisches Kapital schlagen. Während der Bericht der Menschenrechtsorganisation "Human Rights" von Mitte April vor allem die Taliban und andere Guerilla-Verbände anklagte, mit ihren Anschlägen auf zivile Opfer zu zielen (vgl. Waisen, Witwen, Lügen), häuften sich seither Meldungen, die bestätigten, was Kritiker dem etwas undifferenzierten HR-Bericht ohnehin vorwarfen, nämlich, dass er nicht genügend berücksichtigen würde, was "triggerfreundliche" westliche Truppen, Bombenangriffe und brutale Hausdurchsuchungen an Gewaltdynamiken in Gang setzen.
What angers Afghans are not just the bombings, but also the raids of homes, the shootings of civilians in the streets and at checkpoints, and the failure to address those issues over the five years of war.
Tasächlich stehen dem notorisch geäußerten Dementi des Pentagon zu zivilen Toten andere Berichte gegenüber, welche den "afghan anger" erklären können:
Mindestens 40 Zivilisten kamen am Dienstag vergangener Woche bei einem Luftangriff westlicher Verbände auf ein Dorf im Distrikt Sangin, Helmand/Afghanistan ums Leben, sagten Zeugen gegenüber Medien aus. Vertreter der westlichen Koalition sollen demgegenüber beteuert haben, dass nur "Rebellen" getroffen wurden und es keine anderen Opfer gab.
Würden sich die Angaben der Zeugen bestätigen, rechnet die Zeitung Peninsula aus Qatar zusammen, so ergäbe das insgesamt 110 Zivilisten, die in den vergangenen zwei Wochen durch ausländische Truppen ihr Leben verloren. Der Kommentar, den sie dazu von einem Ortsansässigen beisteuert, fällt erwartungsgemäß aus:
Ausländische Truppen töten jeden Tag Afghanen, aber unsere Regierung verschließt davor die Augen und sieht unsere Opfer nicht.
Haji Ibrahim
Nach Angaben des Gouverneurs von Helmand, Assadullah Wafa, starben 21 Zivilisten, darunter auch Frauen und Kinder, bei dem Luftangriff in Sangin. Ihre Soldaten, die auf Patrouille waren, wurden angegriffen, so der Sprecher der Koalition:
During the 16-hour battle, Afghan National Army and coalition forces fought through three separate enemy ambush sites while dozens of Taleban fighters reinforced enemy positions.
Die Nachrichtenagentur Reuters, die von dem Bombenangriff berichtet, kommt auf 90 getötete Zivilisten in den letzten beiden Wochen.
Anfang März soll eine Special Operation Einheit der Marines Feuer auf Zivilisten eröffnet haben und dabei 19 Menschen getötet und 33 verletzt haben (darunter Kinder und ältere Dorfbewohner). Die amerikanischen Soldaten hätten wild auf Fahrzeuge und Personen geschossen, nachdem ihr Konvoi von einem Selbstmordattentäter angegriffen wurde, noch viele Meilen nach der Stelle des Anschlags.
Die Behauptungen der Soldaten, sie hätten sich nur gegen Beschuss gewehrt, erwiesen sich als haltlos, die US-Armee entschuldigte sich und versprach eine Entschädigungszahlung von 2000 Dollar pro Familie.
57 tote Zivilisten zählten afghanische und UN-Ermittler nach amerikanischen Luftangriffen am letzten April-Wochenende im Schindand Distrikt der afghanischen Provinz Herat. Das Pentagon dementierte in ersten Stellungnahmen, dass Zivilisten getötet wurden und deutete dagegen auf den Erfolg der Aktionen hin, bei denen eigenen Angaben zufolge 136 Taliban-Kämpfer getötet wurden.
Even the accounts of villagers bore little resemblance to those of NATO and American officials - and suggested just how badly things could go astray in an unfamiliar land where cultural misunderstandings quickly turn violent.
The United States military says it came under heavy fire from insurgents as it searched for a local tribal commander and weapons caches and called in airstrikes, killing 136 Taliban fighters.
But the villagers denied that any Taliban were in the area.