Rüstungsstandort Deutschland
Bundestag diskutierte erstmals seit langer Zeit wieder über Rüstungsexporte
Deutschland hat 2007 im Vergleich zum Vorjahr seinen Rüstungsexport erneut um 13 Prozent auf einen Wert von 8,7 Milliarden Euro gesteigert. Diese Zahlen hat nicht etwa die Bundesregierung vorgelegt, obwohl sie sich selbst dazu verpflichtet hat, sondern bisher stammen sie aus dem Rüstungsexportbericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (siehe: Deutschland ist weltweit drittgrößter Rüstungsexporteur).
Prälat Stephan Reimers, Evangelischer Vorsitzender der GKKE, findet es „befremdlich“, dass die Bundesregierung diese Zahl bisher nicht auch selbst veröffentlicht hat. Doch mindestens genau so befremdlich wie die zögerliche Berichterstattung der Bundesregierung für das Genehmigungsjahr 2007 ist die Tatsache, dass die Berichte für die Jahre 2004 bis 2006 zwar von der Bundesregierung an den Bundestag erstattet wurden, dort aber seitdem ohne jegliche parlamentarische Befassung langsam, aber sicher verstauben. Dabei hatte sich das Parlament diese Berichterstattung mühsam erkämpft.
Die heute geltende Selbstverpflichtung der Bundesregierung, dem Deutschen Bundestag jährlich einen Bericht über die im Laufes eines Kalenderjahres erteilten Rüstungsexportgenehmigungen zu erstatten, gingen Hunderte von Einzelfragen von Abgeordneten zur mündlichen oder schriftlichen Beantwortung, sowie zahlreiche Kleine und Große Anfragen zum Waffen-, Rüstungs- und Atomexport voraus, insbesondere von Grünen seit ihrem Einzug in den Bundestag im Jahr 1983.
Rüstungsexport war als Teilbereich der Friedenspolitik neben der Anti-Atom- und Umweltpolitik ein wichtiges Politikfeld, mit dem die Grünen auch Bundestagswahlkämpfe bestritten. Vor der Konstituierung des Bundestages 1983 demonstrierte unter anderem die gesamte Grüne Bundestagsfraktion am frühen Morgen vor dem Bundeswirtschaftsministerium gegen Waffenexporte an die damalige argentinische Militärjunta. Diese neue Fraktion und einzelne ihrer Abgeordneten, wie der ehemalige Entwicklungshelfer Walter Schwenninger sowie die Mitgründerin der Grünen, Petra K. Kelly, stellten ab 1983 so viele Anfragen zum Rüstungsexport, dass die zuständigen Ministerien (Wirtschaft, Außen, Verteidigung) mit deren termingerechter Beantwortung ernsthafte Probleme bekamen. Im federführenden Bundeswirtschaftsministerium war ein gutes Dutzend Beamte mit der Beantwortung der Anfrageflut ununterbrochen beschäftigt.
Die Bundesregierung bemühte sich, die Anfragen möglichst restriktiv, das heißt inhaltsarm zu bescheiden. Eine der Standardsätze der Bundesregierung lautete „Angaben zu Rüstungsexporten vertragen aus politischen Gründen – wie auch die Praxis anderer Länder zeigt - nur ein begrenztes Maß an Publizität.“ Diese Feststellung stimmt noch heute. Auch deshalb verzögert die Bundesregierung ihre jährlichen Exportberichte, soweit dies geht. Wie weit das geht, entscheidet auch der Bundestag, in dem er nachfragt oder eben nicht.
Kaum noch Interesse an Jahresberichten
Erst als die Ministerialbürokratie, insbesondere im Wirtschaftsministerium, unter der zusätzlichen Arbeit ächzte und auch zahlreiche Mitglieder der damaligen CDU/CSU/FDP-Koalition der ständigen Diskussionen über Rüstungsexport im Plenum und in den Bundestagsausschüssen überdrüssig wurden, entschloss sich die Bundesregierung, einen jährlichen Rüstungsexport-Bericht vorzulegen.
Doch was geschah? Kein Aufbäumen der Presse und der Öffentlichkeit über die meist jährlich höheren Exportzahlen, sondern eine stille Kenntnisnahme. In den letzten Jahren sogar ohne Befassung des Parlaments. Rüstungsexporte waren und sind kaum noch ein Thema. Dies sicherlich auch, weil Deutschland seit einigen Jahren nicht nur Waffen exportiert, sondern - seit Antritt einer SPD/Grünen-Regierung - selbst Soldaten in Kriege schickt. Da ist die bloße Ausrüstung von Kriegen mit den dafür benötigen Geräten, also mit Waffen und Kriegsgerät, fast schon zur Banalität geworden.
U-Boote für Pakistan, aber keine Zeit für Debatte
Irgend einen Grund muss es doch haben, dass die Rüstungsexportberichte der Bundesregierung für die Jahre 2004 bis 2006 erst am Donnerstagabend im Zusammenhang mit einer Großen Anfrage der Grünen zum Export von U-Booten nach Pakistan diskutiert wurden. Insgesamt eine halbe Stunde ließ sich das Parlament dafür Zeit. Diese Debattenlänge wäre auch als Mindestzeit alleine für die Debatte der Großen Anfrage gewesen.
Der Grüne Winfried Nachtwei problematisierte den Umstand, dass nicht etwa die Bundesregierung oder die sie tragende Große Koalition das Thema auf die Tagesordnung gesetzt hatte, sondern mit den Grünen eine der Oppositionsfraktionen. In der weiteren Debatte gestand der CDU-Abgeordnete Erich Fritz, es sei ein „großer Mangel, dass nur einmal im Parlament über einen Rüstungsexportbericht diskutiert wurde -und zwar im September des darauf folgenden Jahres – über den Rüstungsexportbericht 2000, dass die Berichte danach immer später veröffentlicht wurden und letztlich das Parlament gar nicht mehr erreicht haben...“
Der CDU-Abgeordnete Fritz fand es selbst immerhin „störend“, dass die Exportzahlen für 2007 auch dieses Mal wieder als erstes von den Kirchen, also der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE), vorgelegt wurden – und nicht von der Bundesregierung. Er richtete den Appell an seine Regierung, künftig zeitnaher zu berichten, keine Angst vor Transparenz haben.
Übrigens: dem Entschließungsantrag der Grünen, keine U-Boote an Pakistan zu liefern, stimmten neben den Grünen als Antragstellern nur die Fraktion der Linken sowie Ottmar Schreiner als einziger SPD-Abgeordneter zu. Alle anderen Abgeordneten finden es offenbar eine gute Idee, Kriegsmaterial an das Krisengebiet zu verkaufen.