Rüstungsunternehmer im Super-Zyklus
Das wehrtechnische Geschäft profitiert von einer weltweit hohen Nachfrage und von der Krimkrise 2014. Rheinmetall hat prall gefüllte Auftragsbücher; nur Frankreich ärgert sich
Die Warnungen vor einer Rezession häufen sich allüberall - nicht so bei der Rüstungsindustrie. Im "wehrtechnischen Geschäft" freut man sich über eine weltweit hohe Nachfrage. Der Vorstandsvorsitzende von Rheinmetall, Armin Papperger, bilanziert ein Rekordjahr 2019 und spricht von einem "Super-Zyklus".
Mit prall gefüllten Auftragsbüchern, deren Bestand erstmals die Marke von 10 Milliarden Euro überschritten habe, könne das Unternehmen zuversichtlich in die nahe Zukunft schauen, heißt es zur Rheinmetall-Bilanz, die von einer "deutlich erhöhten Profitabilität in der Rüstungssparte" berichtet. Der Umsatz im Bereich "Defence" ist um 9,4 Prozent gestiegen. Er betrug 3,52 Milliarden Euro. "Das operative Ergebnis wurde sogar um 35 Prozent auf 343 Millionen Euro übertroffen."
Putin und der dringende Nachholbedarf
Der Vorstandsvorsitzende erklärt den Ursprung des Superzyklus mit dem "dringenden Nachholbedarf in der militärischen Beschaffung", wovon sein Unternehmen als international agierender Systemanbieter profitiert habe. Einen interessanten Zusatz liefert der Bericht der Welt dazu: Dort wird die Budgetsteigerung auf dem Rüstungsmarkt mit der "Krim-Krise" 2014 datiert.
Das Bild, das man sich von Putins Russland macht, spiegelt sich in den prall gefüllten Auftragsbüchern der Rüstungsunternehmen. Wer in den Auftragsbüchern genau als Kunde aufgeführt ist, wird nicht verraten. Das "wehrtechnische Geschäft" ist diskret. Überraschungen gibt es erst immer später. Etwa wenn Leopard-Panzer die Sache des syrischen Dschihad unterstützen.
Trump und die Aufträge an die Bundeswehr
Im Fall von Rheinmetall wird allerdings schon auf einen Kunden verwiesen, der glänzende Geschäfte verspricht und im Namen der nationalen Sicherheit handelt: die Bundeswehr. Die von Trump, verstärkt von seinem vormaligen Botschafter in Deutschland, Grenell, insistierend angemahnte Aufstockung des Wehrhaushalts wird auch Rheinmetall beglücken.
Sollte sich das Verteidigungsbudget bis 2024 auf 1,5 Prozent des BIP erhöhen, würde das die jährlichen Aufrüstungsausgaben auf eine Summe zwischen acht und zwölf Milliarden Euro erhöhen. Rheinmetall verspricht sich davon 20 bis 25 Prozent, so der Zeitungsbericht. Insbesondere von der Munitionsbeschaffung, wo das Unternehmen einen Marktanteil von 35 Prozent haben soll. Gutes Geld verspricht man sich aus einem Rahmenvertrag mit der Bundeswehr über "sagenhafte 10.000 bis 20.000 Militär-Lkw" (Die Welt), geliefert werden sollen sie im Zeitraum von 2018 bis 2027. Das Auftragsvolumen wird auf drei bis sechs Milliarden Euro geschätzt.
Im vergangenen Jahr liefen die großen Geschäfte woanders: Hauptsächlich in Australien, wohin Rheinmetall 211 Boxer-Transportpanzer im Wert von mehr als zwei Milliarden Euro verkaufte. Ein Großauftrag zur Lieferung des Boxer aus Großbritannien wird noch gemeldet sowie ein weiterer Großauftrag für Leopard-Panzer in Ungarn.
Umgehung des Export-Stopps?
Weggefallen sind laut den genannten Darstellungen Geschäfte mit Saudi-Arabien und der Türkei, was der Konzern auch an der Börse spürte. Die italienische Regierung habe im Juli 2019 Lieferungen der Rheinmetall-Tochter RWM Italia nach Saudi-Arabien einen Riegel vorgeschoben, der für 18 Monate gilt, und Berlin stoppte bestimmte Rüstungsgeschäfte mit der Türkei nach deren Invasion in Nordsyrien Anfang Oktober.
Für Außenstehende ist die Lage allerdings undurchsichtig. So hieß es einerseits trotz des Stopps von Waffenlieferungen an die Türkei im Oktober 2019, dass die "Waffenexporte in die Türkei boomen". Die Meldung dazu kam nicht von linksextremen, misstrauischen Pazifisten, sondern von der Tagesschau.
Anderseits gibt es wohl nicht nur "relativ kleine Tricks", um solche Beschränkungen zu umgehen. Darauf macht prinzipiell auch die oben genannte Rheinmetall-Tochter in Italien aufmerksam. In der Türkei stieg Rheinmetall beim türkischen Fahrzeugbaukonzern BMC ein, um sich "am Bau des türkischen Kampfpanzers Altay zu beteiligen".
Laut Informationen der FAZ scheiterte das Gemeinschaftsunternehmen jedoch an den Exportbeschränkungen. Das gelte auch für die Modernisierung des Leopard 2. Der Konzern soll eine größeren Kanone für den Leopard-Panzer entwickelt haben. Doch eine Exportgenehmigung des heiklen Projekts liege weiter auf Eis, so die FAZ.
Was Saudi-Arabien betrifft, so entscheidet die Bundesregierung Ende März darüber, ob der Waffenexport-Stopp weiter verlängert wird.
Saudi-Arabien: Frankreich ist "aus dem Spiel"
Interessant ist hier, wie sich das "Wetter" ändern kann. Man erinnert sich: Die Bundesregierung erließ den Waffenexportstopp nach dem Mordfall Khashoggi, für den Saudi-Arabien verantwortlich ist. Nach der Diskussion und den Vorwürfen gegen den Krieg, den Saudi-Arabien im Jemen führt und damit auch für die dortigen humanitären Katastrophen mitverantwortlich ist, war der Mord an dem Kritiker der Politik des saudischen Kronprinzen das ausschlaggebende Moment für eine Entscheidung, die man sich zuvor nicht getraut hat.
Damals kritisierte der französische Präsident Macron die Haltung der Regierung Merkel (Macron: "Wenn Sanktionen gegen Saudi-Arabien, dann auch Stopp des Autoverkaufs"). Aus Paris kamen andere Signale an die Führung in Riad.
Nun zeigt sich aber, dass sich diese nicht in Geschäften niederschlagen. Es wäre möglich, dass sich an der Gegnerschaft zum deutschen Waffenexportstopp etwas ändert, zumindest intern. Denn in der französischen Zeitung La Tribune wird nun heftig beklagt, dass Frankreich bei Waffengeschäften mit Saudi-Arabien "aus dem Spiel sei".
Die Führung unter Mohammed Bin Salman tendiere zu Waffen aus anderen Ländern und ganz vorne stehe dabei Deutschland. Dabei verweist der französische Artikel unter anderem auf das Drängen des neuen saudischen Außenministers Prinz Faisal bin Farhan al-Saud. Dieser erklärte vor gut zwei Wochen gegenüber der dpa, dass er von der Bundesregierung die Aufhebung des Rüstungsexportstopps erwarte.
Wir hoffen, dass Deutschland versteht, dass wir die Mittel brauchen, um uns zu verteidigen.
Prinz Faisal bin Farhan al-Saud
Faisal bin Farhan al-Saud war zuvor Botschafter in Deutschland, er verfügt über gute Kontakte in der Rüstungsindustrie - er kam 2017 in den Vorstand des damals neugegründeten staatlichen Rüstungskonzerns Saudi Arabian Military Industries (SZ).
Ob die Regierung in Berlin von der Aufhebung der Exportbeschränkung zu überzeugen ist, hängt allerdings von einigem mehr ab. Dass Saudi-Arabien sich in der Öffentlichkeit mehr und mehr als arabisches Land auf der "Achse der Guten" (USA, Israel, GB) positioniert und dazu immer kleine schöne Häppchen von seinem Reformwillen im Inneren präsentiert, könnte u.U. zusammen mit wirtschaftlichen Gründen den Ausschlag in eine andere Richtung geben. Zudem hat ein Verwaltungsgericht im vergangenen Dezember gegen den Exportstopp und für die Interessen Rheinmetalls entschieden.
Frankreich könnte in diesem Fall jetzt auf der anderen Seite stehen und über eine Fortsetzung des Exportstopps größerer Rüstungsgüter - die nicht einem gemeinsamen französisch-deutschem Rüstungsprojekt zugehören - nicht unglücklich sein.
Davon unbeeindruckt bleibt der große "Super-Zyklus" für die Rüstungsunternehmer.