Rumänien vor christlicher Revolution?

Der Machtkampf in Rumänien könnte den Ultrarechten nutzen

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Während der erneute innenpolitische Machtkampf in der Ukraine die Schlagzeilen bestimmt, haben die Turbulenzen in der rumänischen Innenpolitik kaum Interesse geweckt. Am vergangenen Wochenende hat der rumänische Premier Calin Popescu Tariceanu die Koalition mit der rechtsliberalen Demokratischen Partei (PD) aufgelöst und eine Minderheitenregierung angekündigt. Die Regierungskrise ist das Ergebnis eines monatelang schwelenden Konfliktes zwischen dem nach französischem Vorbild starken rumänischen Präsidenten Traian Basescu und Ministerpräsident Calin Popescu Tariceanu, der sich auch fortsetzten wird.

Anders als in der Ukraine verkörpern die beiden Staatsinstitutionen allerdings keine diametral entgegen gesetzten politischen Vorstellungen. Vielmehr gehörten Präsident und Ministerpräsident zum bürgerlichen rumänischen Spektrum, das geeint war im Kampf gegen die rumänischen Sozialdemokraten, die als Nachfolgepartei von Ceausescus Nationalkommunisten noch bis 2004 die Regierung stellten. Damals waren die heutigen Kontrahenten Basescu und Calin Popescu Tariceanu noch vereint. Der Konflikt wird häufig als Machtkampf von zwei Männern hingestellt, die zu Kompromissen nicht fähig sind.

Außenpolitische Differenzen

Allerdings sind auch die politischen Differenzen vor allem in außenpolitischen Fragen nicht zu übersehen. So hat Basescu seine Demokratischen Partei, die anfangs Mitglied der Sozialistischen Internatonale war, immer weiter in das rechtskonservative Lager geführt, sich völlig der US-Außenpolitik angeschlossen und rumänische Truppen in den Irak entsandt. Bald war von der Achse Bukarest-London-Washington die Rede. Der Ministerpräsident hingegen wollte eher auf Distanz zu den USA bleiben und sucht jetzt Unterstützung für sein Minderheitenkabinett bei den bisher oppositionellen Sozialdemokraten und Ultrarechten.

In den letzten Monaten ist fast jede politische Frage zu einer Kontroverse zwischen Präsident und Premier geworden. So stritten sie sich heftig über den Termin der Europawahlen. Während sich der Präsident als guter Europäer gerierte und an dem ursprünglich vereinbarten Termin, den 13. Mai, festhielt, beantragte der Premier eine Verschiebung. Die innenpolitischen Kontroversen hätten die Fragen der Europapolitik überlagert, lautete seine Begründung. In dieser Kontroverse hat er dem Präsidenten die Teilnahme an Kabinettssitzungen untersagt, die das Staatsoberhaupt nach der Verfassung sogar leiten darf, wenn es um außenpolitische Fragen geht. Basescu beschuldigte den Premier daraufhin öffentlich, „seine Verachtung für die Bürger Rumäniens hat jedes in einer Demokratie erträgliche Maß überschritten".

Rechte im Aufwind

Diese Schlammschlacht an der Spitze der staatlichen Institutionen könnte vor allem die Ultrarechten stärken. Dabei hat die offen antisemitische und rassistische Großrumänische Partei Partidul Popular Romania Mare von Corneliu Vadim Tudor, der es bei der Präsidentenwahl 2000 in die Stichwahl schaffte, aber seinen sozialdemokratischen Konkurrenten unterlag, Konkurrenz bekommen.

Mit Gigi Becali und seiner Partei der Generationen ist zur Zeit ein vorzeigbarer Ultrarechter im Aufwind. Der Unternehmer und Eigentümer eines Fußballvereines erscheint vielen als eine bigotte Kopie des italienischen Medienmoguls Berlusconi. Becalis Wahlspruch lautet "Im Dienste des Kreuzes und des Volkes". Er verspricht eine christliche Revolution, sieht sich als Moses, der die Rumänen in das „gelobte Land" führt und bedient ansonsten einen hemmungslosen Populismus. Damit hat er es nach Meinungsumfragen schon auf fast 40 % Zustimmung gebracht. Jetzt befürchten Menschenrechtler, dass eine Stärkung dieser ultrarechten Kräfte mit einem weiteren Anwachsen von Antisemitismus sowie der Diskriminierung von sexuellen und ethischen Minderheiten in Rumänien verbunden sein könnte.

Das Land machte schon in den letzten Zeit Schlagzeilen durch geschichtsrevisionistische Tendenzen. So wollte der rumänische Generalstaatsanwalt Sorin Moisescu sechs Minister der pronazistischen Antonescu-Regierung rehabilitieren, die an der Deportation von Juden während der NS-Zeit beteiligt waren.