Rundfunkbeitrag im Fokus: Kommt die Erhöhung?
Die Warnung des Medienrechtlers Dörr und die Nein-Sager unter den Bundesländern: Deutschland am Scheideweg der Rundfunkfinanzierung. Insider erwarten Showdown.
Die Debatte um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags in Deutschland gewinnt an Schärfe. Der namhafte Medienrechtler Dieter Dörr betont in seinem Vortrag über Schwierigkeiten und Aussichten der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (medienpolitik.net, die rechtliche Verpflichtung der Bundesländer, den Vorschlag der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) umzusetzen.
Die KEF schlug eine Beitragsanpassung um 0,58 Euro vor, doch politische Widerstände und bevorstehende Landtagswahlen könnten die Umsetzung verzögern oder gar verhindern.
Zuletzt wurde aus den Reihen der Länder, die die Erhöhung ablehnen, der Versuch laut, die Erhöhung mit einem Trick zu umgehen: Man zögert die Unterschrift für einen neuen Staatsvertrag hinaus und pocht auf ein Sondergutachten.
Beibehaltung des bisherigen Rundfunkbeitrags theoretisch möglich
Es war Dörr, der Ende Januar in der FAZ damit zitiert wurde, dass das Ziel der Nein-Länder theoretisch zu erreichen wäre:
Wenn der Vorschlag der KEF, den Rundfunkbeitrag ab 2025 zu erhöhen, von den Ländern nicht aufgegriffen und kein neuer Finanzierungsstaatsvertrag geschlossen wird und die Anstalten nicht gegen diese Untätigkeit beim Bundesverfassungsgericht klagen sollten, bleibt der gegenwärtige Beitrag von 18,36 Euro weiter bestehen.
Steigt der Rundfunkbeitrag doch nicht?, Faz
Drohendes Szenario für Deutschland
In seinem jetzigen Vortrag betont Dörr die Richtlinien der Verfassung und vergleicht die Situation mit einem historischen Ereignis in den USA, als Präsident Andrew Jackson (Amtszeit 1829-1837) ein Urteil des Supreme Courts ignorierte und dies jahrzehntelang eine "schreckliche Rechtsprechung des Gerichts für die Native Americans" zur Folge hatte.
Er warnt:
Auch die Aushöhlung der unabhängigen Gerichtsbarkeit in Polen begann mit einer Missachtung zweier Entscheidungen des noch in ursprünglicher Besetzung agierenden Verfassungsgerichts.
Die Funktionsfähigkeit unseres Staatswesens mit der im Grundgesetz verankerten Verfassungsgerichtsbarkeit beruht demnach auf der ganz selbstverständlichen Erwartung, dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts respektiert und umgesetzt werden.
Dieter Dörr
Ein ähnliches Szenario drohe nun in Deutschland, so Dörr, falls die Länder die Erhöhung des Rundfunkbeitrags nicht fristgerecht beschließen.
Es bestehe die Gefahr rechtlicher Auseinandersetzungen, da die öffentlich-rechtlichen Anstalten das Bundesverfassungsgericht anrufen könnten, um die Beitragserhöhung einzufordern.
Sender brauchen Geld: Gang zum Verfassungsgericht
Die finanzielle Lage einiger Rundfunkanstalten, wie des Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), unterstreicht die Dringlichkeit der Situation. Die Anstalten könnten möglicherweise keine Beitragsanpassung für 2025 erwarten, wie RBB-Intendantin Ulrike Demmer im "Medienmagazin" des RBB andeutete.
Der Medien-Dienst Altpapier berichtet, dass trotz der Hoffnung, die Sender würden nicht vor das Verfassungsgericht ziehen, der MDR-Intendant Ralf Ludwig bereits ankündigte, diesen Schritt zu gehen, falls die Erhöhung ausbleibt.
Die Rolle der KEF
In diesem dynamischen Umfeld wird auch die Rolle der KEF diskutiert. Der Zukunftsrat plädiert für ein neues Finanzierungsverfahren, das die Finanzierung nach der Auftragserfüllung richtet, was jedoch laut Dörr praktisch nicht umsetzbar und verfassungsrechtlich problematisch sei.
Der Vorschlag stehe nach seiner Auffassung im Widerspruch zur bisherigen Praxis und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur funktionsgerechten Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Der Zukunftsratsvorschlag für neues ÖRR-Finanzierungsverfahren gemäß erbrachter Leistung, also im Nachhinein, aufgrund der "vollständigen Erfüllung ihres Auftrages", sei nicht praktikabel.
Dazu soll der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nachgeschärft werden. Nun ist die Forderung nach einer Schärfung des Auftrages keineswegs neu, sondern war und ist Gegenstand zahlreicher Beiträge und beschäftigte bzw. beschäftigt die Medienpolitik seit geraumer Zeit. Allerdings sind die Vorschläge des Zukunftsrats schon durch die Bestimmung des § 26 Abs. 1 MStV in der Fassung des Dritten Medienänderungsstaatsvertrages, der am 1.7.2023 in Kraft getreten ist, nahezu vollständig umgesetzt. (…)
Was also der Zukunftsrat insoweit für die Zukunft empfiehlt, ist bereits jetzt weitgehend geltendes Recht. Mit einem so geschärften Auftrag lässt sich aber auch von einer neu zusammengesetzten KEF in keinem Fall feststellen, wieweit dieser Auftrag (80 %, 90 % oder 100 %) erfüllt wurde. Der Vorschlag ist also schlichtweg nicht praktikabel.
Es liegt zudem erkennbar neben den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur funktionsgerechten Finanzierung, wenn der Zukunftsrat die Finanzierung ex post von dem Ausmaß der Erfüllung des Auftrags abhängig machen will.
Schließlich läuft das Ganze auf eine Programmkontrolle hinaus und ist schon wegen der in der Rundfunkfreiheit verankerten Programmautonomie mit der Verfassung nicht vereinbar.
Dieter Dörr
Die Herausforderung für die öffentlich-rechtlichen Sender werde durch die Digitalisierung und veränderte Mediennutzung besonders komplex. Insbesondere jüngere Menschen unter 30 Jahren wenden sich verstärkt alternativen Angeboten zu und nutzen weniger die klassischen Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
"Shootout-Showdown" zwischen ÖRR-Sendern und Ländern?
Für die Frage, die die Debatte durchzieht, ob und in welchem Umfang der öffentlich-rechtliche Rundfunk noch verfassungsrechtlich notwendig ist und wie seine Finanzierung künftig gestaltet werden soll, hat der Medienrechtler prinzipielle Richtlinien aufgestellt. Auf einem anderen Blatt steht, wie sich die Diskussion in der Öffentlichkeit weiterentwickeln wird.
Der Altpapier-Kolumnist Christian Bartels erwartet einen "Shootout-Showdown" zwischen den ÖRR-Sendern und Ländern, da Dörr "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" davon ausgehe, "dass die Bundesländer das komplizierte Procedere für solch eine Beitragserhöhung in der vorgeschriebenen Frist, nämlich innerhalb dieses Jahres, nicht mehr in Gang setzen werden".
Die Debatte spiegelt nicht nur eine finanzielle Krise wider, sondern auch einen Kampf um die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland. Die Entscheidungen der nächsten Monate werden zeigen, ob und wie die Erhöhung des Rundfunkbeitrags realisiert wird und welche Rolle der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der modernen Medienlandschaft spielen wird.