Russiagate, Trump und "deep state": Kampf um Geheimdienstinformationen über Russland
Donald Trump will sie veröffentlichen, um zu demonstrieren, dass Russland ihn 2016 nicht unterstützt hat, Pentagon und Geheimdienste blockieren. Regierungsbehörde bestätigt, kein russischer Einfluss auf die Wahl und auch kein Wahlbetrug
Hunderttausende hätten sich am Samstag in Washington versammelt, schrieb der noch amtierende Präsident Donald Trump erfreut, räumte aber später ein, es seien "Zehntausende" gewesen. Kayleigh McEnany, die Sprecherin des Weißen Hauses, überschlug sich gleich im Querdenker-Stil und verkündete, "mehr als eine Million" wären aufmarschiert. Trump tauchte auch kurz auf, um sich seinen in der Regel maskenlosen Fans zu zeigen, wenn auch nur aus dem gepanzerten Fahrzeug heraus, möglicherweise auf dem Weg zum Golfplatz.
New York Times, Washington Post und andere Anti-Trump-Medien sprachen von "Tausenden" von Teilnehmern, andere wie USA Today von Zehntausenden. FoxNews, bis vor kurzem Trumps Lieblingssender, titelte ebenso mit "Tausenden" und gab im Artikel 10.000 an. Wie viele genau teilgenommen haben, ist nicht zu ermitteln, schaut man sich die Bilder an, könnte es eine niedrige fünfstellige Zahl gewesen sein, mithin deutlich weniger als die Massen, die sich Trump erhofft hatte, was auch zeigt, dass sein Rückhalt in der Bevölkerung schwindet. Wie immer beschimpfte Trump die Medien, einschließlich FoxNews:
FoxNews und die Fake News Networks zeigen nicht diese massiven Versammlungen. Sie lassen hingegen ihre Reporter in fast leeren Straßen stehen. Wir haben nun UNTERDRÜCKUNG DURCH DIE PRESSE. MAGA!
Donald Trump
Trump hat sich zunehmend kleineren rechten Medien wie Breitbart, Worldnetdaily, Newsmax oder One America News zugewandt und soll erwägen, selbst einen Sender zu eröffnen, der ihm weiter den Zugang zu den Massen über Tweet-Länge hinaus ermöglichen würde. Überdies beschweren sich Trump und die rechten Medien darüber, dass teils brutale Angriffe von Gegendemonstranten auf Trumpanhänger wie hier nicht erwähnt worden seien (was nur teilweise stimmt). Das veranlasste Trump zu dem Kommentar: "Human Radical Left garbage did this.". Und er schloss an: "Die schweigenden Medien sind die Feinde des Volkes."
Aufgerufen worden war zu einem großen Million-MAGA-Protest (auch "March for Trump" oder " Stop the Steal") in der Hauptstadt, um Trump in seinem Kampf gegen die Wahlergebnisse zu unterstützen, die er und seine Anhänger als "gestohlen" oder gefälscht bezeichnen. Trump weigert sich noch immer einzugestehen, dass Biden/Harris nach allem, was bislang bekannt ist, die Wahl gewonnen haben, und Vorbereitungen zum Auszug aus dem Weißen Haus zu treffen. Die Wahl ist für ihn noch nicht vorbei, was er wirklich vorhat, ist weiterhin rätselhaft. Aber er bleibt dabei: "RIGGED ELECTION. WE WILL WIN!"
Im Kampf mit dem Pentagon und den Geheimdiensten
Für Aufsehen sorgte, dass Trump noch schnell Verteidigungsminister Esper entließ, er soll auch den NSA-Chef und die CIA-Direktorin feuern wollen. Dabei könnte es nicht nur darum gehen, den Sicherheits- und Verteidigungsapparat im Streit um die Wahlergebnisse auf seine Seite zu ziehen. Misstrauisch wurde man bereits als Trump erwog, den Insurrection Act zum Einsatz des Militärs im Inneren zu verwenden. Das hatte zu Kritik von Esper und zahlreichen früheren Verteidigungsministern und Generälen geführt. Es dürfte vor allem darum gehen, dass Trump die Geheimdienstinformationen zu "Russiagate" veröffentlichen will, um zu demonstrieren, dass Trump bei der Wahl 2016 nicht von Russland unterstützt wurde, wie die Washington Post berichtete.
Der ehemalige CIA-Direktor John Brennan - und ausgesprochene Trump-Gegner - warnte inständig vor einer Freigabe der Geheimdienstinformationen über Russland für dessen politische Interessen. Nach der Washington Post hätten Trump hohe Geheimdienstmitarbeiter und Militärs davor gewarnt, weil das die Methoden offenbaren und wichtige Alliierte brüskieren könne. CIA-Direktorin Haspel und NSA-Direktor Nakasone haben sich auch gegen die Veröffentlichung gewandt. Esper hat sich dabei hinter Nakasone gestellt. In der NSA hat Trump Mike Ellis gerade zum Leiter der Rechtsabteilung ernannt, im Pentagon hat er den wichtigen Posten für Verteidigungspolitik mit einem Getreuen besetzt.
Bei ungezählten Lügen, alternativen Fakten und Verdrehungen aus dem Trump-Lager trifft Russiagate, also etwa der angebliche Versuch, von Russland beauftrage Hacker hätten den DNC-Server gehackt und die Emails an WikiLeaks weitergereicht, um Trump zu unterstützen, einen wunden Punkt. Es war Teil des Anti-Trump-Narrativs, das Politiker der Demokraten und Medien verbreiteten, Trump selbst sprach von "Hexenjagd", womit er womöglich recht hatte. Das kann man sagen, auch wenn man Trump-Kritiker ist, aber Zwischentöne sind derzeit immer weniger möglich und werden zerrieben zwischen den Frontstellungen.
Das Anti-Trump- und Anti-Russland-Narrativ
2016 hatten die US-Geheimdienste ein von Trump-Gegnern, vielleicht Super-PACs, in Auftrag gegebenes Dossier, das der britische Ex-Geheimdienstagent Steele zusammenstellte, kurz vor dem Amtsantritt von Trump als "explosiv" bezeichnet. Inhalt waren skurrile Geschichten, behauptet wurde, dass Russland "kompromittierende persönliche und finanzielle Informationen über Trump" besitze. Vorsorglich wurden Teile an Buzzfeed geleakt (Trump, die Russen und goldene Duschen).
Die Stories aus dem Dossier zirkulierten schon länger. Das war einer der Anlässe, stets weiter an einer Art Verschwörung zwischen dem Trump-Lager und Putin/Russland zu stricken, worin sich vor allem demokratische Politiker, die Geheimdienste und Trump-feindliche Medien hervortaten. Gemündet ist dies in den Versuch der Amtsenthebung und den aufwendigen Untersuchungen des Sonderermittlers Mueller, die aber zu nichts führten. Erst vor kurzem stellte sich heraus, dass es keine Beweise dafür gibt, dass russische Hacker die Emails entwendet haben, vielleicht war die Weitergabe der Emails, die Hilary Clinton wirklich geschadet haben, auch ein Insider-Job (Warnungen vor russischen Hackern, die "fast sicher" russischen Geheimdiensten angehören.
Auch vor der Wahl versuchten die Geheimdienste, erneut vor russischen Hackern und Desinformationskampagnen zu warnen, die angeblich von Putin selbst gesteuert würden (US-Geheimdienstbericht: Putin soll Beeinflussungskampagne der US-Präsidentschaftswahl steuern). Es geht vermutlich seit 2016 darum, den Konflikt mit der Atommacht Russland und damit die Aufrüstung gegen den neuen alten Feind aufrechtzuhalten, während für die US-Sicherheitsstrategie natürlich China immer stärker ins Zentrum rückt. Dahinter steht, was Trump nahestehende Kreise den "deep state" nennen, früher hätte man vom Militärisch-industrieller Komplex gesprochen, zu denen nicht nur Politiker, das Militär und die Rüstungsindustrie gehört, sondern auch Lobbyorganisationen, gerne "think tanks" genannt, Vertreter von Universitäten, die aus dem Pentagon Gelder erhalten, der gewaltige Geheimdienstapparat und die Sicherheitsindustrie.
Die "sicherste Wahl in der amerikanischen Geschichte"
Nach der Wahl bestätigte Christopher Krebs, Direktor der von Trump 2018 eingerichteten Cybersecurity and Infrastructure Security Agency (CISA), dass es keine russische oder anderweitig ausländische Beeinflussung der Wahl gegeben habe, wie dies die Geheimdienste prophezeit hatten: "Wir haben keine Beweise, dass ein ausländischer Gegner die Amerikaner am Wählen hindern oder Wahlergebnisse manipulieren konnte." Das hätte man noch als Schachzug des Weißen Hauses nehmen können (Amtlich bestätigt: Keine russische Beeinflussung des Wahlergebnisses).
Aber CISA machte einen weiteren Schritt, der Trump auf die Palme brachte. Die Behörde erklärte als Teil des Election Infrastructure Government Coordinating Council (GCC) in einer gemeinsamen Mitteilung: "Die Wahl am 3. November war die sicherste in der amerikanischen Geschichte. … Es gibt keinen Hinweis, dass eines der Wahlsysteme Stimmen löschte oder verlor, sie veränderte oder auf andere Weise komprimittierte." Gab es vorher einen Schlag ins Gesicht der Geheimdienste und deren Interessen, wagte man einen zentralen Angriff auf Trumps Versuch, sich an die Macht mit der Behauptung zu klammern, dass die Wahl "gestohlen" worden seien und er in Wirklichkeit gewonnen habe.
Erzürnt wandte sich Trump an den amtierenden, aber nicht vom Kongress bestätigten Heimatschutzminister Chad Wolf, den unbotmäßigen Christopher Krebs rauszuschmeißen, der sich aber bislang weigert, noch ist Krebs überraschend im Amt. Krebs hatte auch eine Webseite "Rumor Control" eingerichtet, auf der er vor allem von Trump-Anhängern verbreitete Gerüchte über Manipulationen entlarvte.
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