Russische "Trollfabrik" wurde vor Gericht verurteilt

Die "Internet Research Agency" muss der ehemaligen Mitarbeiterin Lyudmila Savchuk den geforderten einen Rubel für entstandenen "moralischen Schaden" zahlen

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Die berüchtigte "Trollfabrik" in St. Petersburg, wo einige hundert Angestellte in 12 Stunden Schichten damit beschäftigt sein sollen, das Internet mit Moskau-freundlichen Kommentaren zu versehen - was nebenbei auch britische Geheimdienste machen (Top Secret: Die Lizenz zum Täuschen) und auf der anderen Seite des Atlantiks praktiziert wird. Aber die Trollfabrik ist im Westen auch deswegen ein beliebtes Thema, weil so ganz offiziell Gelder für die Gegenpropaganda fließen können.

Die unter dem Namen International Research Agency auftretende Firma soll nach einem Bericht der Novaya Gazeta von Evgeny Prigozhin, angeblich ein Freund Putins, finanziert werden, ob im Auftrag oder in Duldung des Kreml ist nicht klar. Die Angestellten, so heißt es, würden ihre Identität und vor allem die IP-Adressen verbergen und erhielten täglich Anweisungen, welche Meinungen sie verbreiten sollen. Die New York Times beschuldigte die Firma unlängst, auch aufwendig inszenierte Fake-Kampagnen zu orchestieren, beispielsweise durch Verbreitung von "Nachrichten" und Warnungen im vergangenen September, dass aus einer chemischen Fabrik in Columbia giftiger Rauch entweiche oder eine explodiert sei.

Bekannt wurde die 34-jährige Lyudmila Savchuk, die in der Propagandafirma zwei Monate gearbeitet und dann gekündigt wurde, weil sie mit Journalisten gesprochen habe, obgleich sie ein Schweigeabkommen unterschrieben hatte. Schließlich ging Savchuk mit vollem Namen in die Öffentlichkeit, um die Arbeit der Trollfabrik aufzudecken. Während der Arbeit hatte sie, die zuvor als Umweltaktivistin tätig war, Dokumente kopiert und ein Video gedreht. Mit der Gruppe Information Peace will sie erreichen, dass die Propagandafirma geschlossen wird. Das ist etwa so, als würde Snowden mit seinen Leaks erreichen wollen, dass die NSA geschlossen wird. Die Firma behauptet, sie betreibe Marktforschung und habe nichts mit bezahlten Kommentaren zu tun.

Lyudmila Savchuk nach dem Gerichtsentscheid. Bild: Komanda 29

Nach Savchuk erhalten die russischen Trolle bis zu 900 Euro im Monat, was einem Professorengehalt entspricht. Sie hatte 41.000 Rubel (560 Euro) erhalten. Dafür müssen die Angestellten ein gewisses Soll täglich an Postings auf russischen und ausländischen Seiten erfüllen. Im Mai hatte sie mit der Unterstützung des bekannten Menschenrechtsanwalts Ivan Pavlov gegen die Firma eine Anzeige gestellt. Sie warf dieser vor, die Arbeitsgesetze verletzt zu haben, weil sie keinen normalen Arbeitsvertrag erhalten hat. Zudem wurde sie immer mit Bargeld bezahlt, ihr letztes Monatsgehalt hatte sie nicht erhalten. Überdies verlangte sie Entschädigung für moralischen Schaden, der ihr entstanden sei, weil sie Texte gegen ihre Überzeugung schreiben musste. Dafür hatte sie symbolisch 1 Rubel festgesetzt.

Immerhin hat Savchuck, die vor Gericht von Anwälten der Menschenrechtsorganisation Komanda 29 vertreten wurde, den einen Rubel zugesprochen bekommen, wie Kommersant berichtete, was heißt, dass sie wegen der Verletzung ihrer Moral durch die Firma entschädigt wurde. Grund dafür dürfte nicht die Schadensersatzhöhe gewesen sein. Allerdings hat Savchuk nach eigenen Angaben den Job online gefunden, als Beschreibung war angegeben worden, dass die Angestellten über ein bestimmtes Thema online etwas schreiben müssen.

Savchuk hat mit der seit 23. Juni laufenden Gerichtsverhandlung erreicht, dass die Trollfabrik und ihre Funktion wieder international Aufmerksamkeit finden, aber sie hat auch der russischen Rechtsprechung geholfen, ihre Unabhängigkeit zu demonstrieren, die sonst oft in Frage gestellt wird. Savchuk und Komanda 29 feiern das Urteil als Sieg, auch wenn über die arbeitsrechtlichen Angelegenheiten erst später entschieden wird, aber der erste Sieg ist wohl zumindest doppelbödig. Schließlich durfte sie eben nicht nur von der Trollfabrik berichten, sondern bekam jetzt auch noch Recht. Das werden Kritiker darauf zurückführen, dass Moskau sich in diesem Fall strategisch zurückhalten wollte, um das Thema der Beeinflussung der Meinung nicht weiter hochzuspülen.

Komanda 29 will nun erreichen, dass interne Dokumente veröffentlicht werden müssen. Damit soll das Innenleben der Firma aufgedeckt werden, auch um prüfen zu können, ob diese ordnungsgemäß Steuern zahlt. Die Firma hatte bei der ersten Sitzung offenbar angeboten, in einem Vergleich neben dem ausstehenden Gehalt eine Entschädigung von 10.000 Rubel zu bezahlen, einen Arbeitsvertrag zu schließen und sie wieder einzustellen. Das wurde vom Anwalt von Savchuk abgelehnt.