Russisches Echo auf deutsche Panzerlieferung: Déjà-vus durch "Geparden"

An den "Tiger" aus dem Zweiten Weltkrieg denken viele Russen, wenn auch heute deutsche Panzer die Namen von Raubkatzen tragen. Foto: Rama / CC-BY-SA-2.0-FR

In Russland werden neben massiver Kritik an der deutschen Waffenlieferung an die Ukraine auch die innenpolitischen Hintergründe bewertet

Dass Kommentare zu deutschen Panzerlieferungen an die Ukraine aus der russischen Politik äußerst hart werden würden, daran bestand kein Zweifel. Der russische Ex-Premier Dmitrij Medwedjew stellte dann auch gleich in seinem Telegram-Kanal den Deutschen Bundestag in die Tradition des Nationalsozialismus.

Deutsche Panzer im gegnerischen Lager sind in Russland aus eigener historischer Erfahrung ein besonderes Reizthema. Die größte Panzerschlacht der Weltgeschichte fand schließlich zwischen deutschen und russischen Panzern vor rund 80 Jahren im westrussischen Kursk statt. Auch wenn der Invasor damals Nazideutschland und nicht – wie in der Ukraine – Russland hieß.

Jedem Russen sind die Tötungsmaschinen deutscher Produktion unter Raubkatzennamen wie "Tiger" oder "Panther" ein Begriff – aus dort beliebten Filmen oder dem Geschichtsunterricht – und der "Gepard" reiht sich nahtlos in diese Namenstradition ein, auch wenn es sich hier um ein Flugabwehrsystem handelt.

Selbst der von Präsident Wladimir Putin aufgrund seiner Kriegsgegnerschaft entlassene Berater Alexei Gromyko, Enkel des früheren sowjetischen Außenministers, gibt gegenüber der Berliner Zeitung zu, dass sich diese Parallele zum Zweiten Weltkrieg aus russischer Sicht aufdrängt.

Noch interessanter als die abzusehenden Stellungnahmen der Moskauer Politiker sind die Analysen der dortigen Experten. Sie versuchen für namhafte Zeitungen der russischen Bevölkerung zu erklären, wie es zum deutsch-ukrainischen Panzerdeal kam. Dieses Thema genießt große Aufmerksamkeit – als Kolumnist der führenden Zeitung Kommersant meint Dmitri Drise , bei Deutschland an eine „Schlüsselrolle in Europa“ zu erkennen – und beurteilt deshalb die erstmalige Lieferung schwerer Waffen von deutscher Seite als Wendepunkt im aktuellen Krieg.

"Egozentrischer" Friedrich Merz als treibende Kraft

Als treibende Kraft hinter der Gepard-Lieferung sieht die Politologin Maria Choroloskaja in der Zeitung Nesawisimaja Gaseta interessanterweise nicht den deutschen Bundeskanzler oder die Außenministerin, sondern den Oppositionsführer „von egozentrischer Natur“, Friedrich Merz. Dessen CDU setzt nach ihrer Auffassung die frühere Dialogbereitschaft der regierenden SPD mit Moskau als innenpolitische Waffe in Deutschland ein.

Um die Unterstützung von Kiew gehe es Merz dabei nicht wirklich, sondern um die Stärkung seiner eigenen Position im politischen Kampf. Auch Artjom Sokolow, Europa-Fachmann der Moskauer Elite-Universität MGIMO, betrachtet laut der Onlinezeitung Gazeta.ru die Panzerlieferung als Kompromiss zwischen der SPD und der CDU, um diese Auseinandersetzung zu beenden.

Dabei genieße Merz nach der Auffassung von Choroloskaja die Unterstützung der deutschen Rüstungsindustrie, die für sie zum Unterstützerkreis der CDU zähle. Zusätzlich hätten die Koalitionspartner der SPD, Grüne und FDP, zahlreiche Befürworter schwerer Waffenlieferungen in ihren Reihen. Auch die Rossikaja Gaseta wertet die deutschen Waffenlieferungen als Zugeständnis des Kanzlers, der sonst einen "vorsichtigen Umgang mit solchen Themen" pflege, an die kleineren Koalitionspartner.

Dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nur unter Druck Panzer in den Ukraine-Krieg liefert, glaubt auch der führende russische Deutschlandexperte Wladislaw Below von der Russischen Akademie der Wissenschaften. In der Gazeta.ru nennt er als Quelle dieses Drucks jedoch neben der CDU-Opposition ebenso die Grünen. Die Kombination aus Druck der Opposition und Uneinigkeit im Regierungslager ist laut Sokolow der entscheidende Faktor gewesen, diese in der deutschen Bevölkerung umstrittene Entscheidung zu treffen.

Keine entscheidende Veränderung der militärischen Verhältnisse

Auch die Kampfkraft der gelieferten Gepard-Panzer, die bald gegen die eigene Armee kämpfen werden, versuchen russische Fachleute natürlich zu bewerten. Andrej Frolow von der Fachzeitschrift "Arms Export" sieht durch die Geparden keine entscheidende Veränderung der Kräfteverhältnisse auf dem ukrainischen Schlachtfeld.

Zwar könne der Gepard gerade Drohnen zerstören und auch gegen Bodenziele eingesetzt werden. Jedoch sei das System eher veraltet und die ukrainische Armee habe mit dem Gerät keinerlei Einsatzerfahrung. So bringe der Gepard dem ukrainischen Kriegsgegner nach Frolows Meinung eher einen moralischen Auftrieb als einen militärischen Vorteil.

Allgemein gefürchteter wäre in Moskau eine Lieferung der ebenfalls in Diskussion stehenden Kampfpanzer Leopard 1, die der Prawda-Militärexperte Alexander Artamonow als modern, wenn auch nicht von der neuesten Generation einschätzt. Hier wäre nach seiner Auffassung die reale Unterstützung der ukrainischen Truppen jedoch nur zeitversetzt wirksam, da die Ausbildung der Soldaten zur Bedienung der Panzer sechs Monate in Anspruch nähme.

Artamonow glaubt auch nicht an eine Lieferung der Leopard-Panzer, da man nicht das kostspielige Modell in den „Ofen des Krieges“ werfen wolle. Artamonow spielt dabei darauf an, dass die Ukraine vom Westen bei schweren Waffen vor allem mit veraltetem Sowjetmaterial beliefert wird. Dieses haben einige östliche Nato-Staaten aus der Zeit des Kalten Krieges noch in Depots auf Halde stehen.

Eine weitere Verwendung ist dabei generell ungewiss und so fällt es den entsprechenden Ländern leicht, diese Fahrzeuge für den Einsatz im Ukraine-Krieg zu spenden. Das gilt insbesondere, wenn, wie im aktuellen Ringtausch Deutschlands mit Slowenien, abgegebenes Sowjetmaterial durch moderne deutsche Rüstungsware ersetzt wird. Bei hochmodernem Kriegsgerät ist dagegen ebenfalls zu bedenken, dass dieses im Falle eines russischen Sieges zukünftig von der Armee Russlands weiter genutzt werden könnte.