Russland-Affäre: Flynn-Anwältin dreht Spieß um
Sidney Powell wirft dem FBI Manipulation von Aussagen und Akten vor
Michael Flynn war kurzzeitig erster Nationaler Sicherheitsberater in der Administration von Donald Trump. Am 13. Februar 2017, nur 22 Tage nach seinem Amtsantritt, musste er seinen Hut nehmen, nachdem ihm das FBI ein Telefongespräch mit dem russischen Botschafter Sergei Kisljak vorwarf, über das er Donald Trumps Vizepräsidenten Mike Pence "ohne Absicht unvollständig informiert" hatte, wie er einräumen musste (vgl. USA: Rücktritt des Nationalen Sicherheitsberaters Flynn).
Auf dem russischen Portal RT hatte der mit der Arbeit von Geheimdiensten auch praktisch vertraute ehemalige Warschauer-Pakt-Agent Rainer Rupp damals gemutmaßt, dass Flynn ein Opfer des "Sumpfs" wurde, den er trockenlegen wollte. Seiner Meinung nach könnten dem alten Establishment verpflichtete ehemalige Geheimdienstmitarbeiter dafür gesorgt haben, dass Abhörprotokollinhalte in fremde Hände gelangen, damit Flynn sein Vorhaben, die Dienste zu reformieren, nicht verwirklichen kann.
Deal mit Eingeständnis einer Falschaussage
Beweise für diese Mutmaßung brachte Rupp nicht vor - aber dass sich der zurückgetretene Sicherheitsberater, der zwischen 2012 und 2014 dem Militärgeheimdienst DIA vorstand, unter demokratischen Interventionisten ebenso Feinde gemacht hatte wie unter republikanischen Neocons, war nicht von der Hand zu weisen: 2015 erregte er beispielsweise mit einem Bericht Aufsehen, in dem er zum Ergebnis kam, dass sich das andauernde Ignorieren der DIA-Berichte darüber, dass die "Rebellen" in Syrien überwiegend extremistische Salafisten sind, nur mit einer entsprechenden Präferenz der politischen Führung erklären lasse (vgl. Syrien: Am Ursprung des islamistischen Extremismus).
Ende 2017 ließ sich Flynn auf einen Deal mit dem FBI ein, der das Eingeständnis einer Falschaussage gegenüber der US-Bundespolizei beinhaltete. Dieses Schuldeingeständnis gab Flynn möglicherweise etwas verfrüht ab: Fast zwei Jahre später wirft seine neue Anwältin Sidney Powell der Behörde nämlich vor, die Aussage und die Akten ihres Mandanten manipuliert zu haben.
"Ich habe Ihre Änderungen eingebaut und sie an Joe geschickt"
Konkret soll man ihn in eine "Hinterhalts-Anhörung" gelockt haben, deren Ziel nicht die Aufklärung eines Sachverhalts, sondern das Verlocken zu Falschaussagen war. Dazu soll man ihm suggeriert haben, er mache eine Aussage, ohne selbst angeklagt zu sein. Später soll man dann das Formular nachträglich in das einer Angeklagtenanhörung abgeändert haben. Außerdem soll man aus seinem strafrechtlich unschädlichen Ausweichen, er erinnere sich nicht, ob er mit dem russischen Botschafter über Sanktionen gesprochen habe, ein unwahres und damit strafrechtlich relevantes Leugnen gebastelt haben.
Das soll unter anderem aus Textbotschaften und E-Mails zwischen dem inzwischen entlassenen FBI-Agenten Peter Strzok und der ehemaligen FBI-Anwältin Lisa Page hervorgehen. In einer E-Mail vom 10. Februar 2017 heißt es beispielsweise: "Ich habe Ihre Änderungen eingebaut und sie an Joe geschickt." Wegen solcher Fundstücke fordert Powell die Herausgabe aller weiteren den Behörden vorliegenden Unterlagen zu ihrem Mandanten.
Außerdem hat sie deshalb den Antrag gestellt, die Anklage wegen eines grob unangemessenen Fehlverhaltens der Behörden fallen zu lassen. In dem von ihr verfassten 37-seitigen Schreiben dazu fordert sie darüber hinaus neue Ermittlungen wegen Missachtung der Justiz. Letztere sollen nicht gegen Flynn geführt werden, sondern gegen Personen, die für das Verfahren gegen ihn verantwortlich waren.
Untersuchung der Überwachung von Trumps Wahlkampfteam jetzt offizielle strafrechtliche Ermittlung
Strzok und Page hatten auch mit der Überwachung von Trumps Wahlkampfteam zu tun, die seit dem Frühjahr von Connecticuter Staatsanwalt John Durham untersucht wird (vgl. Staatsanwalt soll FBI-Überwachung von Trumps Wahlkampfteam untersuchen). Letzte Woche wurde aus dieser vorher allgemeinen Untersuchung eine konkrete Ermittlung wegen des Verdachts auf Straftaten.
Im Zentrum dieser Ermittlung steht das so genannte "Steele-Dossier" (vgl. FBI erreichte Überwachung eines Trump-Mitarbeiters mit unglaubwürdigem Dossier). Ein von einem ehemaligen britischen Geheimagenten verfasstes 36-seitiges Papier, das von der Demokratischen Partei mit bezahlt wurde und sich eher abenteuerlich liest (vgl. Trump, die Russen und "goldene Duschen"). Aus diesem Dossier zitierte das FBI ausführlich, als es sich vor Gericht eine Erlaubnis besorgte, um Trumps damaligen Wahlkampfberater Carter Page zu überwachen.
Darüber hinaus steht die Frage im Raum, ob und warumBehördenmitarbeiter vorschriftswidrig Informationen an Medien weitergaben. Powell hat hier James Baker, den ONA-Direktor des Pentagon, im Verdacht, den Washington-Post-Reporter David Ignatius mit Material zu ihrem Mandanten versorgt zu haben. Der ehemalige US-Nachrichtendienstkoordinator James Clapper forderte Ignatius Powells Behauptungen nach sogar dazu auf, Flynn "zu erledigen". Clapper äußerte sich zu diesem Vorwurf bislang nicht konkret, sondern meinte gegenüber CNN lediglich, es wäre möglich, dass nun auch gegen ihn ermittelt wird.