Russland-Sanktionen: Toaster gegen den Krieg
- Russland-Sanktionen: Toaster gegen den Krieg
- Internes Protokoll: "Sanktionsdruck weiter verstärken"
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Offiziell wollen Bundesregierung und EU nur der Putin-Regierung schaden. Tatsächlich wird die Bevölkerung immer mehr zum Ziel. Der Grund dafür ist zugleich ein politisches Tabu.
Seitdem die EU und die USA auf den russischen Krieg gegen die Ukraine mit Sanktionen reagiert haben, halten sie an einer zentralen Begründung fest. Es gehe darum, "die militärischen und technologischen Fähigkeiten des Aggressors zur Fortsetzung des Angriffskrieges einzuschränken" und "das Vermögen russischer Oligarchen ins Visier zu nehmen".
Daneben gibt es ein Ziel, über das in Washington, Brüssel und auch Berlin nur wenige sprechen: Auch die russische Zivilbevölkerung soll die Strafmaßnahmen zu spüren bekommen. Auf diese Weise erhoffen sich die westlichen Staaten eine Schwächung der Regierung von Wladimir Putin.
Dieses versteckte Ziel ist eines der Reizthemen in der Ukraine-Debatte. Als das erste EU-Paket von Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen Russland vorbereitet wurde, sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne): "Das wird Russland ruinieren."
Das "größte Problem", konterte die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht, sei "die grandiose Idee, einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun zu brechen". Dabei würden die Mineralölkonzerne in Deutschland im Jahr 2022 38 Milliarden Euro mehr Gewinn machen als im Durchschnitt der letzten Jahre, während die Risiken für die Bevölkerung enorm seien. Ein offener Brief hielt ihr daraufhin "rechtsoffene populistische Plattitüden" vor.
Gibt es nun einen Wirtschaftskrieg gegen Russland oder nicht? Tatsächlich ging das Lagezentrum des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) im Dezember davon aus, dass die Sanktionen der EU und anderer westlicher Staaten gegen Russland messbare negative Auswirkungen auf die dortige Wirtschaft haben. Die Regierung von Präsident Wladimir Putin werde mit einer anhaltenden Rezession zu kämpfen haben, so die Einschätzung des Intelligence Analysis Centre (Intcen), des zivilen Nachrichtendienstes des EAD.
"Wenn soziale Unruhen entstünden"
Brisant an der Intcen-Analyse ist die indirekte Zielvorgabe: Die EU-Sanktionen seien nur dann effektiv, hieß es in dem Papier, das Telepolis vorlag, wenn Moskau in Finanzschwierigkeiten komme "und soziale Unruhen entstünden". Andernfalls werde die verschlechterte Wirtschaftslage keinen nennenswerten Einfluss auf die Politik der Putin-Führung haben.
Schaut man sich die mittlerweile zehn Sanktionspakete der EU genauer an, konkretisiert sich dieses Bild. Bereits im März 2022 wurden neben vielen anderen Produkten "Personenwaagen, einschließlich Säuglingswaagen; Haushaltswaagen", "Haushaltsgeschirrspülmaschinen", "Waschvollautomaten", "Haushaltsnähmaschinen", "Haartrockner", "Mikrowellengeräte" und "Brotröster (Toaster)" auf eine Liste vermeintlicher Luxusgüter gesetzt.
Ende Februar dieses Jahres haben die USA das Exportverbot für "Luxusgüter" nach Russland ausgeweitet. Zu den 276 betroffenen Produktgruppen gehören Ventilatoren, Klimaanlagen und Kühlschränke ab einem Wert von 750 US-Dollar, aber auch Geschirrspüler ab einem Preis von 100 US-Dollar.
Das ist ein deutlicher Unterschied zum März 2022, als das US-Handelsministerium unter anderem den Export von alkoholischen Getränken, Tabakwaren, Kleidung und Schuhen im Wert von mindestens 1.000 US-Dollar stoppte und die Ausfuhr von Edelsteinen, Seide, Elektroautos, Motorrädern, Fahrzeugen und Schiffsmaschinen nach Russland verbot.
"Jetzt werden also Konsumgüter sanktioniert. Und damit sind nicht Rolex-Uhren und Rolls-Royce gemeint, sondern Dinge, die normale Menschen jeden Tag benutzen", schreibt der russische Journalist Anton Orech, der beim Radio Echo Moskau arbeitete, bis die Putin-Regierung den Sender am 1. März 2002 wegen seiner Berichterstattung über den Angriff auf die Ukraine vom Netz nahm. Orech ist sich sicher: "Der Sinn der neuen Sanktionen ist, dass die einfachen Leute sie zu spüren bekommen."
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