Russland und USA im Medienkrieg über den Sender RT

Margarita Simonyan mit Wladimir Putin. Bild: Kreml

Das US-Justizministerium verlangt, dass sich RT als "ausländischer Agent" registriert, die RT-Chefredakteurin schießt nun zurück und warnt vor russischen Reaktionen gegenüber US-Medien

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Anfang September forderte das US-Justizministerium den russischen Auslandssender RT dazu auf, sich als "ausländischer Agent" zu registrieren, berichtete der russische Sender. RT hat Redaktionsniederlassungen in Washington und einigen europäischen Staaten und sendet auf Englisch, Deutsch, Arabisch, Französisch, Russisch und Spanisch, auf der Website werden Beiträge in diesen Sprachen veröffentlicht. Mit der Verschärfung des Nato-Russland-Konflikts wird Russland der hybriden Kriegsführung und des "Informationskriegs" bezichtigt. Dazu gehören auch die so genannten "Beeinflussungskampagnen" durch russische Sender wie RT oder Sputnik und prorussische Web- und Social-Media-Sites mitsamt Bots und Trollen. Im gemeinsamen Bericht der Geheimdienste, der kurz vor Amtsantritt von Trump veröffentlicht wurde, wird RT als "staatliche Propagandamaschine" bezeichnet.

Bekanntlich soll, wie gewisse Kreise in Washington, allen voran die Demokraten, sagen, eine solche Beeinflussungskampagne, inklusive Hackerangriffen, zugunsten von Donald Trump oder zumindest zu Unterminierung des Vertrauens in demokratische Institutionen stattgefunden haben. Dazu wird das Wahlkampfteam von Trump bezichtigt, enge Kontakte mit russischen Vertretern gehabt zu haben. Aus einem Annäherungskurs, den Donald Trump wohl vorhatte, ist nichts geworden, vielmehr hat sich der Konflikt weiter verschärft. Der frühere FBI-Chef Robert Mueller untersucht als Sonderermittler seit Mai im Auftrag des Justizministeriums und ernannt vom stellvertretenden Justizminister Rod Rosenstein, ob Trumps Wahlkampfteam oder auch er selbst Kenntnis von der "Beeinflussungsoperation" und inwieweit sie mit Kreml-Vertretern zu tun hatten. Mueller geht gegen den Ex-General, Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn und Ex-Wahlkampagnenchef Paul Manafort und Trump-Schwiegersohn Jared Kushner vor, man erwartet, dass er womöglich auch gegen Trump selbst ermitteln und eine Anklage erstellen wird.

Trump sieht sich einer "Hexenjagd" ausgesetzt. Er hatte bereits den FBI-Chef Comey entlassen, der sich als unabhängig erwies, und ist nun mit Mueller konfrontiert - und mit seinem Justizminister Jeff Sessions. Nur er könnte Mueller entlassen oder an die Leine legen, aber Sessions hatte sich, weil er befangen ist, aus der Untersuchung ausgeklinkt. Er hatte erklärt, eine Kontakte mit Vertretern der russischen Regierung gehabt zu haben, soll sich aber zweimal mit dem russischen Botschafter Sergey Kislyak getroffen haben.

Offenlegung der Aktivitäten und Finanzierung

Gut möglich also, dass die Trump-Regierung aus Motiven der Weißwaschung den 1938 in Kraft getretenen und 1942 erweiterten Foreign Agents Registration Act (FARA) hervorgeholt hat. Der sollte dazu dienen, Nazi-Propaganda in den USA zu bekämpfen. 1966 wurde er noch einmal ergänzt. Alle müssen sich registrieren, wenn sie "politischen Aktivitäten" im Auftrag oder zugunsten einer ausländischen Rechtsperson nachgehen. Dabei geht es nicht nur um Lobbying, sondern auch um politische Beratung oder Public Affairs. Eigentlich sind Medien davon ausgeschlossen, nicht aber, wenn sie außerhalb der Berichterstattung in Kontakt mit US-Regierungsmitarbeitern treten. Russland hat 2012 ein ähnliches Gesetz erlassen.

FARA verlangt von den "ausländischen Agenten" die Offenlegung ihrer Aktivitäten und Finanzen, um der Öffentlichkeit zu zeigen, wer hinter diesen steht oder welche Interessen sie verfolgen. Die Forderung nach einer Registrierung von RT wurde bereits im Januar von Elena Postnikova für den Atlantic Council erhoben: "Registration would require RT to label its information as being "distributed by an agent on behalf of the foreign principal." Such disclosure would alert the public to the purpose of RT’s reporting. But it would have no effect on RT’s ability to continue working in the United States, conduct broadcasting from its Washington, DC studio or otherwise operate as it did prior to registration." Die zwei im Fokus stehenden Trump-Mitarbeiter Michael Flynn und Paul Manafort hatten sich nicht registrieren lassen. Flynn hatte für die türkische Regierung gearbeitet und Manafort soll für prorussische Politiker in der Ukraine Lobby-Arbeit geleistet haben.

Beeinflussung oder Aufzeigen einer anderen Perspektive?

Bei RT sieht man eine reale Gefahr für die Mitarbeiter, sollte der Sender sich nicht registrieren. Man habe keine Wahl, sagte jetzt RT-Chefredakteurin Margarita Simonyan. Rechtsanwälte hätten gewarnt, dass Mitarbeiter Gefängnisstrafen erhalten könnten, ihr Eigentum würde beschlagnahmt.

Im schlimmsten Fall, so spitzte Simonyan in einem Interview mit dem Fernsehsender NTV zu, müsse man aufhören, in den USA zu senden. Das würde allerdings entsprechende Maßnahmen gegenüber amerikanischen Medien in Russland auslösen, warnte sie. Washington versuche, RT außer Landes zu treiben: "Sie haben uns Bedingungen gesetzt, unter denen wir nicht arbeiten können." Das führte sie nicht weiter aus, nutzte aber die Gelegenheit, den USA zu sagen, dass so ihre gefeierte Meinungsfreiheit aussehe. Man bemühe sich, den Amerikanern eine "andere Perspektive" zu zeigen.

Der Druck auf RT sei groß geworden. Noch unter Obama wurde der Countering Foreign Propaganda and Disinformation Act im Pentagon-Haushaltsgesetz 2017 verabschiedet. Partner von RT würden unter Druck gesetzt und eingeschüchtert. So seien Twitter-Mitarbeiter zweimal befragt und gezwungen worden, Vertragseinzelheiten offenzulegen. Schon länger habe es "endlose Fake-Berichte" über den Sender geben.

Man habe Skandale inszeniert und Menschen in den Sender installiert, "die diesen dann verließen und allen erzählten, wir würden das Blut von christlichen Kindern trinken". Trotz alledem sei die Zahl der Zuschauer gestiegen: "Was (Washington) nicht versteht, ist, wie sehr die Menschen in den USA ihren eigenen Medien misstrauen. Trumps Sieg ist ein Beleg dafür, da er gewählt wurde, obgleich fast alle amerikanischen Medien Kampagnen gegen ihn fuhren." Der Umgang mit RT weise auf eine "tiefe politische Krise" in den USA hin.

Die RT-Chefredakteurin ist durchaus auf Kreml-Linie. Gerade wurde nämlich CNN von der russischen Regulationebehörde Roskomnadzor beschuldigt, die russischen Mediengesetze verletzt zu haben. Letzte Woche hatte das russische Außenministerium Washington beschuldigt, schweren Druck auf RT in den USA auszuüben und gewarnt, ähnlich mit US-Sendern in Russland umzugehen.