Russlands Kommunisten: Aufschwung dank Kandidatenausschluss

Pawel Grudinin bringt der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation Sympathien ein. Foto: Пресс-служба Президента Российской Федерации / CC-BY-4.0

Der Agrarunternehmer Pawel Grudinin wurde offiziell wegen Unklarheiten über Vermögen im Ausland von der Duma-Wahl ausgeschlossen. Der KPRF scheint das nicht zu schaden

Der Ausschluss des prominenten Duma-Kandidaten Pawel Grudinin von den bevorstehenden russischen Parlamentswahlen verschafft den Kommunisten einen ungeahnten Aufschwung. Sie münzen - zumindest kurzfristig - allgemeine Unzufriedenheit in eigene Wählerstimmen um.

Die Zeit, in der die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) für Russlands Mächtige eine recht pflegeleichte, weil überalterte und stets kraftlos wirkende Opposition war, endete 2018 mit einem überraschenden Coup. Die Partei nominierte als Gegenkandidaten für Präsident Wladimir Putin nicht - wie üblich - den mittlerweile 77-jährigen Dauervorsitzenden Gennadi Sjuganow, sondern den parteilosen, erfolgreichen Agrarunternehmer Grudinin - zuvor noch ein unbeschriebenes Blatt in der russischen Politik.

Ernstzunehmender Gegner der Mächtigen

Natürlich war von vorneherein klar, dass der Wahlsieger Wladimir Putin sein würde, doch Grudinin machte auf sich aufmerksam, da er im Kreis der ansonsten stets Sparringspartner des Langzeitpräsidenten einem ernsthaften Gegenkandidaten mit Abstand am nächsten kam: Mit einer für kommunistische Verhältnisse modernen Programmatik und Chef eines Unternehmens, das für seine Sozialleistungen landesweit bekannt ist. Dementsprechend landete er mit 8,7 Millionen Wählern (11,8 Prozent Stimmenanteil) auf dem zweiten Platz, trotz vieler Negativberichte in regierungsnahen Medien und der damals äußerst breiten Unterstützung für Putin in der Bevölkerung.

Das bekam Grudinin nicht gut - bezüglich seiner zuvor erfolgreichen Wirtschaftstätigkeit verhängte ein Moskauer Gericht gegen ihn 2020 wegen "schlechter Wirtschaftsführung" eine Strafe von umgerechnet etwa zwei Millionen Euro. Politische Hintergründe lagen hier in der Luft und zahlreiche linke und liberale Oppositionelle, die sonst die KPRF wegen Kungeleien mit der Macht eher distanziert betrachten, solidarierten sich mit dem Politiker. Sie glaubten ihm, wenn er sagte "die Geldstrafe ist die Rache für das Wahlergebnis".

Der Ausschluss von der Dumawahl

Politisch ließ sich Grudinin nicht entmutigen. Er wollte 2021 für die Russische Staatsduma als Abgeordneter kandidieren und wurde dementsprechend von der KPRF nominiert. Die zentrale Wahlkommission lehnte seine Kandidatur jedoch ab. Streitpunkt ist die Angabe Grudinins bei der Kandidatur, er besitze im Ausland kein Vermögen. Eine strittige Beteiligung an einer Firma in Lateinamerika habe nach seiner Meinung keinen Wert mehr, da diese ihre Geschäftstätigkeit aufgegeben habe. Diese Angaben bestreitet seine Ex-Frau - und die Behörden folgten ihren anderslautenden Vorbringungen im aktuell gegen Grudinin laufenden Scheidungskrieg.

Seitdem gibt es einen fortgesetzten Rechtskrieg um Grudinins Ausschluss, den die Kommunisten als politisch motiviert bezeichnen, der jedoch nach Ausschöpfung des Rechtsweges in Russland endgültig bestätigt wurde. Inzwischen hat die KPRF einen Eilantrag beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gestellt, Grudinins Ausschluss von der Kandidatenliste für ungültig zu erklären. Da die Angaben über das Auslandsvermögen widersprüchlich sind, ist es offen, wer im Endeffekt, was das Finanzielle angeht, recht bekommt.

Wahlkampf trotz verhinderter Kandidatur

Der Politiker Grudinin macht unabhängig von seinem Wahlausschluss ohnehin weiter Wahlkampf - und das recht erfolgreich und Russlandweit. Sollte sein Ausschluss politisch motiviert gewesen sein so geht der Schuss nach hinten los. Denn die Kommunisten setzen sich angesichts ihrer Auseinandersetzung mit den Behörden gekonnt als Kämpfer gegen die Bürokratie der Mächtigen in Szene. Es ginge der Macht bei Grudinins Ausschluss darum "Menschen mit Ressourcen und Einfluss davon abzuhalten, mit der Opposition zu kooperieren" meinte der stellvertretende ZK-Vorsitzende Dmitry Nowikow gegenüber der Moskauer Zeitung Nesawisimaja Gaseta. Sein Parteigenosse Sergej Obutschow ergänzt, dass nach seiner Meinung die Entscheidung über den Ausschluss Grudinins ganz oben mit politischem Hintergrund getroffen worden sei und die Wahlkommission hier nur ein ausführendes Organ sei.

Der russische Innenpolitikexperte Alexej Kurtow sieht die gesamte Geschichte als eine Angelegenheit, von der die Kommunisten profitieren werden. Grudinins Charisma werde im Wahlkampf aktuell gezielt eingesetzt. Wie zur Bestätigung vermeldete das staatliche Meinungsforschungsinstitut WZIOM in seiner aktuellen Augustumfrage eine Rekordunterstützung für die KPRF von 16 % der Wahlberechtigten - vier Prozent mehr als vor zwei Monaten.

Kommunisten im Umfrage-Hoch vor der Wahl

Da bei WZIOM, anders als bei deutschen Umfrageinstituten, auch zehn Prozent sichere Nichtwähler und 13,8 Prozent Unentschlossene getrennt erfasst werden, rückt ein Anteil von 20 Prozent der abgegebenen Stimmen für die KPRF in greifbare Nähe - das wären über sechs Prozentpunkte mehr als 2016. Eine ganze Reihe von Wählern ist empfänglich für die Argumentationslinie der Kommunisten, da allgemein Unzufriedenheit mit dem Machtapparat - abseits vom weiter beliebten Über-Präsidenten Putin - herrscht. Das Umfrageinstitut Lewadazentrum meldet aktuell seit Mai eine deutliche Verschlechterung der öffentlichen Stimmung.

Die Gesellschaft lebe weiterhin unter dem Druck wirtschaftlicher und sozialer Probleme, die durch die Covid-19-Pandemie verursacht wurden. Die pessimistischen Zukunftseinschätzungen der Leute beziehen sich vor allem auf die Entwicklung des Landes im Großen, weniger auf Veränderungen im eigenen, familiären Umfeld. Man ist mit dem großen Ganzen steigend unzufrieden und habe kein Vertrauen in die Fähigkeiten der Führung, die Probleme des Landes zu lösen.

Dementsprechend sinkt auch das Rating der Macht- und Establishmentpartei "Einiges Russland" auf einen aktuellen Negativrekord von 27,2 Prozent bei WZIOM und die Wähler suchen nach Alternativen. Diese sind in Russland nicht so zahlreich. Die neben den Kommunisten vorhandenen weiteren Parlamentsparteien, Schirinowskis populistische LDPR und das Bündnis "Gerechtes Russland - Patrioten" gelten als zahm und regierungsnah. Die außerparlamentarische Opposition ist zersplittert und kämpft, sofern es sich um ernsthafte Bewegungen handelt, ebenfalls um Wahlzulassungen prominenter Kandidaten gegen die Behörden.

In diesem Klima setzt die KPRF unzweifelhaft auf die richtige Strategie und erlebt einen Aufschwung, den man der an sich überalterten Partei vor wenigen Jahren noch nicht zugetraut hätte. Um diesen in einen dauerhaften Erfolg zu verwandeln braucht es in der KPRF jedoch noch einen weitergehenden Wandel - denn die russischen Kommunisten sind mitnichten eine moderne linke Partei, sondern beherbergen weiterhin viele alte Stalin-Fans ebenso wie andere Sowjetnostalgiker, die die jüngeren Russen, aufgewachsen im nachsowjetischen Russland, nicht wirklich an sich zu binden vermögen. Für die eine oder andere kommunistsche Proteststimme bei der Duma-Wahl im September könnte der momentane Aufschwung jedoch reichen.

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