Russlands Verzicht auf MH17-Aufklärung
Seite 3: Russisches Taktieren
Wenn Russland einen solchen Vorgang tatsächlich belegen könnte, dann stellt sich dennoch die Frage, was mit dessen Publikation erreicht würde. Die ukrainische Regierung wäre zweifellos kompromittiert. Ihr Austausch durch neue prowestliche Kräfte dürfte die russische Position jedoch kaum verbessern. Auch könnte die Untersuchungskommission Beweismittel unberücksichtigt lassen, was Russland bereits mehrfach in der Vergangenheit bemängelt hat. Als Bremser kämen neben den ukrainischen Vertretern andere Mitglieder des JIT in Frage, die sich von einer vermeintlichen Staatsräson leiten ließen. Schließlich sind Sicherheitsrisiken abzuwägen, da unbearbeitetes Datenmaterial höchstwahrscheinlich in die Hände der Nato gelangen würde.
Durch die Übergabe ziviler Radardaten wurde einmal mehr die Strategie der russischen Regierung bestätigt, Beweismittel im gerade erforderlichen Umfang zur Verfügung zu stellen. Indem eigene Belege jeweils vor den Veröffentlichungen der Gegenseite präsentiert wurden, bestand augenscheinlich die Absicht, propagandistische Effekte im Vorfeld abzuschwächen. Die russische Glaubwürdigkeit litt jedoch nicht nur unter dieser selektiven Praxis, sondern auch infolge offensichtlicher Widersprüche zwischen neuen und früher eingebrachten Materialien.
Erkennbar wird darauf verzichtet, die Gegenseite im Zuge eigener Publizierungen durch massive Kampagnen zu verunglimpfen, wie dies seitens westlicher Medien und Politiker Russland gegenüber geschieht. Im Rückblick lässt sich feststellen, dass Moskau von Beginn an eher auf Beschuldigungen reagiert hat, als eigene zu erheben. Auch die Erwiderung einer Unterstellung durch eine Gegenunterstellung charakterisiert mehr eine Position der Verteidigung als die einer Anklage.
Hätte der Westen unbestreitbare Beweise für eine Involvierung der Separatisten oder sogar Russlands, etwa in Gestalt von Satellitenaufzeichnungen, dann wären sie vermutlich längst offengelegt worden. Die US-Regierung hätte nicht zu befürchten, dass sensible Daten in falsche Hände gelangen, da es sich bei den Kommissionsmitgliedern um Vertreter verbündeter Staaten handelt. Dieser Tatbestand spricht neben begründeten Zweifeln an der BUK-Version für eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Boeing von ukrainischer Seite abgeschossen wurde.
Dennoch werden wir kaum Gewissheit über den tatsächlichen Hergang des MH17-Absturzes erlangen, da es offenbar im Interesse beider Seiten liegt, eine Klärung auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Die Variante eines Angriffs durch ein BUK-System mit nicht eindeutig identifizierbarer Täterschaft wäre ein akzeptabler Kompromiss. Möglicherweise ist dies der Grund, weshalb Russland die Version eines Abschusses durch eine SU25 nicht mehr thematisiert.