SAS-Streik: Sanierungsfall Fluglinie, Sanierungsfall Pilotenberuf

Airbus A319-100 der SAS. Bild (2008): Alan Lebeda / GNU Free Documentation License, Version 1.2

Reisepläne von bis zu 45.000 Passagieren gefährdet; Unruhe auf den Flughäfen der großen Städte in Norwegen, Schweden und Dänemark. Auf den Anzeigen dominiert das Wort "cancelled".

Rund 900 Piloten der Fluglinie SAS (Scandinavian Airlines (früher Scandinavian Airlines System) haben am Montagmittag erklärt, unbegrenzt streiken zu wollen. Nach Angaben des Unternehmens kann dies die Reisepläne von bis zu 30.000 Passagiere täglich betreffen, die vier Pilotengewerkschaften sprechen von bis 45.000.

"Gestern haben wir rund 150 Flüge storniert. Heute haben wir 250 Flüge gestrichen und je länger der Streik dauert, desto schwieriger wird es", so SAS-Geschäftsführer Anko van der Werff.

Am Dienstag hat das hochverschuldete Unternehmen mit Sitz in Stockholm in den USA Insolvenzschutz beantragt.

Wird dies von einem US-Gericht genehmigt, kann nach dem Chapter 11 das Unternehmen in vermutlich neun bis zwölf Monaten reorganisiert und "saniert" werden und genießt in dieser Zeit Schutz vor den alten Gläubigern.

Dies wäre auch ein Weg, die derzeit streikenden Piloten für immer loszuwerden, was jene befürchten.

Schon lange schwelt der Streit – im November 2021 begann die Auseinandersetzung zwischen Unternehmensvertretern und Flugzeugführern, in der letzten Woche wurde von beiden Seiten intensiv verhandelt, der Streiktermin insgesamt dreimal verschoben, was Hoffnungen nährte.

Piloten in der Bredouille

Primär fordern die vier Pilotengewerkschaften (zwei aus Norwegen, jeweils eine aus Dänemark und Schweden) die erneute Beschäftigung der 560 entlassenen Piloten; im ersten Jahr der Pandemie hatte die Fluglinie ihren Betrieb fast vollständig ausgesetzt.

Die SAS stellt nun in zwei neu gegründeten Tochterunternehmen "SAS Connect" und "SAS Link" Piloten zu für diese deutlich ungünstigeren Konditionen ein und beschäftigt dabei vornehmlich ausländisches Personal, wie Henrik Thyregod, Kapitän und Chef der dänischen Gewerkschaft, kritisierte.

Zwar waren die Gewerkschaften nach eigenen Angaben auf Einsparmaßnahmen in Höhe von 25 Prozent des Gehaltes sowie zu mehr Flexibilität in den Arbeitszeiten bereit. Das hochverschuldete Unternehmen will jedoch umgerechnet jährlich 700 Millionen Euro Kosten einsparen und mochte von diesem Ziel nicht abrücken.

Bei den Verhandlungen waren zwei norwegische, sowie jeweils eine dänische und eine schwedische Gewerkschaft beteiligt. Zudem mussten die Arbeitsrechte von der drei Länder berücksichtigt werden.

Das "skandinavische Modell" - nicht mehr zeitgemäß?

Allerdings scheint es zwischen diesen Ländern auch Gemeinsamkeiten zu geben. "Wenn das Unternehmen nicht bereit ist, dem skandinavischen Modell zu entsprechen, so glauben wir, dass es keine Existenzberechtigung hat", so Roger Klokset, Vorsitzender der norwegischen SAS-Pilotenvereinigung. Die Verantwortung liege nun beim Management. Soll heißen – zumindest die norwegische Gewerkschaft nahm und nimmt den Bankrott des skandinavischen Traditionsunternehmens in Kauf.

Mit dem "skandinavischen Modell" sind gewisse Standards eines Arbeitsvertrags gemeint, die aus Sicht des SAS-Geschäftsführers Anko van der Werff nicht mehr zeitgemäß seien.

Der Niederländer ging am Montag nach dem Streikbeschluss mit den Piloten hart ins Gericht. Sie würden die Fluglinie als Geisel behandeln, Steuergelder missachten (Staatsbeihilfen), Investoren verschrecken und den Passagieren den ersehnten Sommerurlaub nach den Querelen der Pandemie vermiesen.

Martin Lindgren, Sprecher der schwedischen Gewerkschaft, entgegnete, das Unternehmen habe den Piloten keine Wahl gelassen und in den Streik gezwungen.

"Fluglinien betreiben Geldwäsche" - schwere Vorwürfe seitens einer Pilotenvereinigung

In einem Facebook-Beitrag erhebt die Vertretung der schwedischen Flugführer schwere Vorwürfe gegen die Fluglinien im Allgemeinen – es gebe Misswirtschaft, manche Fluglinien könnten Geldwäsche betreiben, die Piloten werden in eine Scheinselbstständig gezwungen. Sozialgebühren, Rentenverpflichtungen, Urlaub und Krankengeld würden so wegfallen.

Durch die Dumpingmethoden sei dann schließlich die Flugsicherheit gefährdet, da sich die Piloten nicht mehr trauten, sich krankschreiben zu lassen.

Dabei galt SAS lange als eine klassisch vertrauenswürdige Marke aus Skandinavien, gegründet wurde das Unternehmen 1946 aus einer schwedischen, dänischen und norwegischen Fluggesellschaft.

Der schwedische und der dänische Staat halten aktuell jeweils über 21 Prozent der Anteile, den Rest der Aktien besitzen Unternehmen sowie Privatpersonen.

Norwegen ist 2018 als Teilhaber ausgestiegen, hat jedoch in der vergangenen Woche entschieden, die Schulden des Unternehmens in Aktien umzuwandeln, um so als Teilhaber wieder einzusteigen. Während Schweden angekündigt hatte, seinen Anteil zu verkleinern, will die Regierung in Kopenhagen ihren Anteil auf 30 Prozent erhöhen.

Großer Vertrauensverlust bei Passagieren

Allerdings ist noch nicht sicher, ob ein US-Gericht die Insolvenz gewährt. Nach Angaben des Flugfahrt- Experten Jan Olsson wird SAS nun rund 10 Millionen Euro Verlust täglich einfahren. Gleichzeitig brauche das Unternehmen zum Überleben rund neun Milliarden Euro Investitionsgelder.

Unklar ist auch, ob die Fluggesellschaft beziehungsweise die Marke SAS den Vertrauensverlust bei den vornehmlich skandinavischen Passagieren überleben kann. Dort, vor allem in Norwegen und Schweden, gilt der Sommerurlaub im Süden, als wichtiger Höhepunkt im Jahr, auf den man sich lange freut, was auch in den Medien zelebriert wurde.

Einige müssen jetzt die Reise von Oslo nach Rhodos via Zug und Schiff bestreiten, andere sitzen im Süden fest, ohne zu wissen, wann es zurückgeht.