SOKO Braunlicht
Das Thema "Organisierte Kriminalität" wird im Zusammenhang mit dem NSU konsequent ausgeblendet - obwohl genau das der alles verbindende Rahmen ist
Zehn Morde werden dem sogenannten NSU-Trio zur Last gelegt: Neun Morde an Gewerbetreibenden mit türkischem Hintergrund, bzw. in einem Fall mit griechischen Wurzeln sowie die Erschießung der Polizeibeamtin Michèle Kiesewetter. Die Morde an den neun Gewerbetreibenden weisen ein gewisses Raster auf, aus dem der Fall Michèle Kiesewetter klar herausfällt. Trotzdem weisen auch in dem Fall viele Indizien in Richtung NSU, bzw. rechte Szene.
Allerdings gibt es einige Ungereimtheiten und Zufälle. Sowie Spuren, denen nicht oder nicht weiter nachgegangen wurde. Zum Beispiel ein mögliches konspiratives Treffen zwischen Geheimdienstlern (welcher Nationalität auch immer) mit islamischen Fundamentalisten, konkret mit einem der Drahtzieher der als "Sauerlandgruppe" bekannten Terrorgruppe. Von denen wiederum mindestens einer Kontakte zu osteuropäischen Mafiabanden gehabt haben soll.
Organisierte Kriminalität als äußerer Rahmen
Hinweise in Richtung "Organisierte Kriminalität" wurden jedoch ebenfalls verworfen, nachdem die Ermittler sich anfangs den Ruf, eine rassistische Agenda zu verfolgen, eingehandelt hatten. Organisierte Kriminalität ist aber der äußere Rahmen, der alle möglichen Akteure, zumindest im Fall Michèle Kiesewetter, verbindet: Fundamental-islamische Gruppierungen rekrutieren ihr Fußvolk, sprich die Bombenleger, häufig im kleinkriminellen Milieu, wie wir heute wissen. Neonazis brauchen Waffen.
Da sie ihren Bedarf nicht ausschließlich durch Einbrüche in Bundeswehrkasernen oder "Mitbringsel" von "Kameraden", die diese dort haben mitgehen lassen, decken können, gibt es nur eine Möglichkeit: Mitmischen im Waffenhandel. Außerdem sind so einige Neonazis an Prostitution, Kinderpornographie und -prostitution, also Menschenhandel beteiligt.
Das bekannteste Beispiel ist der thüringische Neonazi-Kader Tino B... Bekannt sind zudem enge Verbindungen zwischen der Rechten und der Rockerszene. Michèle Kiesewetter war an Ermittlungen gegen die Organisierte Kriminalität beteiligt, ebenso ihr Onkel Mike Wenzel in Thüringen. Auch war in den Medien von ermittelten Verbindungen zwischen Neonazis und der Organisierten Kriminalität, konkret Drogenbanden, die Rede.
Damit die Netzwerke der Organisierten Kriminalität funktionieren, brauchen sie die Unterstützung von Politik und Justiz. Der "Sachsensumpf" lässt ahnen, wie diese Verquickung funktioniert. Auch der Fall Sebastian Edathy zeigt auf, wo Freier und Kundschaft von Kinder- und Edelprostitution und -pornographie auch zu finden sind: in den höchsten Ebenen von Politik, Justiz und Wirtschaft. Diese Kundschaft macht die involvierten Vertreter aus Politik, Justiz und Wirtschaft erpressbar - und somit gefügig.
Über diese Zusammenhänge haben die deutsch-italienische Journalistin Petra Reski und der Schriftsteller Jürgen Roth aufschlussreiche Bücher geschrieben. Einen Blick in die Tiefen des "Sachsensumpfes" gewährt zudem das Buch "Die Zeit des Schweigen ist vorbei" von Mandy Kopp, die als Jugendliche im Leipziger Kinderbordell "Jasmin" gefangen gehalten wurde.
"Sachsensumpf" und "Aktenschredderietis"
Die Verstrickung in den Sachsensumpf, der über den Thüringer Bruch, das bayerische Moor zum baden-württembergischen Morast reicht (und weit darüber hinaus), dürfte einer der Gründe für den epidemischen Ausbruch der Aktenschredderietis in Bezug auf den NSU und alle Hintermänner und -frauen sein. Neben dem verzweifelten Versuch zu vertuschen, wie tief der Staat in die Machenschaften der Rechten verstrickt ist, und um Quellen zu schützen. Notwendig ist eine "SOKO Braunlicht", die ernsthaft Fragen nach Hintermännern, Kunden und Freiern stellt.
Nur wenn sich die zuständigen Behörden dieser Komplexität stellen und konsequent alle Spuren verfolgen, insbesondere Rechtsradikalismus und Organisiertes Verbrechen nicht als Widerspruch betrachten sowie der Tatsache ins Auge sehen, dass Staat, bzw. Vertreter des Staates und Organisierte Kriminalität genau wie Staat und rechte Szene nicht zwangsläufig auf verschiedenen Seiten des Gesetzes stehen, können diese Morde - und wer weiß, wie viele Verbrechen noch - lückenlos aufgeklärt werden. Sofern das aufgrund der vielen inzwischen vernichteten Beweise überhaupt noch möglich ist.
Aber genau das macht auch die politische Brisanz dieser Spuren aus. Weshalb sie geflissentlich ignoriert - oder wenn es gar nicht mehr anders geht - solange dementiert werden, bis niemand mehr durchblickt, was nun stimmt und was nicht.
Die nun folgende Geschichte ist sehr ausführlich, aber sie ist es wert, in voller Gänze erzählt zu werden, weil immer neue Aspekte, u.a. aufgrund der Recherchen des Kollegen Thomas Mosers, aber auch z.B. des Blogs "Abolition 2014 - für eine Welt ohne Prostitution" auftauchen, die zu einem Strang zusammenzuführen, dringend notwendig ist.
Der Fall Michèle Kiesewetter
Am 25.4.2007 wurde in einem Polizeiwagen auf einem Parkplatz an der Theresienwiese in Heilbronn die Leiche der Polizeibeamtin Michèle Kiesewetter (22) sowie ihr schwer verletzter Kollege Martin Arnold (24) gefunden. Michèle Kiesewetter tötete eine Kugel aus einer Pistole des Typs Radom, Modell VIS 35, Kaliber 9mm, Luger. Im Kopf von Martin Arnold steckte eine Kugel aus einer Pistole TOZ, Modell TT 33, Kaliber 7,62mm, Tokarew. Diese Kugel konnte bis heute nicht vollständig entfernt werden. Allerdings waren die Waffentypen zu dem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Die Tatwaffen waren verschwunden, ebenso beider Dienstwaffen vom Typ HK P2000 sowie deren Handschellen.
Der Taxifahrer Jamil C. war als erster am Tatort. Allerdings wurde er von den wenig später eintreffenden Polizeibeamten weggeschickt. Später wurde er vernommen, doch für seine Beobachtungen interessierte sich niemand so wirklich.
Am Tatort erschienen auch recht zügig Kollegen der beiden, auffallend viele waren offensichtlich als Zivilbeamte im Einsatz. Auffallend war auch, dass Michèle Kiesewetter und Martin Arnold Schutzwesten trugen, obwohl sie doch, wie der Stern schreibt, "ein paar Obdachlose vertreiben" sollten.
Die Einheit hatte einen sogenannten Konzeptionseinsatz unter dem Motto "Sichere City" zu absolvieren, der ziemlich spontan angesetzt wurde. Obwohl es die Anordnung gab, den Dienst zurückzufahren, damit Überstunden abgebummelt werden könnten. Auch Michèle Kiesewetter hatte eigentlich dienstfrei und sich in ihrer alten Heimat im Thüringischen aufgehalten. Vier Jahre früher war sie von Ost nach West, sprich von Thüringen nach Baden-Württemberg gewechselt.
Als sie dort einen Anruf bekam und gebeten wurde, den Urlaub vorzeitig abzubrechen, soll sie spontan zugesagt haben. Ebenso spontan soll sie mit ihrem Kollegen ein Team gebildet haben und auch dass sie auf jenem Parkplatz Pause machen würden, war vorher nicht bekannt. Oder doch?
"Anders als A. kennt Kiesewetter den Platz neben dem Pumpenhaus schon von zwei angeblich ähnlich banalen Streifendiensten Anfang April 2007. Zweck und Umstände dieser Einsätze gelten bis heute als 'Verschlusssache'. Widersprüchliche Aussagen von beteiligten Polizisten und Zeitangaben nach dem Mord, so legen es auch die Recherchen von Dirk Laabs und Stefan Aust für ihr Buch 'Heimatschutz' nahe, könnten Indizien dafür sein, dass noch eine andere Operation lief als bisher bekannt. Welches Ziel die hatte, ist allerdings unklar - oder soll es bleiben", berichtet der Stern.
Dieser Einsatz wurde geleitet von Timo H. Wie sich später herausstellen sollte, gehörte dieser Kollege Michèle Kiesewetters der Heilbronner Sektion des Ku Klux Klans an. Einer von dessen Kapuzen-Spezln soll direkten Kontakt zu Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gehabt haben. Was dieser allerdings bestritt.
In seinem Buch "Der NSU-VS-Komplex" zitiert Autor Wolf Wetzel den Bericht der Polizei Heilbronn: "Es gab keinen konkreten Auftrag für die Beamten, die ab 13 Uhr auf Streife gewesen sind. Sie sollten in der Heilbronner Innenstadt polizeiliche Präsenz zeigen und Kontrollen von verdächtigen Personen und Fahrzeugen durchführen."
Knapp eine Stunde später lebte Michèle Kiesewetter nicht mehr und Martin Arnold rang mit dem Tod. Die folgenden "Ermittlungen" waren bestimmt durch Wegsehen, Nicht-Wissen-Wollen, Spuren vernachlässigen, Zeugenaussagen ignorieren. Das möchte ich im Einzelnen nicht aufführen, das lässt sich nachlesen in vielen gut recherchierten Artikeln des Kollegen Thomas Moser hier bei Telepolis, in dem von ihm verfassten E-Book NSU - Die doppelte Vertuschung oder auch in dem Buch "Der NSU-VS-Komplex" von Wolf Wetzel.
Die Spur führt nach Thüringen
Viereinhalb Jahre nach den Schüssen auf die beiden Polizisten, am 4.11.2011, tauchten die Dienstwaffen der beiden auf. Und zwar im ausgebrannten Wohnmobil, in dem sich Polizeiangaben zufolge die beiden Thüringer Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos das Leben genommen haben. Als sich Tage später die vermutlich Dritte im Bunde, Beate Zschäpe, der Polizei stellte, wurden die Tatwaffen gefunden, mit der das Attentat in Heibronn durchgeführt wurde: Und zwar im Schutt einer Wohnung in Zwickau, die sie ihrer Aussage nach gesprengt hatte, um Spuren zu verwischen.
In dieser Wohnung lebte Beate Zschäpe, so sagte sie aus, mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. In dem Schutt wurde auch ein Computer gefunden, von dem später noch die Rede sein wird. Außerdem eine Jogginghose mit zwei benutzten Taschentüchern in einer der Taschen.
Damit war nicht nur das "NSU-Trio" geboren, in der folgenden Zeit wurden auch neun Morde, acht davon an Gewerbetreibenden mit türkischem Hintergrund und einem mit griechischen Wurzeln, aufgeklärt. Das "NSU-Trio" habe diese Morde begangen, hieß es, und zwar allein. Davon ist die Bundesanwaltschaft bis heute nicht abzubringen. Außerdem sollen die drei thüringischen Neonazis auch das Attentat in Heilbronn begangen haben.
Außer dem Waffenfund konnte die Polizei noch eine weitere Spur präsentieren, die diese Täterschaft beweisen soll: An der Jogginghose, die sich in der verkohlten Wohnung in Zwickau fand, wurden Blutspuren gefunden. Dieses Blut soll von Michèle Kiesewetter sein. Die Taschentücher konnten per DNA-Test Uwe Böhnhardt zugeordnet werden.
Von Anfang an viele offene Fragen
Doch zunächst war selbst das Bundeskriminalamt (BKA) nicht so ganz von dieser Theorie überzeugt. Wolf Wetzel schreibt: "Nicht minder gravierend ist der Umstand, dass diese Behauptung in völligem Widerspruch zum Ermittlungsbericht des BKA vom Oktober 2012 steht: 'Ein eindeutiger Nachweis, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos am Tattag in unmittelbarer Tatortnähe in Heilbronn waren, konnte bislang nicht erbracht werden'."
Es gibt sehr viele Hinweise, die diese Sichtweise untermauern. Aber es gibt auch sehr viele - ob bewusst, versehentlich oder aus Schlamperei ignorierte Hinweise, die, wie eingangs erwähnt, in eine andere Richtung deuten. Doch fangen wir zunächst einmal mit den Spuren zum NSU an.
Für die These, der NSU sei für das Heilbronner Attentat verantwortlich, sprechen natürlich zunächst einmal der Waffenfund und das Blut an besagter Jogginghose. Aber es gibt auch vielfältige direkte Verbindungen zwischen Michèle Kiesewetter, Martin Arnold und der rechten Szene.
Bekannt ist ferner, dass Uwe Böhnhardt einen Caravan angemietet hatte und er telefonisch den Mietvertrag verlängerte, zufällig zu dem Zeitpunkt, als Michèle Kiesewetter ihren Urlaub vorzeitig abbrach. Das Kennzeichen dieses Caravans wurde kurze Zeit nach dem Attentat in Heilbronn bei einer Polizeisperre etwa 20 km vom Tatort entfernt gelistet. Bis heute ist indes nicht bewiesen, dass Uwe Böhnhardt am Steuer dieses Caravans saß.
Informationen aus dem Nähkästchen
Kiesewetters Kollege Martin Arnold war (wenn es sich nicht um einen anderen Mann mit demselben Namen handelt) laut der ehemaligen V-Frau "Krokus", die Wolf Wetzel für sein Buch interviewte, in seiner Jugend links eingestellt und bei antifaschistischen Aktionen zu sehen gewesen. Allerdings gibt es auch von dieser Seite einen direkten Link zur rechten Szene. Und zwar durch seine Ex-Freundin Sigrun H., die nach der Trennung mit dem NPD-Funktionär Matthias B. anbandelte.
"Krokus" sagt, Sigrun H., sei ihre beste Freundin gewesen und als IG Metall-Jugendvertreterin "absolut links", bis eben zu dieser Liaison, die sie, "Krokus", dazu veranlasst hätte, sich dem Verfassungsschutz (VS) als Informantin anzudienen. In der Hoffnung, dass die Szene dadurch Schaden nähme und ihre Freundin zur Vernunft käme.
Sigrun H. wusste sicherlich viel über Martin Arnold. Gab sie dieses Wissen an die rechte Szene weiter? Jedenfalls tauchte die "linke" Jugendvertreterin laut "Krokus" ziemlich schnell in die Szene ein und zog mit dem NPD-Funktionär zusammen. In dem gemeinsamen Haus veranstaltete sie Tupper-Parties, zu denen auch "Krokus" eingeladen wurde.
Bei einer dieser Verkaufsveranstaltungen, so "Krokus", sei eine Frau dabei gewesen, in der sie später, im November 2011, Beate Zschäpe erkannt haben will. Es gab - wenn auch dementierte - Hinweise darauf, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos im direkten Kontakt zum Heilbronner KKK standen.
Zu dieser Szene gehörte laut "Krokus" auch eine Krankenschwester, die in der Klinik arbeitete, in die der junge Polizeibeamte direkt nach der Tat eingeliefert wurde. Diese Information gab sie an ihre Kontaktperson weiter, das führte schließlich dazu, dass Martin Arnold in eine andere Klinik verlegt wurde.
Michèle Kiesewetter bewegte sich sowohl räumlich, regional als auch personell ziemlich dicht am NSU-Umfeld, dem Thüringischen Heimatschutz (THS). Einer ihrer früheren Klassenkameraden war in der rechten Szene aktiv, ihre Cousine mit einem Neonazi verbandelt, unweit ihres Elternhauses befand sich eine Nazi-Kneipe, die dem THS als Treffpunkt diente. Ihr Onkel, der Vater besagter Cousine, Mike W., war wie sie Polizist und hatte als Staatsschützer mit Neonazis zu tun.
Zufälle gibt’s …
Mehr noch, Mike W. war liiert mit Anja T., jetzt W., einer Kollegin, die er 2002 bei der "SOKO Goldfasan" kennen und lieben gelernt hatte. Die" SOKO Goldfasan" befasste sich mit einer internationalen Mörderbande und es gelang ihr, tatsächlich einige Täter zur Strecke zu bringen, was eine Reihe von Ermittlungen gegen diesen Ring zur Folge hatte.
Wenige Tage nach dem Mord an seiner Nichte brachte Mike W. diesen in Zusammenhang mit den vermeintlichen NSU-Morden, die damals noch unter dem rassistischen Begriff "Döner-Morde" liefen. Bis heute ist nicht geklärt, wie er auf diesen Zusammenhang kam.
Anja T. hatte ein Jahr vor dem "Goldfasan" schon SOKO-Erfahrungen sammeln können. Und zwar in der "SOKO Peggy", die nach dem Verschwinden der damals 9-jährigen Peggy K. aus dem fränkischen Lichtenberg eingerichtet worden war. Der Leiter der "SOKO Peggy", bzw. der zweite als SOKO-Leiter eingesetzte Beamte, Wolfgang G., wurde später Leiter der "SOKO Bosporus", die die drei der neun NSU-Morde, die in Bayern stattfanden, aufklären sollte.
Dahinter ist jetzt allerdings keine Weltverschwörung zu vermuten, sondern der "SOKO Peggy" galt Wolfgang G.als erfahrener Beamter. Auch wenn diese Erfahrungen, wie wir heute wissen, dazu führten, dass Uvli K., der für den Mord verantwortlich gemacht wurde, vermutlich zu Unrecht verurteilt wurde.
Anja T. und Michèle Kiesewetter hatten sich angefreundet, gemeinsam mit Mike W. und dem damaligen Freund der ermordeten Polizistin verbrachten sie sogar einen Urlaub. Da die beiden Frauen sehr vertraut miteinander waren, liegt die Vermutung nahe, dass sie sich nicht nur über Privates, sondern auch über Berufliches austauschten. Z. B. über den Fall Peggy.
Diese Möglichkeit wurde aber erst interessant, nachdem Knochen des Mädchens gefunden wurden und es hieß, an diesem Fundort seien DNA-Spuren von Uwe Böhnhardt gefunden worden. Dieser Fund wurde umgehend dementiert. Bis heute ist die offizielle Lesart, die DNA-Spuren seien nicht am Tatort gefunden worden; es bleibt allerdings im Dunkeln, woher sie dann stammen.
Angeblich soll das Labor schlampig gearbeitet haben. Was dieses aber dementierte, was wiederum dementiert wurde. Vor lauter Dementi blickt niemand mehr durch, doch der Zusammenhang zwischen dem NSU und dem Mord an der kleinen Peggy ist offiziell vom Tisch.
Dieses Dementi-Wirrwarr ist übrigens nicht das Einzige im Zusammenhang mit dem NSU und dem Attentat von Heilbronn. Doch dazu später mehr.
Anja T. trennte sich von Mike W., nachdem sie ihren jetzigen Ehemann René W. kennenlernte. Später ereignete sich eine ziemlich kuriose Geschichte, in der bis heute nicht geklärt ist, wer die Wahrheit sagt, die aber dazu führte, dass sie mit 44 Jahren vorzeitig aus dem Polizeidienst ausschied.
Sie beschuldigte Kollegen, Hinweise in Bezug auf die NSU-Morde unterschlagen zu haben. Diese konterten mit dem Vorwurf, sie habe polizeiinterne Daten über die rechte Szene an ihren jetzigen Mann weitergegeben, der Teil eben dieser Szene sei. Der Sachverhalt konnte, wie gesagt, nicht geklärt werden, allerdings musste sie im Laufe des Verfahrens einräumen, dass sie via Facebook Kontakte zu Personen aus der rechten Szene sowie zur rechten Rockergruppen hatte.
Bei "Abolition 2014 - für eine Welt ohne Prostitution" ist dazu zu lesen: Anja W., die für "Ralf W., den Inhaber einer Sicherheitsfirma in Jena, Hunderte Informationen über Neonazis aus Polizeidatenbanken besorgt haben soll. Für W. arbeiteten einige der gefährlichsten Thüringer Skinheads. So zum Beispiel Martin R., der mit dem angeklagten NSU-Unterstützer Ralf W. eine Neonazi-Gruppe aufbaute: die Braune Aktionsfront. Inzwischen ist Anja W. mit dem Mann verheiratet, gegen den sie eigentlich ermitteln sollte, und der Uwe Böhnhardt flüchtig kannte".
Auch die Stasi bespitzelte die rechte Szene
Zurück nach Heilbronn. Inzwischen ist auch bekannt, dass die Thüringer Neonazis, darunter auch die drei als "NSU-Trio" bekannten Personen, rege Kontakte nach Baden-Württemberg hatten. Jene Kreise, die vermutlich über Informationen aus dem Privatleben Michèle Kiesewetters verfügten, zu jenen Kreisen, die auf Informationen aus dem Privatleben von Martin Arnold zurückgreifen konnten.
Was eventuell erklären könnte, wieso der NSU wusste, dass es diesen spontanen Einsatz gab. Es erklärt aber immer noch nicht, woher sie gewusst haben sollten, dass Michèle Kiesewetter und Martin Arnold ein Team bildeten, geschweige denn, wann und wo die beiden Pause machen.
Es sei denn, jemand war ganz dicht an ihnen dran, der diese Informationen weitergegeben hätte. Das schiene nahezu ausgeschlossen, dass Polizeibeamte mit Neonazis paktieren, um ihre Kollegin und ihren Kollegen aus dem Weg räumen zu lassen. Wenn, ja, wenn es da nicht die Eigentümlichkeiten gebe.
Eine davon ist die mittlerweile nicht mehr bestreitbare Verquickung zwischen staatlichen Organen und der rechten Szene durch das Anwerben von V-Leuten. Insgesamt sind bis heute mehr als 40 V-Leute im Zusammenhang mit dem NSU aufgetaucht. Über Baden-Württemberg gibt es diese nette Geschichte, dass zwei V-Leute sich über zwei nicht anwesende Personen unterhielten, die ihrerseits auf der Gehaltsliste des VS standen. Was die einen aber von den anderen nicht wussten.
Laut der Frankfurter Rundschau (FR) hatte der Staatsschutz Kontakt mit dem 1991 verstorbenen Neonazi Michael Kühnen. Als er 1982 nach seiner Haftstrafe entlassen wurde, zu der er im "Bückeburger Prozess" verurteilt wurde, soll er laut FR "mit einem Fahrzeug des niedersächsischen Verfassungsschutzes (LfV) vom Gefängnis abgeholt worden sein".
Diese Erkenntnis stammt aus einem Dossier, das die Stasi über Kühnen angelegt hatte. Dieses Dossier wiederum beruhte auf Erkenntnissen, die die Stasi vermutlich durch Abhöraktionen bundesdeutscher Geheimdienste gewonnen hat.
Laut Thomas Moser hat "die Veröffentlichung und Vergesellschaftung der Stasi-Unterlagen in Deutschland die Aufklärung der Geheimdienste in einem Quantensprung vorangebracht. Die Stasi-Akten sind ein Schlüssel zur Unterwelt dieser Institutionen".
Die bundesdeutschen Geheimdienste haben offenbar die Taktik, die schon bei der RAF nicht funktioniert hat, auf die Neonazi-Szene übertragen.
Allerdings hat sich die Stasi im Hinblick auf die bundesdeutsche Neonazi-Szene nicht mit Informationen aus Abhör-Aktionen bundesdeutscher Nachrichtendienste begnügt, sondern ihrerseits ebenfalls Spitzel angeworben. Von insgesamt 42 Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) ist die Rede.
Auch Manfred R., der Anfang der 1980er Jahre als führende Persönlichkeit in der rechten Szene galt und dem offenbar auch das NSU-Trio getreu zur Seite stand, sollte offenbar von der Stasi angeworben werden.
Letzter Flirt mit einem Neonazi?
Wolf Wetzel interviewt in seinem Buch eine Ex-Freundin von Florian H., einem der Zeugen, der kurz vor seiner Vernehmung auf dubiose Weise ums Leben kam. Die Ex-Freundin spricht ebenfalls von direkten Kontakten des "NSU-Trios" zur rechten Szene in Baden-Württemberg. Florian H. war früher in der rechten Szene "rund um Heilbronn" aktiv. In diesen Zusammenhängen sollen auch die drei verkehrt haben. Zudem erwähnt Wetzels Interviewpartnerin, dass Michèle Kiesewetter "etwas mit einem aus der Gruppe", wohl "rund um Heilbronn" hatte.
In einem Artikel in der Frankfurter Rundschau (FR) ist von einem Flirt, "ihr letzter Flirt", die Rede. Ein Flirt mit einem Neonazi? Laut Stern hat "zuerst selbst BKA-Präsident Jörg Ziercke noch über 'erstaunliche' Erkenntnisse aus dem Thüringer Umfeld der Polizistin und sogar von einem 'Beziehungsdelikt' gesprochen.
Hinzu kommt, dass Timo H., der Leiter jenes spontanen Einsatzes an jenem 25.4.2007, früher Mitglied des Heilbronner Ablegers des Ku Klux Klans (KKK) war. Der Beamte, der die Dienstwaffen von Martin Arnold und Michèle Kiesewetter in dem ausgebrannten Wohnmobil in Eisenach fand, war Michael M., der ehemalige Vorgesetzte von Kiesewetter-Onkel Mike W.. Noch so ein Zufall.
Die Hinweise in Richtung rechte Szene, wenn auch nicht in Richtung eines eigenständig und unabhängig agierenden Trios, scheinen plausibel. Wenn, ja wenn diese vielen Zufälle und die vielen Dementi nicht wären. Vor allem aber, wenn es nicht Spuren in ganz andere Richtungen gebe, die aber konsequent vernachlässigt, bzw. dementiert wurden.
Mit dem Islam hat das nichts zu tun!?
Da wäre zunächst einmal eine Spur in Richtung des fundamental-islamischen Terrors. Diese Verbindung erscheint völlig absurd. Doch von Anfang an gibt es Spuren in diese Richtung. Wir erinnern uns, als erstes erschien der Taxifahrer Jamil C. am Tatort. Allerdings wurde er von den wenig später eintreffenden Polizeibeamten weggeschickt.
Später wurde er vernommen, doch für seine Beobachtungen interessierte sich niemand so wirklich. Offenbar nicht nur für seine Beobachtungen, sondern auch für seine Person. Denn Jamil C. ist nicht nur ein harmloser Taxifahrer mit dem berühmten Migrationshintergrund, sondern er ist Europachef der radikal-libanesischen Amal-Bewegung.
Das sagt jetzt vermutlich den meisten nichts. Aber viele werden sich an den Anschlag auf das Restaurant "Mykonos" im September 1992 in Berlin-Wilmersdorf erinnern. Den Behörden war bekannt, dass Jamil C. für die libanesische Hisbollah-Bewegung aktiv ist.
Laut Südwest Presse (SWP) ist "durch öffentlich gemachte Protokolle heute bekannt, dass C. als Europa-Chef der Amal-Bewegung fungierte, einer schiitischen Gruppe, die großen Einfluss im Libanon besitzt und unter anderem mit der Hisbollah kooperiert. Außerdem berichtet die SWP:
Schon vor 20 Jahren war der Amal-Mann Zeuge vor dem Kammergericht Berlin, das nach 246 Verhandlungstagen, verteilt auf dreieinhalb Jahre, über den Mord an vier Kurden im Restaurant "Mykonos" zu urteilen hatte. Im Protokoll ist Jamil C. erwähnt als "Repräsentant der Amal für Deutschland und andere europäische Staaten und Vorsitzender des Vereins Solidarität Libanon eV". Einer der vier Angeklagten war im November 1992 bei ihm in Heilbronn, weil er Geld für die Flucht brauchte. C. lehnte ab. Das Gericht habe seine Zeugenaussage als "weitschweifig", ausweichend und widersprüchlich' bewertet, steht im Urteil. Die Killer hätten ihren Auftrag vom iranischen Geheimdienst bekommen.
Südwest Presse
Interessant ist in dem Zusammenhang auch, dass die SWP schreibt, für Verhandlungen mit der Hizbullah habe Jamil C. nicht nach reisen müssen, sondern Unterhändler aus dem Libanon seien nach Heilbronn gekommen. Doch es kommt noch besser.
Heilbronn als Drehscheibe für Informationsaustausch zwischen fundamental-islamischen Terroristen und Geheimdienstlern?
Laut Stern wurde eine "Dreiviertelstunde vor dem Mord auf der Autobahn 6 bei Heilbronn in einem BMW mit Tarnkennzeichen der US-Streitkräfte" ein US-Elitesoldat geblitzt. "Am Steuer saß Master Sergeant Andrew H., der damals wie Kiesewetters Einheit in Böblingen stationiert war. H. war auf islamistischen Terror spezialisiert und wurde inzwischen wieder in die USA versetzt".
Laut Stern werden "die Special Forces vom US-Militärgeheimdienst DIA geführt. Weiter schreibt das Magazin:
Fünf Tage vor dem Mord an Michèle Kiesewetter schlagen US-amerikanische Sicherheitsbehörden öffentlich Alarm. Sie fürchten islamistische Terroranschläge in Deutschland. Besondere Brennpunkte sind Stuttgart, wo die Oberkommandos der US-Streitkräfte, das US-Africom und das US-Eucom, ihren Sitz haben. Sowie die Städte Ulm und Heilbronn, beides Zentren radikaler Islamisten. Sicherheitsvorkehrungen werden verstärkt. Dabei hilft auch die Bereitschaftspolizei, wie aus einem vertraulichen "Rahmenbefehl Nr. 10" des Innenministeriums Baden Württemberg hervorgeht. "Für sofortige Einsatzmaßnahmen stehen die bei den Dienststellen der Landespolizei im Einsatz befindlichen Kräfte der Bereitschaftspolizei zur Verfügung", heißt es in dem "nur für den Dienstgebrauch" eingestuften Papier. Liegt hier womöglich ein Schlüssel?
Stern
Weiter heißt es: "Offiziell fuhren die Bereitschaftspolizisten Michèle Kiesewetter und Martin A. für die Aktion 'Sichere City' Streife. Mit dieser Maßnahme wollte die Heilbronner Polizei Drogendealer und Straßenkriminelle einschüchtern. In dem Rahmenbefehl heißt es allerdings: 'Das Einsatzkonzept wird für diesen Zeitraum ausgesetzt.' Fuhren die Bereitschaftspolizisten also nicht etwa Streife, um Straßenkriminelle abzuschrecken, sondern Terroristen? Waren Michèle Kiesewetter und ihr Kollege an diesem Tag in geheime Sicherheitsmaßnahmen gegen den befürchteten Terror eingebunden? Vielleicht sogar, ohne es zu ahnen?"
Der Streifenwagen, mit dem Michèle Kiesewetter und Martin Arnold unterwegs gewesen seien, sei vorher im Objektschutz bei einer amerikanischen Einrichtung im Einsatz gewesen. Allerdings: "Der Verbleib des Streifenwagens, in dem Kiesewetter starb, ist unbekannt. Fest steht laut GBA nur, dass er sich nicht mehr im Bestand der Polizei befindet".
Auch soll ein Beamter des baden-württembergischen Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) sich in Sachen islamischer Fundamentalismus zu dem Zeitpunkt in Heilbronn aufgehalten haben.
Diese Geschichte ist eine von jenen in dem gesamten Zusammenhang, die durch lauter Dementi und Gegendementi sozusagen nicht mehr nachvollziehbar ist. Wetzel zitiert die Stuttgarter Nachrichten:
in Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz war am Tag des Heilbronner Polizistenmordes 2007 in der Neckarstadt. Das geht aus vertraulichen Dokumenten vor, die den 'Stuttgarter Nachrichten' vorliegen. Die Dokumente würden beweisen, dass sich der Geheimdienstler an diesem Tag mit einem Islamisten habe treffen wollen, um diesen als Informanten für den Dienst zu gewinnen.
Stuttgarter Nachrichten
Laut Wetzel bestritten Bedienstete des baden-württembergischen Innenministeriums vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) in Berlin, dass sich ein LfV-Mitarbeiter aus dem Ländle in Heilbronn aufgehalten habe.
Wetzel schreibt weiter, dass die Stuttgarter Nachrichten sich später zu einem Dementi veranlasst gesehen haben. Allerdings wird in dieser Gegendarstellung nicht behauptet, es habe sich kein LfV-Mitarbeiter in Heilbronn aufgehalten, sondern dieser habe nicht einen Islamisten treffen und anwerben wollen, sondern eine "hochrangige Zielperson aus dem Beriech des Rechtsextremismus". Für Wetzel ist dieses offizielle Dementi in der Zeitung der Beleg dafür, dass es nur eine Spur gibt - und zwar in Richtung rechte Szene.
Was aber, wenn die ursprüngliche Version stimmt? Laut Stern "bestätigte die heutige LfV-Präsidentin Beate Bube später in den 'Stuttgarter Nachrichten', dass an diesem Tag doch einer ihrer Kollegen in Heilbronn zu tun hatte. Zu dem Treffen mit einem Islamisten sei es aber wegen Sperrungen und Staus rund um den Tatort nicht gekommen. Der Chef des V-Mann-Werbers gab wiederum vor dem Berliner Untersuchungsausschuss zu Protokoll, der Mitarbeiter sei auf dem Rückweg nicht mehr aus der Stadt herausgekommen. Die Akten dazu waren da leider schon geschreddert".
Weiter gibt es laut Stern vom 25.4.2017 "weitere Indizien" für "die Anwesenheit von US-Agenten in Heilbronn": "Eine geheime Mail- und Faxkorrespondenz zwischen BND, Bundesanwaltschaft und Kanzleramt bezieht sich auf eine interne Prüfung der Amerikaner, die eine 'Beteiligung von zwei Mitarbeitern des FBI ergeben habe'. Nach Aktenlage, die zuerst Andreas Förster in seinem Buch 'Geheimsache NSU' - zu dem auch ein Mitautor dieses Artikels beitrug - enthüllte, verzichtete der BND allerdings auf weitere von den Amerikanern angebotene Gespräche zu den Hintergründen."
Im Zentrum dieser vermuteten oder tatsächlichen Geheimdienstaktivitäten steht ein Deutsch-Türke namens Mevlüt K., der sowohl auf der Gehaltsliste deutscher als auch US-amerikanischer und vermutlich auch türkischer Geheimdienste stand. Mevlüt K. hat im Zusammenhang mit der "Sauerlandgruppe" von sich reden gemacht.
Er soll derjenige sein, der der Gruppe Zeitzünder für die Sprengsätze geliefert hat, die bei Terror-Anschlägen zum Einsatz kommen sollten. Wie sich später herausstellte, waren lediglich drei der insgesamt 26 Zünder funktionsfähig. Ob das ein Versehen oder bewusste Manipulation war, konnte nie geklärt werden. Denn Mevlüt K. konnte sich in die Türkei absetzen, was auf Zusammenarbeit auch mit türkischen Geheimdiensten schließen lässt.
In die Beschaffung der Zeitzünder soll auch der Somalier Ahmed H. involviert gewesen sein. Dieser fuhr zudem zeitweilig ein Auto, einen Ford Escort Kombi, der dem Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz gehörte. Es konnte ermittelt werden, dass dieser Kombi dem V-Mann Talib O. zur Verfügung gestellt worden war.
Talib O. hatte u.a. die Aufgabe, die fundamental-islamische Szene u.a. in Heilbronn zu beobachten. Ahmed H. und Talib O. wurden wegen Mordes an drei georgischen Autohändlern in Heppenheim verurteilt. Die Leichen der drei Georgier sollen mit dem Kombi transportiert worden sein.
Nun wird es richtig interessant: Dieser Kombi taucht noch in einer anderen Kuriosität auf, die mit dem Mordfall Kiesewetter verbunden ist. Sicherlich erinnern Sie sich an das "Phantom von Heilbronn", eine Frau, die an 39 Orten in Mordfälle verwickelt gewesen sein sollte. Deren Spuren wurden auch am Tatort in Heilbronn gefunden.
Dieses "Phantom", so hieß es später, sei keine Verbrecherin, sondern eine Mitarbeiterin der Firma, die Wattestäbchen für DNA-Tests herstelle, die nachlässig beim Verpacken der Stäbchen gearbeitet hätte, so dass ihre Spuren an die verschiedenen Tatorte gelangt sei. Dieser Zufall könnte natürlich tatsächlich wahr sein.
Wenn da nicht wieder diese Eigentümlichkeit wäre: Diese "Phantom"-DNA taucht auch an dem Kombi auf, mit dem Ahmed H. und Talib O. die Leichen der drei Georgier transportierten, dem Kombi, als dessen Eigner das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz ermittelt wurde.
Friendly Fire?
Der Stern berichtet im April 2017, allerdings nicht ohne den Hinweis, dass die Echtheit des Papieres, auf die sich der Bericht bezieht, in Zweifel gezogen wurde:
Wenige Wochen nachdem die Öffentlichkeit erstmals von dem rechten Terrorkommando NSU und dessen Verwicklung in den Fall Heilbronn gehört hatte, berichtete der stern über den Verdacht, deutsche und US-Geheimdienste hätten die Schießerei möglicherweise beobachtet. Ein sogenannter 'Contact Report' schien das für den 25. April 2007 in Heilbronn zu protokollieren. Neben dem amerikanischen Berichterstatter wäre demnach auch mindestens ein Verfassungsschützer vom Landesamt Baden- Württemberg vor Ort gewesen. Dem Papier zufolge beschatteten sie einen gewissen Mevlüt K., dem außer der Beschaffung der Zünder für die islamistischen 'Sauerland- Bomber' auch Kontakte zu osteuropäischen Kriminellen nachgesagt werden. Die Observation endete angeblich um 13.50 Uhr durch einen Zwischenfall mit Schusswaffen auf der Theresienwiese.
Stern
Die Einsätze der US-Geheimdienstler sollen von US-Elitesoldaten abgesichert worden sein. Da käme dann Sergeant Andrew H. wieder ins Spiel.
Auch in anderen Medien war zu lesen, dass das Handy von Mevlüt K. zum Tatzeitpunkt in der Nähe der Theresienwiese eingeloggt gewesen sei. Allerdings berichten wieder andere, dass das nicht sein könne, da er sich zu dem Zeitpunkt in der Türkei aufgehalten habe. Was aber, wenn das alles gar keine Falschmeldungen waren?
Wenn es diesen Einsatz, dieses Treffen mit Mevlüt K. tatsächlich gegeben hat? Dann stellt sich doch die Frage, ob nicht vielleicht Michèle Kiesewette und Martin Arnold in Mitleidenschaft gezogen wurden, bei diesem "Zwischenfall mit Schusswaffen". Musste ein "Betriebsunfall" vertuscht werden?
Der Stern schreibt: "Schon sechs Wochen nach dem Polizistenmord, Anfang Juni 2007, hatten FBI-Beamte deutschen Kollegen mitgeteilt, nach ihrer Einschätzung stünden Täter mit Ausländerhass hinter der Migranten-Mordserie, also Rechtsextreme".
Möglicherweise wussten US-Geheimdienste schon damals mehr als die bundesdeutschen. Möglicherweise deutete sich aber schon hier ein Ablenkungsmanöver an. Wie praktisch, dass dann der ehemalige Vorgesetzte von Kiesewetters Onkel all diese stichhaltigen Beweise in Eisenach und Zwickau fand, und sich jede Nachfrage in Sachen "friendly fire" somit erübrigte.
Oder auch die Frage, ob der dubiose Einsatz an jenem Tag nicht Störenfrieden und Gelegenheitsdieben galt, sondern ob die Einheit involviert war in die Geheimdienstaktion. Vielleicht ebenfalls als Schutz? Wie der Stern schreibt, ohne Wissen der beiden späteren Opfer. Später wurde bekannt, dass die Bereitschaftspolizei auch im Rahmen der Terror-Abwehr aktiv werden sollte. Allerdings hieß es, diese Anweisung sei erst nach dem Tod von Michèle Kiesewetter erfolgt.
Der Fall Peggy K.
Noch eine Spur wurde konsequent nicht verfolgt, und zwar in Richtung Organisiertes Verbrechen. Im Sommer 2016 wurde bekannt, dass an einem Fundort, an dem Knochen der vermissten Peggy K. gefunden, auch Spuren von Uwe Böhnhardt gefunden worden seien. Da ging das große Rätselraten los: Wie kamen dessen Spuren an diesen Fundort?
Mit den Spekulationen kamen auch die Dementi. Der Zusammenhang zwischen den beiden Personen wurde bestritten, es hieß, das zuständige Labor habe nachlässig gearbeitet. Kennen wir das nicht irgendwoher? Das fragliche Labor dementierte das Dementi, das umgehend wieder dementiert wurde. Bis heute ist nicht geklärt, wie Spuren von Böhnhardt an den Fundort gelangt sein können.
Die damals 9jährige verschwand am 7. Mai 2001. Ihre Mutter Susanne hatte es aus Halle an der Saale nach Franken verschlagen. Zu dem Zeitpunkt soll der leibliche Vater aufgetaucht sein, der seine Tochter sechs Jahre nicht mehr gesehen haben soll. In Internetforen wird berichtet, dieser habe umgehend nach Peggys Verschwinden Suchflyer "in der tschechischen Kinderpornoszene" verteilt. Allerdings kursieren in der WeltWeitenWeisheit allerhand Geschichten und Räuberpistolen rund um Peggy, ihre Familie, seltsames Verhalten und mögliche Täterschaften.
Bis zum Sommer 2016 gab es keine Spur des Mädchens. Jedoch wurde in einem Indizienprozess Ende April 2004 Uvli K. wegen des Mordes an dem Mädchen verurteilt. Ihm wird zur Last gelegt, Jahre zuvor einen kleinen Jungen vergewaltigt zu haben. Andere Kinder soll er zu "Doktorspielen" animiert haben, bei denen er in deren Anwesenheit onanierte.
Diese Sexualstraftaten gelten als erwiesen. Peggy - und hier beginnt die Spekulation - soll er vergewaltigt haben. Und zwar wenige Tage vor ihrem Verschwinden. Der Hypothese des Gerichts zufolge soll er das Mädchen am Tag seines Verschwindens abgepasst, verschleppt und ermordet haben. In einem Wiederaufnahmeverfahren wurde er 2014 vom Vorwurf des Mordes freigesprochen, nicht jedoch von den Sexualstraftaten, die die anderen Kinder betreffen.
Inzwischen ist bekannt, dass der Onkel einer Spielkameradin dieser sexuelle Gewalt angetan hatte. Und zwar ebenfalls zu dem fraglichen Zeitpunkt. Auch Peggy kannte diesen Onkel. Im Sommer 2016 stellte sich die große Frage: Was hatte Uwe Böhnhardt mit Peggy K. zu tun?
Zur allseitigen Überraschung wurde bekannt, dass Böhnhardt schon einmal mit einem Kindermord in Zusammenhang gebracht wurde. Und zwar bereits 1994.
Ferner wird bekannt, bzw. die Information rückt in den Mittelpunkt öffentlichen Interesses, bekannt war sie vorher schon, dass der Thüringische "Heimatschützer" Tino B. einen munteren Handel mit Kinderpornos betrieb, Kinder in die Prostitution vermittelte und auch selbst Kinder zu sexuellen Handlungen zwang bis hin zu Vergewaltigungen.
Laut taz hat "die Anklage B. in 156 Fällen eigenen Verkehr mit minderjährigen Jungen gegen Bezahlung oder deren Vermittlung gegen 'Provision' an andere Erwachsene vorgeworfen. Es handelte sich um vier männliche Jugendliche unter 18 Jahren, ein weiteres Opfer war 13 Jahre alt". Verurteilt wurde er im Dezember 2012 wegen 66 solcher Fälle zu 5 ½ Jahren Haft.
Tino B. war einer der führenden Kader in der thüringischen Neonazi-Szene, aber auch darüber hinaus. Besonders "verdient" machte er sich in der Szene u.a. durch seinen Beitrag bei der Organisation des alljährlich in Wunsiedel stattfindenden "Rudolf Hess Gedenkmarsches".
In der Doku "Der NSU Komplex" von Stefan Aust berichtet er, wie ihm der Staatsschutz bei dieser verdienstvollen Aufgabe finanziell unter die Arme griff, z. B. durch großzügige Geldspenden, ohne die er die Organisation nicht hätte stemmen können, z.B., weil er die entstandenen Telefonkosten überhaupt nicht hätte finanzieren können.
Der "Rudolf Hess Gedenkmarsch" war lange Zeit eines der Hauptevents der deutschen Neonaziszene. Wer auf sich hielt, pilgerte nach Wunsiedel. Dieser Kristallisationspunkt, so viel ist nun klar, wurde möglich gemacht durch staatliche Beihilfe.
Schon früher Ermittlungen gegen Beate Zschäpe
Doch zurück zu dem Thema Kinderpornographie, bzw. -prostitution. Nachdem ein möglicher Zusammenhang zwischen der verschwundenen Peggy Knobloch und dem toten Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt bekannt wurde, wurde ebenfalls bekannt, dass auf dem oben erwähnten Rechner aus der Zwickauer Wohnung pornographische Aufnahmen von Kindern gefunden wurden.
Dieser Rechner wurde von den beiden Männern, aber auch von Zschäpe benutzt, gegen die schon in der Vergangenheit genau deswegen ermittelt wurde. Und zwar Ende der 1990er Jahre. Zu einem Verfahren kam es nicht, weil sie untertauchte. Die Stuttgarter Nachrichten stellten schon 2015 die Frage: "Finanzierte sich der NSU über Zuhälterei von Kindern?"
Laut Stuttgarter Nachrichten führte "aus dem Umfeld des NSU auch eine Spur nach Baden-Württemberg: Auf einer von Uwe Mundlos angefertigten Liste mutmaßlicher Kontaktpersonen des Trios findet sich auch ein Ludwigsburger. Er ist der Polizei auch wegen Kindesmissbrauchs bestens bekannt."
Zeugen berichteten offenbar auch, Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt seien von Kindern begleitet worden, als sie zwischen 2000 und 2011 Wohnmobile anmieteten.
Auffallend war zudem, dass, wie Thomas Moser schreibt, "im Wohnmobil von Eisenach auch Kindersachen lagen, unter anderem ein Teddybär, eine Puppe, eine Wasserspritzpistole und eine rosa Sandale." Das, so Kollege Moser, hätten Spuren sein können, "die auch in Richtung Kinderhandel, also organisierte Kriminalität (OK), weisen könnten".
Laut Spiegel lebte auch Peggy K. "umgeben von Pädophilen. In einem Gasthaus in der Nachbarschaft der Familie Knobloch traf sich nach Erkenntnissen der Fahnder regelmäßig eine Clique, die Kinderpornografie getauscht haben soll. Gegenüber von Peggys Elternhaus lebte Thorsten E., der wegen sexuellen Missbrauchs kleiner Mädchen zu Haftstrafen verurteilt wurde. Ein Halbbruder des Nachbarn, der häufig zu Besuch war und später als Hauptverdächtiger galt, wurde wegen schweren Missbrauchs seiner kleinen Tochter und eines weiteren Mädchens zu langer Haft verurteilt. Auf dem Computer des Bruders, der in der Wohnung über Peggy lebte, fand sich ebenfalls Kinderpornografie." Das Magazin fragt:
Hatte Böhnhardt Kontakt mit einem Pädophilen aus Lichtenberg? Könnte er auf diese Weise von der hübschen, blonden Peggy erfahren haben, die nach der Schule oft allein durch die Straßen lief, wenn die Eltern bei der Arbeit waren?
Spiegel
In besagtem Spiegel-Artikel taucht auch das bekannte Argument der Labor-Schlamperei wieder auf. Und zwar in Zusammenhang mit zwei Morden, einem davon an einem Kind:
In München wurde in der Wohnung des Mordopfers Charlotte B., einer reichen Unternehmerin, auf einem Glas in der Spülmaschine die DNA eines Mannes gefunden, der seine Spuren bereits auf der Holzkiste hinterlassen hatte, in der 1981 die damals zehnjährige Ursula H. qualvoll erstickte. Er wurde nie ausfindig gemacht. Man hielt die Spur schließlich für die Folge von Schlamperei im Labor.
Spiegel
In Sachen Kinderpornographie wurde nach November 2011 nicht mehr gegen Beate Zschäpe ermittelt. Weil die Mittäterschaft bei den zehn Morden, die ihr zur Last gelegt wird, schwerer wirkt, als der Besitz und auch der Handel von kinderpornographischem Material.
Zudem galten die Aufnahmen weitestgehend als harmlos. Im Zusammenhang mit dem Fall Sebastian Edathy werden wir später noch sehen, dass "harmlos" in keinem Fall harmlos ist für die betroffenen Kinder.
Offenbar enge Verknüpfungen zwischen der rechten Szene und der Organisierten Kriminalität
Der Zusammenhang zur Organisierten Kriminalität fiel nicht nur Thomas Moser auf, sondern auch dem Blog Abolition 2014 - für eine Welt ohne Prostitution. Sehr schnell drängt sich alleine bei der Person Beate Zschäpe der Zusammenhang mit der Organisierten Kriminalität, insbesondere im Bereich Drogen und Pädokriminalität, auf.
Laut Angaben eines Informanten des Verfassungsschutzes war Zschäpe wegen ihrer Drogensucht als V-Frau nicht infrage gekommen. Laut Informationen des Tagesspiegels hatten die Thüringer Behörden später den Verdacht, im Umfeld des abgetauchten Trios werde Kokain konsumiert und mit der Droge gehandelt. Allein das weist schon auf derartige Verbindungen hin.
"Abolition 2014 - für eine Welt ohne Prostitution" untersuchte auch die "Schnittmengen der Neonaziszene zum Rotlichtmilieu". Das Ergebnis ist beachtlich. Demzufolge wurde "bereits im Jahr 1994 (...) in Brandenburg eine antifaschistische Broschüre mit dem Titel 'Hinter den Kulissen #1' herausgegeben, in der die Autorinnen sich unter anderem unter dem Titel 'Rotlichtmilieu in Zusammenarbeit mit faschistischen Schlägern' mit den Verquickungen von Neonazis und Rockermilieu auseinandersetzten".
Erwähnt wird auch: "Sven R., ein guter Freund des späteren NSU-Trios, war schon Ende der 1990er Jahre ins sogenannte Rotlichtmilieu gegangen und gehörte einem kriminellen Netzwerk an, über das die Ceska und andere Waffen zum NSU gelangt sein sollen".
Auch er verdiente (und verdient ggf. immer noch) mit Prostitution sein Geld und saß interessanterweise 1993 mit Böhnhardt zusammen in einer Zelle in der JVA Hohenleuben". Außerdem gibt es auch hier eine Spur nach Baden-Württemberg: "R. machte auch Waffengeschäfte mit Jug P. , der ebenfalls aus dem Thüringer Heimatschutz stammt, und sich heute als Zuhälter in Baden-Württemberg finanziert."
Die Liste ließe sich fortführen. Außerdem werden in dem Blog auch entsprechende Verbindungen zwischen Neonazis und der Rockerszene geschildert. Wir erinnern uns: In dem Verfahren wegen möglicher Weitergabe von polizeiinternen Daten an die rechte Szene musste die ehemalige Lebensgefährtin von Kiesewetters Onkel, Anja W., Facebook-Kontakte zu Personen aus der rechten Szene und zum rechten Rockermilieu einräumen.
Die Berührungspunkte sind also vielfältig, diesen Spuren wurde nur nie nachgegangen. Bekannt ist zudem, dass Michèle Kiesewetter als "nicht offen ermittelnde Beamtin" (NoeB) im Einsatz war. In dem Rahmen war sie u.a. in der Diskothek "Luna" in Kornwestheim im Einsatz. Diese galt als "Russendisco", der Einsatz war Teil des Kampfes gegen die Organisierte Kriminalität, in diesem Falle die russische Mafia.
Der kürzlich verstorbene Schriftsteller Jürgen Roth hat aufgedeckt, dass diese in Baden-Württemberg, insbesondere im Raum Baden-Baden sehr aktiv ist. Der Stern berichtete, Michèle Kiesewetter habe "bei verdeckten Ermittlungen gegen eine russische Drogenbande als Lockvogel" gearbeitet. "Dazu könnte passen, dass sich in Tatortnähe offenbar mehrere Personen aufhielten, die mit der osteuropäischen Mafia zu tun haben. Laut LKA-internen Vermerken erbrachte ein Abgleich der Daten der Europol-Stelle für Organisierte Kriminalität aus Osteuropa mit Handydaten aus Heilbronn einige Treffer".
Außerdem war sie als NoeB in der Drogenszene eingesetzt. Wie bereits erwähnt sind auch islamische Fundamentalisten häufig in dem Milieu zu finden. Auch Mevlüt K., der mittlerweile in der Türkei untergetaucht ist, werden Kontakte zu "osteuropäischen Kriminellen" nachgesagt.
Alles andere als "harmlos"
Das kinderpornographische Material, das auf dem Rechner in der Wohnung in Zwickau gefunden wurde, gilt größtenteils als nicht strafrelevant. Also als "harmlos". Am Beispiel Sebastian Edathy lässt sich belegen, dass auch scheinbar "harmlose" Aufnahmen Persönlichkeiten brechen, Familien und Existenzen zerstören können - selbst dann, wenn die betroffenen Jungen gar nicht gemerkt haben, dass sie fotografiert wurden.
Sexuelle Ausbeutung und Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist ein gravierendes gesellschaftliches Problem. Ein Teilbereich, der sich rasant ausbreitet aufgrund der technischen Möglichkeiten, die das digitale Zeitalter bietet, ist die Kinderpornographie. Hier sind Jungen sehr häufig Opfer.
Konsumenten kinderpornographischen Materials sind vorwiegend männlich, und in allen sozialen Schichten zu finden. So wundert es nicht, dass Kinderpornographie sowohl eine Rolle bei dem NSU-Trio und deren Umfeld spielt, die sowohl als Kundinnen und Kunden in Erscheinung treten, als auch Geld mit Vermarktung kinderpornographischen Materials und Kinderprostitution verdienen.
In Kundenlisten, die dem BKA vorlagen, tauchten aber auch Namen auf hochrangiger Beamter des Bundeskriminalamtes und z.B. der des früheren niedersächsischen SPD-Politikers Sebastian Edathy auf.
2009 richtete das BKA eine Sonderkommission zum Thema Kinderpornographie ein. Wie sich später herausstellen sollte, war ein hochrangiger Beamter dieser Kommission selbst Kunde eines internationalen Händlerrings. Das bei ihm gefundene Material wurde eindeutig als illegal eingestuft.
In der "Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität" in Gießen werden die durch bundesweite Ermittlungen zu Kinderpornographie gewonnen Erkenntnisse gebündelt. Den dort tätigen Beamten fällt auf, dass die Opfer immer jünger werden, dass selbst Videos mit Babys auftauchen.
Seit Jahren versucht die zentrale Ermittlungsstelle die Kinder zu identifizieren, indem das Material an Schulen, im Falle von Kleinkindern oder Babys auch an Kindergärten oder Hebammen, bundesweit verschickt werden. In der Hoffnung, dass im Kollegium jemand eines der Kinder identifizieren kann.
Eine Sisyphus-Aufgabe, die sowohl durch die mangelhafte personelle und technische Ausstattung erschwert wird, als auch durch die Fülle an Material, das zu überprüfen ist:
Während die Polizei bei Hausdurchsuchungen vor ein paar Jahren noch ein oder zwei Computer mitnahm, würde sie heute ganze Serverlandschaften beschlagnahmen. So wie die Speicherkapazitäten wachsen, wächst auch die Zahl der Bilder und Videos." Jedes einzelne Video und jedes einzelne Foto wird von den Beamtinnen und Beamten überprüft.
NDR
Der Fall Edathy
Um eines unmissverständlich vorauszuschicken: Das politische Wirken des ehemaligen niedersächsischen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy soll auf keinen Fall mit dem der NSU-Terrorbande und dem mit ihm verbundenen Netzwerk auf eine Stufe gestellt werden.
Sebastian Edathy galt als integrer Politiker. Von Januar 2012 bis zum 10. Februar 2014 war Edathy Vorsitzender des 2. Untersuchungsausschusses des 17. Deutschen Bundestages "Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund" und Mitglied der entsprechenden Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion.
Edathy galt als engagiert, kompetent und nachdrücklich bestrebt, die vielen Ungereimtheiten im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum NSU sowie des Thüringer Heimatschutzes aufzuklären. Das bescheinigten ihm ausnahmslos alle in dem Ausschuss vertretenen Politikerinnen und Politiker. Für seine Arbeit wurde er mit dem Genç-Preis für friedliches Miteinander ausgezeichnet.
Er selbst macht sich aber durch sein fragwürdiges "Kunst"verständnis in Form einer Sammel-Leidenschaft von im Internet erwerblicher Fotos unbekleideter (männlicher) Kinder, sogenannter Posings, selbst mit den von ihm politisch bekämpften pädokriminellen Rechts-Terroristen gemein.
Das bei Edathy gefundene Material gilt in Deutschland als nicht strafrelevant, was allerdings nicht für Edathy spricht, sondern gegen die lasche Gesetzgebung. So fordert z.B. der Kinderschutzbund, die Vermarktung und den Konsum von Fotos unbekleideter Kinder grundsätzlich unter Strafe zu stellen.
Händlerringe im digitalen Zeitalter
Im Jahr 2005 wurde die kanadische Polizei auf "Azov Films", einem vom Kanadier Brian Way betriebenen Internet-Versandhandel aufmerksam. Dieser verkaufte über das Internet Coming-of-Age- und "naturistische" Filme, in denen meist nackte minderjährige Jungen zu sehen waren.
"Rare boy-based coming of age films, documentaries, photos, and family naturist films from around the world! You will find controversial writings and feature films, in addition to naturist films suitable for viewing by the entire family!"
(Seltene Jugendfilme (männlicher Jugendlicher), Dokumentationen, plus FKK-Aufnahmen aus aller Welt! Sie werden umstrittene Schriften und Spielfilme finden neben Nacktaufnahmen, geeignet für die gesamte Familie.)
xmarks.com
Unter "coming of age films" werden Filme verstanden, deren jugendliche HeldInnen von grundlegend menschlichen Fragen bewegt werden. Auch Sexualität Heranwachsender kann darin eine Rolle spielen. Im Fall von "Azov Films" ist Sexualität die Grundlage der Aufnahmen.
Mit anderen Worten: Es handelt sich um pornographisches Material. Ob diese sexuellen Handlungen freiwillig oder unter Zwang ausgeführt werden, ob das Einverständnis der Handelnden mit der (weltweiten) Vermarktung der Aufnahmen vorliegt, lässt sich den Filmen häufig nicht entnehmen.
Bei jugendlichen Darstellerinnen und Darstellern würde dazu zudem das Einverständnis der Erziehungsberechtigten benötigt. Die Möglichkeit, dass die Protagonistinnen und Protagonisten zu den Aufnahmen gezwungen wurden, und sie nicht um ihr Einverständnis für deren Verbreitung gefragt wurden, muss bei solchem Material also grundsätzlich in Betracht gezogen werden.
Wir erinnern uns: Auch auf dem PC von Beate Zschäpe wurden solche sexualisierten "Coming of Age"-Filme, sprich Jugend-Pornos, gefunden. Allerdings machte sich niemand die Mühe, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Sich dafür zu interessieren, wer dieses Material vermarktet hat, wo die Aufnahmen entstanden sind, und vor allem: Wer sind die darauf agierenden Personen?
Handelten sie gezwungenermaßen? Wurden sie zur Erstellung weiteren Materials gezwungen? Wo und unter welchen Bedingungen leben sie? Was ist aus ihnen geworden? Diese Fragen stellte übrigens auch im Zusammenhand mit Tino Brandts schwungvollem Kinderhandel niemand.
Mit dem Argument, Zschäpe habe für den Vorwurf "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung", der immerhin zehn Morde und ein Bombenanschlag zur Last gelegt werde, die Höchststrafe zu erwarten, wurden die Pornos ad acta gelegt.
Auch in Kanada sah die Polizei zunächst von Strafverfolgung ab, weil das Material auch nach kanadischer Gesetzgebung nicht als illegal eingestuft wurde. Doch 2010 geriet Way, bzw. "Azov Films" ins Visier rumänischer Ermittler. Und zwar hatte Way den Vertrieb von Aufnahmen gemanagt, die ein Deutscher in Rumänien von männlichen Kindern und Jugendlichen, manche von ihnen nicht älter als 8 Jahre, gemacht hatte, und die von einem rumänischen Gericht als "obszön" und an der "Grenze zu pornographisch" eingestuft wurde.
Die deutsche Charmeoffensive
Im Jahr 2001 verdingte sich der damals 23jährige Karatelehrer Markus Rudolph R. in Rumänien als Verwaltungsangestellter bei einer deutschen Möbelfirma. Der Job reichte ihm offenbar nicht, in doppelter Hinsicht: finanziell - und er kam seiner Neigung nicht entgegen. Was damals in Rumänien niemand ahnte: R. hatte sich aus Deutschland abgesetzt, nachdem er eine Haftstrafe wegen "sexuellen Missbrauchs" einer seiner Karateschüler abgesessen hatte.
Also kam er auf die Idee, seine Karatekenntnisse zu nutzen, und sich so wieder Zugang zu männlichen Kindern und Jugendlichen zu verschaffen. Ohne dass irgendjemand daran Anstoß nehmen könnte. R. bestach die Kinder und Jugendlichen mit großzügigen Aufmerksamkeiten, z.B. Eis, und hatte bald 200 Schüler.
Im Gegenzug ließen diese sich bereitwillig filmen. U.a. auch ganz offen auf Familienfeiern. Dabei fiel Erwachsenen später auf, dass alles Film- und Fotomaterial, auf dem R. selbst zu sehen war, verschwand. Außerdem lehnte er es grundsätzlich ab, mit den Kindern oder deren Angehörigen auf Zusammenkünften fotografiert zu werden.
Dem "Toronto Star" gegenüber gab er an, er habe 2007 begonnen, Videos seiner Karateschüler auf ein Internetportal namens "funfightkids.com" zu stellen. Daraufhin sei er von "Azov Films" kontaktiert worden. Zuerst habe er die Jungs in Unterwäsche gefilmt, aber schließlich bekam er ein verlockendes Angebot für Nacktaufnahmen.
Diese Verlockung gab er an die Jungen so weiter: 6 US-$ für Aufnahmen in Unterwäsche, das Doppelte ohne. Die Jungen wussten allerdings nicht, dass R. die Aufnahmen an "Azov Films" verscherbelte.
Ein Schäfer kam im Herbst 2009 zufällig dahinter, dass R. an abgeschiedenen Orten Filmaufnahmen mit den Jungen machte. Später fanden die Familien heraus, dass die Aufnahmen ihrer Söhne an Konsumenten in mehr als 90 Ländern verkauft wurden. Die Ermittlungen ergaben, dass sie von "Azov Films" vertrieben wurden. R. wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt, und im August 2012 entlassen. Für R. hat sich der Fall damit erledigt. Er lebt unter dem Namen "Florian B." an einem unbekannten Ort.
Für die meisten der betroffenen Jungen hatte das nachhaltige Konsequenzen. Nachdem klar war, dass "Azov Films"die Aufnahmen weltweit vertrieb, wurden sie z. T. stigmatisiert, und wurden aus ihren Cliquen ausgeschlossen. Sie trauten sich nicht mehr in die Schule, kapselten sich von Gleichaltrigen ab. Mehrere Eltern erzählten, ihre Söhne hätten eine komplette Wandlung vollzogen.
Die Mutter des Jungen, den R. anderen Eltern als seinen Sohn vorstellte, verließ mit ihrem Sohn den Wohnort. Der Junge wurde als "schwul" bezeichnet, in einer Gegend, in der Homophobie weit verbreitet ist. Außerdem wurden sie von anderen Eltern dafür verantwortlich gemacht, dass deren Söhne ebenfalls Opfer von R. wurden. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als die Koffer zu packen, und umzuziehen. Von Irgendwo nach Nirgendwo ... .
Das so entstandenen Film- und Fotomaterial gilt größtenteils als "harmlos", laut der derzeitigen bundesdeutschen Gesetzgebung würde deren Erwerb und Besitz als nicht illegal eingestuft. Doch die Geschichte hinter diesen als harmlos geltenden Fotos zeigt, dass sie für die Betroffenen alles andere als harmlos sind.
Der Fall Edathy weist zudem darauf hin, wo die Kunden der Pornoringe und die Freier von prostituierten Kindern und Jugendlichen auch zu finden sind: in den obersten Etagen von Politik, Justiz, Polizei und Wirtschaft.
Wir reden im Zusammenhang mit den Porno-Aktivitäten des NSU über eine Zeit, in der noch nicht jeder einen eigenen Rechner zuhause stehen und somit unkompliziert und unbegrenzt Zugang auch zu den dunklen Seiten der WeltWeitenWeisheit hatte. Die Kinder, die von Tino B. prostituiert wurden, wurden nicht an der nächsten Ecke für 5 Mark verhökert.
Wer also das Geflecht zwischen Rechter Szene, Organisierter Kriminalität und Staat entwirren will, muss nach den Hintermännern fragen - und nach den Kunden und Freiern aus dem Rotlichtmilieu. Die Antworten dürften allerdings die Grundfeste unserer Demokratie nachhaltig erschüttern.