SUV-Köpfe in Kampflaune
Die gepanzerten Gesellschaftssegmente setzen auf die Fahrzeugklasse der "Sport Utility Vehicles"
Der am Wochenende auf der Automobilausstellung IAA vorgestellte Audi Q7 ist vorläufiger Höhepunkt einer denkwürdigen Entwicklung: Trotz anhaltender Konjunkturschwäche und hohem Benzinpreis sind sogenannte "Sport Utility Vehicles" (SUV) der Renner auf den Straßen der Industrienationen. Ein näherer Blick auf das Phänomen lohnt.
Schon die SUVs der Konkurrenz, wie der BMW X4 und der Porsche Cayenne, überzeugen die Käufer durch erhöhte Sitzposition, Vierradantrieb und ein geländegängiges Image; vor allem aber durch ein massig-massives Geländewagen-Design. Der neue Q7 setzt nun noch einen drauf: Mit 5,09 Metern Länge, fast zwei Metern Breite und stattlichen 1,74 Höhe erinnert er an einen im Windkanal abgespeckten und dann lackierten Heuschober. Das gute Stück wiegt rund 2,3 Tonnen, die Blechkiste fegte bei einer Testfahrt in unter neun Minuten über die Nordschleife des Nürburgrings. über seinen Benzin-Verbrauch wird offiziell nicht gesprochen, er wird aber bei mindestens 20 Litern im Stadtverkehr liegen.
Damit steht der Q7 in einer Reihe mit den anderen SUVs, deren Verkaufszahlen seit Jahren steigen. Im ersten Halbjahr 2005 sind laut Kraftfahrtbundesamt (KBA) über 93.000 SUVs zugelassen worden, 8,5 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Der Trend geht deutlich Richtung immer schnelleren und zugleich immer größeren Autos. In den USA sind rund 25 Prozent aller verkauften Automobile SUVs. Das Marktforschungsunternehmen R.L. Polk Europe sagt voraus, dass bis 2008 der Gesamtmarktanteil in Westeuropa auf knapp sieben Prozent oder 1,2 Millionen Einheiten anwachsen wird. In der Schweiz sind es schon heute acht Prozent. Die Entwicklung hin zu diesen martialisch anmutenden Vehikeln ist nicht unkritisiert geblieben.
So wird zum einen auf die militärische Historie der Lifestyle-Panzer hingewiesen. Der "Hummer" gilt als Urvater aller SUVs, er basiert auf dem HMMWV (ausgesprochen: "Humvee") der US-Armee und wurde kurz nach dem ersten Irak-Krieg von General Motors auf den Markt gebracht. An dieser Stelle verschmolz das Phänomen der altbekannten, ebenfalls vom Militär entworfenen und später zu Stadtfahrzeugen evolvierten "Jeeps", mit den modernen, militärisch genutzten Fahrzeuge. Es war ausgerechnet Arnold Schwarzenegger, heute Gouverneur von Kalifornien, der 1992 den ersten zivilen Hummer erhielt. Er hatte immer davon geträumt einen "Humvee" für seine Shopping-Touren zu Nutzen. Damit wurde er Vorbild für eine Generation von Städtern, die in spritschluckenden Kleinlastern ihre Golftaschen spazieren fahren.
Schon vor den Anschlägen vom 11. September 2001 hatte Umfragen den Wunsch der US-Amerikaner nach "aggressiven" und "geschützten" Wagen herausgestellt. Die Industrie folgte mit Design und Namensgebung und brachte Modelle mit Namen wie "Stealth" und "Warrior" auf den Markt. Nach 9/11 wurden die USA als "Nation in Fear" bezeichnet, Sicherheit war und ist gefragt, Gated Communitites erleben eine neue Blüte. Aus Sicht von Kritikern sind SUVs mobile Gated Communitites, in denen Menschen abgeschottet von der Umwelt ihre Straßenverkehrspartner vor sich herschieben. Der Trendforscher Matthais Horx nennt diese Einspinnen in die fahrbare Sicherheitssphäre "Mobiles Cocooning".
Es war ebenfalls in den USA, wo SUV-Fahrer als "transformierte Soldaten mit Kampfauftrag" (Andrew Garner) bezeichnet wurden. So wurde das SUV schnell zum "SAV", dem "Suburban Assault Vehicle", ("Villenvorort-Kampfwagen"). Der hohe Spirtverbrauch und die Bulldozer-Mentalität der Autos und Fahrer wurde angeprangert, in der Kampage "What would Jesus drive?" kam es sogar zum christlich motivierten Protest gegen die SUVs.
Wie eine neue Mobilitätsstudie im Auftrag von Aral beweist, liegen die Gegner mit ihren sozialkritischen Argumenten gar nicht so daneben. "Mobil zu sein bedeutet heute", so die Studie, "sich immer wieder neue Spielräume zu erschließen. Einer dieser neuen Spielräume ist es, das Auto als eine Art Rüstung zu verstehen". Der Verkehr wird in diesem Spielraum als eine Art Kampfplatz wahrgenommen, "eine Arena, in der das Recht des Stärkeren gilt".
Sumo-SUV
Damit ist die Kritik gegen die SUVs aber noch nicht am Ende. So wird mokiert, dass das US-Transportministerium die SUVs als Kleinlaster klassifizierte; die Fahrer erhielten Steuererleichterung. "Nur" rund ein Viertel aller in den USA zugelassenen Fahrzeuge sind heute SUVs oder Pick-Ups, sie vebrauchen aber rund die Hälfte des in die USA importierten Öls. Der US-Verkehr steuert ohnehin den weltweit größten Einzelbeitrag zu den CO2-Emissionen bei. Da liegt für einige Kritiker der Schluss nahe, die Fahrer der 4-Rad-Karren als Gehilfen der Bush-Administration hinzustellen, welche bekanntlich die Abhängigkeit vom Öl hoch hält. In Zahlen ausgedrückt: Noch heute verbrauchen die USA rund ein Viertel der weltweiten Ölproduktion - bei fünf Prozent Anteil an der Weltbevölkerung.
Bei einigen Testvergleichen wird der CO2-Austoß der SUVs in Zusammenhang mit dem hohen Fahzeuggewicht gesetzt. So erhalten die durstigen Karossen auch noch gute Noten bei der Umweltverträglichkeit. Dabei verbraucht ein großer SUV im Vergleich zu einem Kombi mit gleicher Motorleistung durschnittlich rund ein Drittel mehr Treibstoff. Der urbane Lifestyle forderte 4-Rad-Getriebenes, dabei berühren die meisten dieser Schüsseln nie eine Schlammpfütze, weder Fahrwerk noch Reifen sind dafür ausgelegt: Die 235er Walzen stehen auf Hochgeschwindigkeit auf der Autobahn.
Nicht nur den passionierte SUV-Fahrer ficht das alles nicht an. "Das Thema Umwelt", so meint die Aral Mobilitätsstudie auf der etwas schwachen Basis von 80 Interviews, "kommt nicht zur Sprache. Es gibt kein schlechtes Gewissen mehr". Hoher Spritverbrauch und die damit verbundene Umweltverschmutzung spielen in den Überlegungen vieler Käufer kaum noch eine Rolle. Was der Kunde nicht fordert, will der Hersteller nicht bauen. Der "Verkehrsclub Deutschland" (VCD) wirft der deutschen Automobilindustrie vor, bei "moderner Umwelttechnik Nachholbedarf" zu haben. Tatsächlich sind die beiden Dreiliterautos von VW aus dem Programm verschwunden, Solarmobile und Alternativantriebe fristen ein Nischendasein.
Da passt es, das auch in Deutschland die SUVs lange Zeit von einer vernünftigen Steuer-Einordnung verschont blieben. Sie konnten als Kleinlaster angemeldet werden und ihre Fahrer genossen bis April 2005 geringe Steuerabgaben. So musste der Besitzer eines Volkswagen Touareg 5.0 V10 TDI lange nur 185 Euro Steuern zahlen, heute sind es 802 Euro. Eine interessante Steuerpolitik angesichts der Tatsache, dass sie vor allem von gut betuchten Doppelverdiener durch die Straßen gejuckelt werden.
Damit aber nicht genug. Die Fahrrad- und Fußgängergemeinde reibt sich auch an der äußeren Konstruktion der SUVs. Nicht nur, dass diese Fahrzeuge zusammen mit den beliebten Mini-Vans erheblich mehr Parkraum einnehmen als andere PKWs, sie sind zudem höher gebaut, so dass von den Fußwegen der Stadt kaum noch auf die andere Straßenseite geschaut werden kann.
Dazu kommt die nicht nur auf das Image beschränkte Durchsetzungsstärke der SUVs. Ihre Stoßstangen werden zum Teil von zusätzlichen "Bullenfängern" geziert, eine Modeerscheinung, der nun per EU-Richtlinie Einhalt geboten werden soll. In Zukunft müssen Stoßstangen die Wucht eines Fußgänger-Aufpralls besser absorbieren. Wie die Tests der EuroNCAP zeigen, warten die SUVs seit Jahren mit den schlechtesten Werten auf, wenn es um den Schutz von Passanten geht, wobei auch viele Limousinen und Kleinwagen nicht viel besser abschneiden. Bei den tonnenschweren SUVs landen die Fußgänger bei einer Kollision nicht auf der Motorhaube, sondern sie werden umgestoßen, schlimmstenfalls sogar überrollt.
Die technische Aufrüstung der Autos mit ABS und anderen Protektionssystemen verführt zu einem stetig steigenden Sicherheitsempfinden der Insassen. Das die Kulturträger des erhöhten Fahrens und bewehrten Einigelns oft gar nicht sicherer Reisen als ihre schwach motorisierten Stau-Mitbewerber, zeigen die Ergebnisse des Insassenschutztests des EuroNCAP: SUVs wie der "Land Rover Free Lander" oder der "Mitsubishi Pajero" bieten mit drei von fünf möglichen Sternen den Fahrgästen weniger Schutz als mancher Kleinwagen.
Auch der nun vorgestelle Audi Q7 wird seine agilen 350 PS nicht im Gelände, sondern vor allem auf der Autobahn ausspielen. Alle den SUV-Fahrern, die im Straßenverkehr trotzdem einen Hauch von Abenteuer verbreiten wollen, bietet der Zubehör-Handel seit einiger Zeit Schlamm aus der Sprühdose an.