Sabotage Nord Stream: Terroranschlag oder Geheimdienstoperation?

Karte: FactsWithoutBias1/wikimedia. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Mediensplitter (19): Was wusste Kiew? Nach ersten Meldungen über einen möglichen ukrainischen Terroranschlag auf Nord-Stream versucht sich die Ukraine-Koalition in Schadensbegrenzung.

Es ist ja jedem klar, wem das nützt. Und wer profitiert, der hat es auch getan.

Wladimir Putin

Es mag für Interessierte keine große Überraschung gewesen sein, aber für die breite Öffentlichkeit ist dies eine Sensation, die das politische Berlin in den nächsten Tagen erschüttern dürfte: Offenbar hat ein ukrainisches Terrorkommando vor einem halben Jahr, am 26. September 2022, einen Anschlag auf "Nord-Stream" geführt und Teile der Pipeline gesprengt (siehe: Nord-Stream-Explosionen: Die Spur der Täter führt in die Ukraine).

"Spur führt zu pro-ukrainischer Gruppe" titelte gestern die 20-Uhr-Tagesschau der ARD und verwies auf Recherchen der ARD und der mit US-Behörden überaus gut vernetzten Redaktion der Zeit, die bis dahin sorgfältig geheim gehalten wurden. Noch in der ZDF-"Heute"-Sendung eine Stunde zuvor gab es nicht den geringsten Hinweis auf die Nachricht.

Bereits die von Anfang an publizierten Rechercheergebnisse sind einerseits erstaunlich detailliert: Ausgangspunkt der Anschläge soll Deutschland gewesen sein. Ein sechsköpfiges Kommando hat sich offenbar bereits 20 Tage zuvor in Rostock auf eine Yacht begeben. Diese soll von einer in Polen ansässigen, zwei Ukrainern gehörenden Firma angemietet worden sein.

Die Bootsbesatzung bestand allem Anschein nach aus fünf Männern und einer Frau, neben dem Kapitän handelt es sich um zwei Taucher, zwei Tauchassistenten und eine Ärztin. Die Identität und Nationalität aller sechs ist noch unklar. Es wurden professionell gefälschte Reisepässe benutzt.

Auch sonst heißt es, die schwierige, technisch anspruchsvolle Spezialoperation – der Einsatz von Sprengstoff unter Wasser erfordert nicht nur besonderes Material, sondern auch Erfahrung und besondere technische Kenntnisse – sei in sehr professioneller Weise durchgeführt worden. Wenn auch nicht, ohne Spuren zu hinterlassen. Bislang hieß es, nur ein Staat (Militär, Geheimdienste etc.) könne eine solche Sprengaktion durchführen, wird in der Debatte kritisch angemerkt.

Es bleiben wesentliche Fragen einstweilen offen: Falls sich die These erhärtet, dass es sich tatsächlich um ein ukrainisches Kommando gehandelt hat, so wäre festzustellen, ob es im Auftrag der Regierung Selenskyj handelte oder im Auftrag einer anderen Macht.

Also: Was wusste Kiew? Was wusste Berlin? Und was wusste Washington?

Abstimmung in Washington, Minenräumung im Deutschlandfunk

Vor diesem Hintergrund erscheint auch die jüngste Washington-Reise des Bundeskanzlers, die auffälligerweise ohne Medienbegleitung stattfand, in neuem Licht. Handelte es sich in Wahrheit darum, dass die Regierungschefs ihre Reaktion auf die bevorstehenden Enthüllungen persönlich abstimmen wollten?

Oder gibt es womöglich weitere Rechercheergebnisse, die auf einen Auftrag aus den USA hindeuten und damit auf einen Anschlag des sogenannten "engsten Verbündeten" Deutschlands auf ihren sogenannten "wichtigsten Partner in Europa"?

Immerhin gibt es Hinweise aus anderen Quellen, die ins Spiel bringen, dass in den Tagen um den Anschlag auch ein US-Amphibienschiff in der gleichen Gegend nur 30 Kilometer entfernt unterwegs war, und "Minenräumung" trainierte.

Verteidigungsminister Boris Pistorius wiegelt heute Morgen im Deutschlandfunk alle entsprechenden Fragen ab:

Es ist immer interessant, solche Hinweise zu lesen. ... Jetzt hypothetisch zu kommentieren halte ich für nicht zielführend.

Boris Pistorius

Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um ein Täuschungsmanöver handelt, um pro-ukrainische Gruppen zu beschuldigen. Auch eine Form von Minenräumung. Eine ähnliche Zurückhaltung würde man sich jedenfalls auch bei Schuldzuweisungen in anderen Fällen wünschen.