Saddams Exekution und das Video
Die inszenierte Exekution oder: Wollen wir Wirklichkeit oder eine gesäuberte Simulation?
Die Exekution des irakischen Ex-Diktators Saddam Hussein kurz vor dem Ende des Jahres ist zweifellos eine politische Demonstration gewesen. Die Frage ist nur, wer den schnellen Abschluss des Prozesses mitsamt dem Todesurteil aus welchen Gründen wollte. Ganz offensichtlich sollte sich der Prozess nicht in einer sich verschlechternden Lage hinziehen, weswegen man auch ein nicht rechtsstaatliches Verfahren und vor allem eine Beschränkung auf nur einen Fall in Kauf nahm. Ging es nur darum, mit dem Tod durch den Strang ein symbolisches Zeichen für das Ende einer Ära und den Beginn einer neuen zu setzen oder wollte man lieber nicht zu tief in die Verstrickungen des Hussein-Regimes mit dem Westen oder gegen den Iran einsteigen (Mit der eiligen Exekution Husseins wird viel zugedeckt)?
Schon die Inszenierung der Exekution legt nahe, dass es nicht um eine klare Entscheidung, sondern um einen höchst komplizierten und umstrittenen Akt handelte. Ein "faires" Urteil war es nicht, wie es beispielsweise in Den Haag zumindest versucht wird. Innenpolitisch handelte es sich um eine verständliche Rache an dem grausamen Tyrannen, mit dem endlich Schluss gemacht werden sollte. Allerdings ist dieser nicht eben rechtskonforme Schluss in der Bürgerkriegssituation gleichzeitig ein Signal für weitere Konflikte zwischen den sich bekriegenden Parteien.
Die US-Regierung, die gewiss ihre Hände mit im Spiel hatte, versucht sich möglichst herauszuhalten und den Prozess sowie das Todesurteil und seinen Termin ganz der angeblich autonomen irakischen Seite zuzuschieben. Angeblich soll, wie die New York Times berichtete, die US-Regierung gar die Eile kritisiert haben, was man allerdings über manche formaljuristischen Bedenken hinaus kaum glauben mag, auch wenn die Übergabe Husseins an die Iraker erst kurz vor dessen Tod stattfand. Zumal auch im Weißen Haus bekannt sein dürfte, dass die Zustimmung zum Irak-Krieg auf einem Tiefpunkt gefallen ist und mittlerweile auch die symbolische Schwelle von 3.000 im Irak gefallenen US-Soldaten überschritten wurde.
Ob die geplante Bildberichterstattung über die Exekution nicht geglückt ist oder gezielt anders als angeblich beabsichtigt abgelaufen ist, bleibt umstritten. Bekanntlich wurde zunächst nur ein Teil eines offiziell gedrehten Videos freigegeben, das den Ablauf zeigt, bis Hussein das Seil um den Hals gelegt wird. Kurz darauf aber wurde ein Video, das offenbar ungehindert mit einem Kamerahandy aufgenommen werden konnte, im Internet gepostet und dort zu einem Hit (Ein zweites Video zeigt die ganze Hinrichtung Saddams). Hier lässt sich nicht nur die Exekution bis zum Ende sehen, sondern auch hören, wie die Henker und Zuschauer den Diktator beschimpfen, als würde es sich um eine öffentliche Hinrichtung handeln (was sie mit der Veröffentlichung des Handy-Videos auch geworden ist). Zudem fand die Hinrichtung an einem muslimischen und sunnitischen Feiertag statt und ließ man Hussein nicht einmal sein Gebet fertig sprechen. Was als Provokation der Sunniten erscheint, macht den Diktator gleichzeitig zu einem Märtyrer und untergräbt die Rechtsordnung.
Angeblich habe es ein Abkommen gegeben, sagte Maliki-Berater Askari, keine Handys mit in den Exekutionsraum mitnehmen zu können. Kaum glauben mag man, dass einer der geladenen "Gäste" für die Exekution ein Handy unbemerkt hätte einschmuggeln können. Noch unwahrscheinlicher ist, dass derjenige, der das im Internet zirkulierende und dann auch von Medien wie BBC oder CNN gezeigte Video aufgenommen hat, dies unbemerkt hätte machen können. Vermutlich waren die Auswahl der um die 20 Zuschauer und die Kontrolle von diesen nicht wirklich von der Maliki-Regierung durchzuführen, wenn sie nicht selbst bis weit nach oben unterwandert ist. Da der Name al-Sadr während der Exekution fiel, ist dies als Hinweis auf die Macht der schiitischen Milizen zu verstehen. Sie konnten die Hinrichtung mit dem Video für eigene Propagandazwecke ausbeuten. Allerdings muss sich auch jede Regierung fragen lassen, die die Todesstrafe im Namen des Volkes vertritt, warum diese dann heimlich vollzogen werden sollte. So haben die Henker und Zuschauer die Hinrichtung zum Spektakel der Medienöffentlichkeit werden lassen und gleichzeitig Saddam Hussein noch einmal eine Bühne geboten.
Nun will die irakische Regierung - der kurdische Präsident Talabani hatte zwar dem Todesurteil nicht zugestimmt, aber auch nicht widersprochen - eine Untersuchung einleiten, wie die Exekution hatte gefilmt werden können und warum einige Wächter "unangemessene" Slogans - "Fahr zur Hölle!" oder Moktada as-Sadr-Hochrufe - äußern konnten. Al-Rubaie, der Sicherheitsberater der irakischen Regierung, erklärte, dass das Video "großen Schaden an allen Fronten" bewirkt habe.
Wenn es zutrifft, dass das irakische Innenministerium angeordnet hat, mehrere sunnitische Fernsehsender zu schließen, die angeblich Hass schüren, dann wird man zumindest gewahr, wie kompliziert das Spiel der Macht derzeit im Irak ist. Nach Angaben der irakischen Regierung sind 2006 16.273 Iraker gewaltsam getötet worden, darunter 14.298 Zivilisten, 1.348 Polizisten und 627 Soldaten. Möglicherweise fehlen hier die Bilder, um dieser Realität des andauernden Massenmordes gewahr zu werden. Den Tod und die Grausamkeit nicht zu zeigen, kann auch eine Verleugnung sein. Dann lassen sich die Augen und auch die Grenzen vor den Flüchtlingen besser schließen, die dieser Hölle entkommen wollen (Immer weniger Geld für immer mehr irakische Flüchtlinge). Auch die US-Regierung, immerhin für die Zustände im Irak mit verantwortlich, hat, wie die New York Times berichtet nicht einmal ein Flüchtlingsprogramm eingerichtet.