Sag zum Abschied leise Tschö
Die Popkomm: Eine Messe ohne Heimat für eine Branche ohne Zukunft
Zum letzten Mal wird am Donnerstag in Köln die Musikmesse Popkomm eröffnet. Nächstes Jahr soll es krisenbedingt nach Berlin gehen. Passend dazu hat die deutsche Musikwirtschaft deftige Umsatzeinbußen zu verkünden. Das als Antwort darauf gehandelte deutsche Download-Portal lässt weiter auf sich warten.
Seit Jahren ist die Popkomm in Köln der Krisengipfel der deutschen Musikwirtschaft. Nun droht die Messe selbst zum Opfer der Krise zu werden. Seit zwei Jahren hat man nicht nur mit deutlich zurückgehenden Besucherzahlen zu kämpfen. Auch die Aussteller bleiben der Popkomm immer öfter fern. Die Viva Medien AG zog deshalb im Juli kurzerhand die Notbremse und verkündete, bereits im nächsten Sommer auf dem Berliner Messegelände aufzuschlagen."Die Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen, aber nur so können wir die Zukunft der Popkomm sichern", erklärte dazu Viva-Chef Dieter Gorny.
Eine weitere Neuheit gibt es bereits dieses Jahr zu bestaunen: den Popkomm-Publikumsbereich. War die Messe bisher allein Branchenprofis vorbehalten, so öffnet sie jetzt auch fürs gemeine Volk ihre Tore. Jedenfalls ein Stück weit. Aussteller dürfen sich in einer eigenen Messehalle dem Verbraucher präsentieren, und im Rahmen des Publikums-Kongresses erklären Oli P. und Magix, wie heute Hits produziert werden. Dahinter steht die Idee, zumindest auf dem Papier mal wieder mehr Besucher zu haben - auch wenn sie nur 12 Euro zahlen anstatt der sonst üblichen 290 Euro. Ob das Konzept aufgeht, bleibt fraglich. Welche Firma will schon in Zeiten drastisch zurückgeschraubter Budgets gleich in zwei Messestände investieren?
17 Prozent Umsatzeinbußen
Fest steht: Auch in diesem Jahr werden Besucher auf der Popkomm kein deutsches Download-Portal finden. Eigentlich hätte die Plattform Phonoline.de pünktlich zur Messe starten sollen. Inspiriert vom werbewirksam inszenierten Erfolg des Apple Music Stores sollte sie als gemeinsame Großhandelsplattform aller fünf Plattenfirmen anderen Web-Anbietern erlauben, einzelne Downloads ab 99 Cent zu verkaufen. Monatelang verhandelte die Branche über die Details, angeblich wurde man sich dann kurz vor der Popkomm endlich einig. Doch bis zum vergangenen Wochenende soll die Idee immer noch nicht von den Konzernzentralen der Labels abgenickt worden sein.
Selbst wenn tatsächlich auf der Popkomm der Durchbruch verkündet werden sollte, ist es unwahrscheinlich, dass Phonoline bei den Konsumenten Erfolg haben wird. Das Angebot soll anfänglich 100.000 Songs der fünf großen Plattenfirmen umfassen. Diese werden zum Startpreis von 99 Cent angeboten, möglicherweise kosten einige Songs auch mehr. Per Kopierschutz wird die Wiedergabe auf einen Rechner beschränkt. CD-Brennen soll theoretisch möglich sein, hängt aber in der Praxis von den jeweils vom Label genehmigten Rechten ab. All das wird Tauschbörsen-verwöhnte Musikfans kaum glücklich machen. Mit zahllosen Downloads und selbst gebrannten CDs haben sie dazu beigetragen, dass die deutsche Musikwirtschaft Umsatzeinbrüche von 17 Prozent verzeichnet.
Tod allen Ungläubigen!
Deshalb werden die Branchenverbände der Musikwirtschaft wie jedes Jahr auch dieses Mal zur rhetorischen Keule gegen P2P-Nutzer greifen. Das neue Urheberrecht biete jetzt endlich eine Handhabe gegen Downloads aus Tauschbörsen, wird es dazu heißen. Gemeinsam mit den Download-Initiativen der Wirtschaft werde dies ermöglichen, das Ruder herumzureißen.
Manch ein Journalist wird sich in diesen Pressekonferenzen an den als Comical Ali bekannt gewordenen Sprecher des Hussein-Regimes erinnert fühlen. Doch der letztmalig in Köln versammelten Branche droht möglicherweise schon bald ein ähnliches Schicksal wie Mohammed Saeed al-Sahhaf: Der wiederholte beständig vor laufenden Fernsehkameras seine siegessicheren Mantras, um sich dann eines Tages ganz plötzlich in Luft aufzulösen.
Telepolis-Autor Janko Röttgers wird der Popkomm dieses Jahr fern bleiben. Dafür hat er jetzt das Buch Mix, Burn & R.I.P. - Das Ende der Musikindustrie veröffentlicht, das in diesen Tagen im Heise Verlag erscheint. Begleitend zum Buch unterhält er eine Website unter www.mixburnrip.de