Salafistische Strukturen in Ostwestfalen-Lippe

Blick vom Hermannsdenkmal auf der Grotenburg in Richtung Nordwesten über den Teutoburger Wald. Bild: Arminia / CC BY-SA 3.0

Offenbar bieten gerade ländliche Strukturen den passenden Rahmen für fundamental-islamische Terrorgruppen und deren Helfershelfer

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Ostwestfalen-Lippe (OWL) ist eine zu Unrecht von Medien und Tourismusverbänden vernachlässigte Region. Idyllisch gelegen, zwischen dem Weserbergland über den Teutoburger Wald hinaus bis an die Grenzen des Sauerlands, bieten Sehenswürdigkeiten, verschlafene Dörfer und heimelige Kleinstädte mit neckischen Altstadt-Quartieren mit Kopfsteinpflaster und Fachwerkbauten reichlich Gelegenheit zur Erholung.

Die Gegend, in der Fuchs und Hase sich gute Nacht sagen, war einst berühmt für große Textilspinnereien. Flachs wurde darin in harter Arbeit, insbesondere von Frauen, zu Leinen verarbeitet, aus dem dann Bettwäsche, Hemden, etc. hergestellt wurde. Später spannen nur noch Rechtsextreme, und zwar Netzwerke, die z. T. bis heute erhalten sind.

Neonazis, Antifaschisten und Salafisten

Die zu einer Haftstrafe verurteilte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck hat dort ihr Refugium. In den 1970ern nutzen Neonazi-Gruppierungen die Wälder für Wehrsport-Übungen, Jugendcamps, z. B. von der IG Metall, wurden schon mal überfallen und der Gedenkort Stukenbrock, ein ehemaliger sowjetischer Soldatenfriedhof, an dem seit Jahrzehnten alljährlich zum 1. September eine Antikriegs-Veranstaltung stattfindet, musste vor Übergriffen durch Neonazis geschützt werden.

Im selben Jahrzehnt entstand dort auch eine antifaschistische Jugendkultur, die sozialdemokratische, sozialistische, kommunistische und gewerkschaftliche Jugendliche alljährlich zu einer dreitägigen, bzw. nächtlichen Mahnwache zusammenbrachte. Eine Tradition, die bis heute erhalten wurde.

In der Bleichstraße in Bielefeld, der "Metropole" Ostwestfalens, siedelte sich Mitte der 1980er Jahre ein Neonazis-Zentrum an. Der entschiedene Widerstand der antifaschistischen Kräfte sorgte dafür, dass es alsbald geschlossen werden musste. Als das Monatsmagazin Konkret Anfang der 1990er Jahre eine Liste mit Orten veröffentlichte, an denen es zu fremdenfeindlichen Übergriffen durch Rechtsextreme gekommen war, reihte sich auch so manches Örtchen in OWL darin ein.

Einige rechte Netzwerke wurden zerschlagen, manche zerfielen, andere überlebten und es kamen neue dazu. Die ländliche Struktur sowie die stark bewaldete Landschaft laden quasi dazu ein.

Als hätten sie es sich von den Rechten abgeguckt, breiten sich seit Anfang dieses Jahrtausends salafistische Netzwerke in der beschaulichen Postkartenidylle aus. Die Herforder Lehrerin und Mitbegründerin der Präventionsinitiative "extremdagegen!", Birgit Ebel, und diverse lokale Medien, u.a. die Lippische Landes-Zeitung (LZ) und die Neue Westfälische (NW), recherchierten die Funktionsweise der salafistischen Netzwerke für die Region Ostwestfalen-Lippe (OWL).

Das Ergebnis ist so atemberaubend wie der Blick auf die berühmten Externsteine aus der Luft.

Allein in NRW soll es 3.000 Salafisten geben

Laut Verlautbarungen von Polizei und Sicherheitsbehörden "konnten rund 2.220 Personen mit Deutschlandbezug ausgemacht werden, die dem islamistisch-terroristischen Spektrum angehören", berichtete die Berliner Morgenpost Mitte August. Demnach "rechneten die Behörden Ende Mai noch rund 1.900 Männer und Frauen dem 'islamistisch-terroristischen Personenpotenzial' (ItP) zu. Ein Jahr zuvor waren etwa 1.700 Menschen in diese Kategorie eingeordnet worden".

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) habe erstmals "Details über die Angehörigen der insgesamt etwa 11.200 Anhänger starken Salafisten-Szene in Deutschland aufgeschlüsselt. So ist etwas mehr als ein Drittel (38 Prozent) der Salafisten zwischen 26 und 35 Jahre alt. Ein weiteres Drittel (35 Prozent) ist 36 Jahre oder älter. Etwa ein Viertel (27 Prozent) ist bis zu 25 Jahre alt. Nur 12 Prozent der Salafisten sind demnach weiblich, lediglich 8 Prozent sind Konvertiten, die von einer anderen Religion zum Islam übergetreten sind. 90 Prozent aller Salafisten haben einen Migrationshintergrund".

Gefährder und relevante Personen

Zum "islamistisch-terroristischen Personenpotenzial" würden die von den Polizeibehörden festgestellten sogenannten Gefährder sowie "relevante Personen" gezählt, so das Blatt, aber auch andere Menschen, die der Verfassungsschutz auf dem Schirm habe. Gefährdern trauten die Behörden jederzeit einen Terroranschlag zu. Als relevant werde beispielsweise eingestuft, wer im extremistischen Spektrum eine Führungsrolle hat, als Unterstützer gelte oder enge Kontakte zu Gefährdern unterhielte.

Zu dem genannten Personenpotenzial gehörten laut Verfassungsschutz auch Menschen, die sich derzeit nicht in Deutschland aufhielten, aber einen engen Bezug zu Deutschland hätten. Das seien etwa Männer und Frauen, die ausgereist seien, um sich der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien oder im Irak anzuschließen, wie der erwähnte Artikel der Berliner Morgenpost erläutert.

Laut der Zeitung Neue Westfälische gelten allein in Nordrhein-Westfalen etwa 3.000 Personen als "Salafisten", 350 davon sind weiblich:

Wie das NRW-Innenministerium jetzt auf eine Anfrage der Grünen im Landtag mitteilte, sind unter den 253 Gefährdern elf Frauen und unter den 134 sogenannten 'relevanten Personen', das sind solche, die als Unterstützer der Gefährder gelten, ist sogar inzwischen jede vierte weiblich. In beiden Gruppen hat die überwiegende Mehrheit die deutsche Staatsangehörigkeit.

Unter den 255 Personen, die nach aktuellen Erkenntnissen aus NRW in die dschihadistischen Kampfgebiete in Syrien und im Irak ausgereist sind, ist inzwischen nahezu jede dritte weiblich. 86 Prozent der ausgereisten Frauen und Mädchen sind unter 30 Jahren alt. Zurückgekehrt sind nach den Erkenntnissen der Staatsschutzbehörden bisher 75 Personen, darunter 15 Frauen und Mädchen.

Neue Westfälische

Dschihad als "Familientradition"

Zum Teil treten sie als Familienverband in Erscheinung, laut Landesamt für Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen werden allein in dem einen Bundesland etwa 100 Familien salafistischen Netzwerk zugerechnet.

Die Recherchen von Birgit Ebel, der LZ und der NW ergaben: Frauen sind darin stark involviert, Kinder und Jugendliche werden indoktriniert. Als Jugendliche werden sie rekrutiert, z. B. durch die Koran-Verteil-Aktion "Lies!", um sich aktiv dem Kampf für den Gottesstaat anzuschließen.

Dieser findet wahlweise in Kampfgebieten statt oder in heimischen Gefilden, mal mehr, mal weniger gewalttätig. Diese Jugendlichen, sofern sie nicht in Kampfgebiete ausreisen, besuchen Schulen, die, so der LZ-Journalist Erol Kamisli, das Problem offenbar aussitzen.

Schon die Kinder werden entsprechend indoktriniert, u.a. durch Spielzeug wie die "Jundullah"-Puppen, was so viel heißt wie "Soldaten Gottes, mit denen Experten zufolge die Abschottung von der Mehrheitsgesellschaft betrieben werde.

Anhand der Familie M. aus Ostwestfalen lässt sich ablesen, wie der Dschihad regelrecht als Familientradition weitergegeben wird. Die ursprünglich aus Tschetschenien stammende Familie ist fest eingebunden in das salafistische Netzwerk, mehrere Brüder und der Vater sind in Ostwestfalen aktiv, eine Schwester, Fatima M., ist mitsamt ihrer Familie, ihrem Ehemann und ihren beiden Söhnen, damals 4 und 8 Jahre alt, nach Syrien ausgereist, wo sie derzeit inhaftiert ist. Nach ihrer Entlassung aus der Haft, die Anfang 2019 anstehen soll, möchte sie zurück nach Deutschland.

Häufig sind die Frauen in entsprechende Familienstrukturen eingebunden, wie z. B. die im Irak inhaftierte Detmolderin. Ihr Bruder fiel zum ersten Mal 2015 auf. Wie sich herausstellte, waren er, seine Brüder und sein Vater aber wesentlich früher in die salafistische Szene eingebunden.

Die Familie M.

Am 7. Januar 2015 erschütterte der Anschlag auf die Redaktion des französischen Satiremagazins Charlie Hebdo die Welt. 10 Menschen kamen dabei zu Tode, weitere wurden verletzt. Zwei Tage später wurde ein jüdischer Supermarkt überfallen und dabei vier Menschen getötet. Tags zuvor hatte der Täter bereits eine Polizistin ermordet. Die Terroristen bekannten sich zum IS, bzw. der IS zu den Taten.

Hintergrund des Anschlags auf Charlie Hebdo war, dass das Magazin wiederholt Mohamed-Karikaturen abgedruckt und den Roman "Soumission", auf Deutsch "Unterwerfung", angekündigt hatte. Überall auf der Welt solidarisierten sich Menschen mit dem Slogan "Je suis Charlie Hebdo" (ich bin Charlie Hebdo) mit den Opfern, den Überlebenden und ihren Angehörigen. Dieser Slogan drückte allerdings auch die Solidarität mit der politischen Linie des Magazins aus.

Das gefiel vielen Muslimen nicht. So auch dem damals 21jährigen Islam M.. "Je suis Moslem" war seine Antwort auf "Je suis Charlie Hebdo". Den Angriff auf das Satiremagazin fand er berechtigt, weil diese schließlich wiederholt den Propheten beleidigt hätten. Das äußerte er unverblümt in sozialen Netzwerken, was ihm schließlich einen Prozess einbrachte, der mit Jugendarrest für ihn endete.

Die Koran-Verteil-Aktion "Lies!"

Auf den Prozess wurde der Journalist Erol Kamisli aufmerksam. Was er zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnte: Bereits im Frühjahr 2012 war Islam M. bei einem Stand der Koran-Verteil-Aktion "Lies!" in Erscheinung getreten. Augenzeuginnen berichteten, dass an jenem Stand mehrere Jugendliche im schulpflichtigen Alter anwesend gewesen seien und dass sie auch gezielt Gleichaltrige angesprochen hätten.

An der Detmolder Koranverteilung nahmen offenkundig auch weitere jüngere Brüder von Islam M. teil, ein 15-Jähriger und ein 13-Jähriger, wie auch der Vater der tschetschenischen Familie. 300 Korane sollen an jenem 11. Mai 2012 verteilt worden sein. Anwesend an jenem Tag war auch der Gladbecker Konvertit Michael N. alias Abu Dawud, der als international gesuchter IS-Dschihadist bekannt wurde und kürzlich in Syrien ums Leben gekommen sein soll. Das berichtete zumindest am 1. August 2018 die Bild.

Demzufolge gehörten "die beiden Dschihadisten damals zu Millatu Ibrahim", jener vom Österreicher Mohamed Mahmoud und dem Berliner Denis Cuspert geleiteten Gruppe, die eine entscheidende Rolle bei der Auswanderung deutscher Islamisten in den Irak und nach Syrien spielte".

Laut Bild-Zeitung brachte "die 2017 verbotene 'Lies!'-Kampagne nicht nur Tausende Korane unters Volk. Sie entfaltete auch eine große Sogwirkung auf Salafisten, die hier 'Dawah' betrieben, also Missionierung zum Islam. Der Großteil der deutschen Dschihad-Reisenden dürfte mit der 'Lies!'-Kampagne zumindest in Berührung gekommen sein, viele beteiligten sich aktiv daran".

"Lies!" war eine Kampagne der Organisation "Die wahre Religion" (DWR), bzw. der "Stiftung Lies". Diese wurde von dem in Köln lebenden Ibrahim Abou-Nagie ins Leben gerufen, einem Deutschen palästinensischer Herkunft. Im Rahmen von "Lies!" wurden bundesweit in Innenstädten Korane verteilt, vorwiegend an junge Leute, insgesamt geschätzt 3,5 Mio. Exemplare. Die Stände, an denen diese ausgegeben wurden, waren gern in der Nähe von Schulen platziert.

Ziel war es, Menschen, vor allem junge, mit der "wahren Religion" in Berührung zu bringen. Doch beten allein genügte nicht, viele wurden animiert, sich dem IS anzuschließen. Nach Schätzungen des Innenministeriums sind 140 Personen aufgrund der Aktivitäten der DWR und vor allem der Koran-Verteilaktion "Lies!" nach Syrien oder den Irak ausgereist.

Einige von ihnen sind zu Tode gekommen. Der Frankfurter Islamist Bilal Gümüş gilt als maßgeblich Beteiligter der Koranverteilung und als "rechte Hand" von Ibrahim Abou-Nagie.

Er trat vornehmlich im hessischen Raum auf, unterhielt aber auch Kontakte nach Ostwestfalen-Lippe. Als am 15.11.2016 die "Lies!"-Kampagne bundesweit verboten wurde, stellte er sich in den Dienst von Pierre Vogel und unterstütze ihn bei der Verteilung von Biografien des Propheten Mohammad. Pierre Vogel nannte die Kampagne "We love Mohammad!", sie orientierte auf dieselben Zielgruppen und hatte laut Sigrid Herrmann-Marschall die bekannten "Lies!"-Aktivisten als Unterstützer.

Der kurdisch-stämmige Bilal Gümüş wurde im Frühjahr 2018 verhaftet. Schon als 19jähriger war er u.a. wegen versuchten Totschlags zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Im Gefängnis hat er eigenem Bekunden nach zu Allah gefunden.

Das prädestinierte ihn geradezu für Seelenfänger Ibrahim Abou-Nagie, denn die Läuterung durch Glauben ist eine gern erzählte Geschichte der Salafisten, mit denen Jugendliche geködert wurden, die - sagen wir mal - nicht ganz so "rechtgeleitet" gelebt haben.

Die "wahre Religion", insbesondere der aktive Kampf, z. B. beim IS, würde für ein gutes Karma sorgen, und beim Märtyrertod für 72 Jungfrauen im Paradies, so das Versprechen. Dennis Cuspert alias Deso Dog alias Abu Talha al-Almani, der u.a. dazu beitrug, den Gangsta-Rap, ein extrem gewaltverherrlichendes, frauen- und schwulenfeindliches sowie zutiefst rassistisches und antisemitisches Gerne zu etablieren, vertonte diese Geschichten.

Musik gilt islamischen Fundamentalisten zwar als "haram", verboten, aber der Zweck heiligt schließlich die Mittel, und die Kids waren mit Beats leichter zu erreichen als dem staubtrockenen Koran. Deso Dog soll inzwischen in Syrien umgekommen sein.

Außer ihm und Bilal Gümüş waren die beiden Konvertiten Sven Lau und Pierre Vogel lange Zeit Weggefährten von Ibrahim Abou-Nagie und Aktivisten der Kampagne "Lies!". Zwischen Pierre Vogel und Ibrahim Abou-Nagie kam es jedoch zu Unstimmigkeiten.

Gemeinsam mit Deso Dog gründeten Mohamed Mahmoud und Michael N. die besagte "Millatu Ibrahim"-Gruppe, die u.a. in der Detmolder Innenstadt Koran verteilte. Die wiederum Islam M., Bruder der im Irak inhaftierten Fatima M., zusammen mit seinem Vater und seinen jüngeren Brüdern in Detmold aktiv unterstützte, wie Augenzeuginnen berichteten.

Die IHH und Kampftechniken

Inzwischen leben die Brüder von Fatima offenbar in Paderborn. In sozialen Netzwerken postet Islam Bilder, die ihn in einer der "Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş" (IGMG) unterstehenden Moschee zeigen. Die IGMG ist der deutsche Zweig der türkischen Millî Görüş, die als türkisches Pendant zu der ägyptischen Muslimbruderschaft gilt. Millî Görüş unterhält die "Internationale Hilfsorganisation" (IHH), die beste Kontakte zur Hamas hat.

Der IHH gehörte auch das Schiff "Mavı Marmara", das am 31. Mai 2010 von der israelischen Marine angegriffen wurde, weil es sich im Rahmen der sogenannten Gaza-Flotille auf dem Weg nach Gaza befand, in der Absicht, die von Israel verhängte Seeblockade zu brechen. Die israelische Regierung befürchtete seinerzeit, dass das Schiff Waffen geladen haben könnte. Ein Verdacht, der sich indes nicht bestätigte. Deutsche Behörden verhinderten, dass die IHH sich auch hierzulande etablieren konnte.

Außerdem zeigen die Fotos von Islam M. ihn mit Sportkameraden eines Boxclubs, wo er anscheinend MMA (Mixed Martial Arts) trainiert. MMA vereinigt Ringen, Kickboxen, Karate und Muay Thai und gilt als die wohl härteste Kampfsportart der Welt. Grundsätzlich gilt für MMA, wie für andere Kampfsportarten auch, dass die Kampftechnik außer beim Training und während Wettkämpfen nur zur Selbstverteidigung eingesetzt wird.

Trotzdem ist es kein sonderlich beruhigender Gedanke, dass ein junger Mann, der schon als Jugendlicher aktiv einer fundamental-islamischen Ideologie anhing, über solche Kampftechniken verfügt. Bekannt ist zudem, dass mehrere Männer, die in Kampfgebiete des IS ausgereist sind, zuvor in einem Boxstudio in Herford trainierten.

Salafisten-Hotspots Detmold und Herford

Laut Birgit Ebel ist für den Raum Ostwestfalen-Lippe (OWL), speziell Detmold und Herford, bekannt, dass sich dort bundesweit aktive Islamisten und Hassprediger wie Pierre Vogel und Ibrahim Abou-Nagie schon ab dem Jahr 2008 Unterstützung sicherten. Im Oktober 2014 berichtete demzufolge die Lokalpresse, dass in Herford in der Nähe eines Supermarktes und des Kreishauses ein Koranlager von Ibrahim Abou-Nagie existierte.

Er hatte dort in einem türkischstämmigen Geschäftsmann aus der Autobranche einen Unterstützer gefunden, der fortan selber an Koranständen aktiv auftrat. Augenzeugen berichteten, dass Ibrahim Abou-Nagie persönlich mit einer schweren Limousine häufig durch Herford kurvte. Die Sicherheitsbehörden stuften Said O., einen mit seiner Familie in Herford lebenden Tschetschenen, als Gefährder ein.

Er steht in Verdacht, die Ausreisen junger Islamisten aus Herford und Umgebung zu organisieren. Alleine über aus Herford sollen acht junge Männer in das IS-Terrorgebiet ausgereist sein, darunter Dela T. (in Syrien Ende 2013 umgekommen), der türkischstämmige Murat D. (erschossen in Raqqa im Jahr 2016), Sebastian B., ein 28jähriger deutscher Konvertit und IS-Rückkehrer, der 2016 zu 4,5 Jahren Haft verurteilt wurde sowie Tarik S., ein Deutsch-Ägypter aus Bielefeld, der 2013 ausreiste und 2,5 Jahre im Dschihad war.

Der Bielefelder besuchte dort das "Islamische Zentrum" und driftete immer mehr ab. Einige Monate vor seiner Ausreise zog er nach Herford um, trat dort als Prediger auf. Am 16. März 2016 wurde er bei seiner Rückkehr am Frankfurter Flughafen vom SEK verhaftet. Er bekam 5 Jahre Haft. Laut RTL existieren Fotos, auf denen Said O. gemeinsam mit Sebastian D. und Murat B. zu sehen ist.

Die Assalam-Moschee

In Herford beobachten die Sicherheitsbehörden Lokalmedienberichten zufolge vor allem das dortige "Islamische Zentrum" mit der Assalam-Moschee. Sie bezeichnen die Moschee in der Ahmser Straße als "Salafistenzentrum". Vor allem arabisch-stämmige Muslime und viele der in OWL lebenden Tschetschenen besuchen diese Moschee. Anwohner berichten von Männern mit langen Bärten und Kaftans, von Frauen in Niqabs, die regelmäßig zum Freitagsgebet eintreffen.

Der Vorstand der arabischen Moschee gibt indes an, mit der salafistischen Szene nichts zu tun haben.

Im vergangenen Jahr geriet die Herforder Assalam-Moschee erneut in die Schlagzeilen: Einer der Moscheebesucher, der als Teil der salafistischen Szene Herfords gilt, forderte in der Schule einen Gebetsraum für seinen Sohn, "damit dieser pünktlich und ungestört das Freitagsgebet verrichten kann", wie die LZ schrieb.

Außerdem verbot der Mann seinem Sohn, an der Gitarren-AG teilzunehmen. Er weigert sich, den Lehrerinnen seines Sohnes die Hand zu geben, die Mutter wiederum verweigert den Lehrern den Handschlag. Ein Schüler einer anderen Schule löste das Problem eines fehlenden Gebetraumes auf seine Weise: Er verließ die Schule regelmäßig freitags, um am Gebet in der Assalam-Moschee teilzunehmen. Allerdings ohne Erlaubnis.

Da scheint er nicht der einzige zu sein: Constantin Schreiber erwähnt in seinem Buch "Inside Islam", dass ihm aufgefallen sei bei seinen Moschee-Besuchern, dass viele der Betenden minderjährig und somit schulpflichtig seien.

Der Terrormiliz "Hisbollah" angeschlossen

Bereits Mitte der 1990er Jahre geriet ein Detmolder ins Visier der Staatsschützer: Steven Smyrek hatte vorübergehend in Braunschweig gelebt, wo er offenbar Kontakt zu der Gruppe um den selbst ernannten "Kalifen von Köln", Metin Kaplan, bekam. Später zog er nach Herford, wo in einem türkischen Lokal die Kontakt zu fundamental-islamischen Gruppierungen verfestigte und sich schließlich der Terrormiliz "Hisbollah" anschloss.

1997 wollte er nach Israel einreisen, um Plätze für Terroranschläge auszukundschaften und sich selbst an einem davon in die Luft jagen. Das konnte glücklicherweise verhindert werden, Steven Smyrek wurde an der Grenze verhaftet. Er wurde zu 10 Jahren Haft verurteilt, die er in einem israelischen Gefängnis verbrachte.

Während der Haft lernte er arabisch. Nach fünf Jahren war er Teil eines Gefangenenaustauschs und durfte Anfang 2004 nach Deutschland ausreisen. Dort wollte er aber nicht bleiben, sondern in den Libanon ausreisen. Der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) zufolge hatten die israelischen Behörden ihn allerdings nur unter der Bedingung ausreisen lassen, dass er nicht anschließend in den Libanon geht.

Usama Sadik A. und die Terror-Organisation Gamaa al-Islamija

Bereits wenig später, im Sommer 2005, erregte erneut ein islamischer Fundamentalist in Ostwestfalen die Aufmerksamkeit von Staatsschützern, wie die NW berichtete: "Usama Sadik A. (38), der Prediger des Islamischen Zentrums in Münster, ist nach Informationen dieser Zeitung von Hameln nach Porta Westfalica gezogen."

Laut NW war er "Mitglied der ägyptischen Terror-Organisation Gamaa al-Islamija. Die Organisation ist unter anderem für das Attentat von Luxor im Jahr 1997 verantwortlich, bei dem 58 Menschen ermordet wurden - darunter vier Deutsche. Wegen Mordes wurde er in Ägypten zu 20 Jahren Arbeitslager verurteilt, tauchte ab und beantragte in der Bundesrepublik Asyl".

Zurzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft Bielefeld gegen A. und seinen in Minden lebenden Gesinnungsgenossen Ahmand C. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft bestätigte das Ermittlungsverfahren, wollte aber zu weiteren Einzelheiten keine Stellung nehmen. Die Bielefelder Akten stammen vom Generalbundesanwalt (GBA) in Karlsruhe, der gegen den Prediger aus Porta Westfalica, den Mindener C. und einen zum Islam konvertierten Deutschen aus Münster (Marcel K., Anm. d. Verf.) 2003 wegen Terrorismus-Verdachts ermittelte.

Es sollen nach früheren Berichten Kontakte ins Umfeld des El-Kaida-Mannes Abu Mussab al-Zarqawi festgestellt worden sein, der derzeit als Kopf der Bombenleger im Irak gilt. Diese Ermittlungen - nach denen die Männer Anschläge auf US-Einrichtungen im Rhein-Main-Gebiet erwogen haben sollen - wurden auf Grund der Beweislage eingestellt, bestätigte eine GBA-Sprecherin. Nach einem Spiegel-Bericht aus dem Jahr 2001 werden A. über einen Mittelsmann Kontakte zum Todespiloten des 11. September, Mohammed Atta, nachgesagt, die aber von A. aufs Schärfste bestritten werden.

NW

Außerdem gehen die zuständigen Behörden von Kontakten zu Rabei Osman al-Sayed aus, der als Drahtzieher des Terroranschlags von Madrid im März 2004 gilt, bei dem 191 Menschen ums Leben kamen und mehr als 1.500 verletzt wurden.

Wie der Focus berichtete, stellte bei der Festnahme Rabei Osman al-Sayeds "Mitte 2004 in Mailand Italiens Anti-Terror-Polizei das Mobiltelefon des Top-Terroristen sicher. Gleich zweimal, auf der SIM-Karte und auf dem Gerätespeicher, hatte der enge Gefolgsmann von al-Qaida-Führer Osama bin Laden die Festnetznummer seines Freunds A. in der westfälischen Provinz eingetragen."

Es wird vermutet, dass die beiden Männer sich auf ihren Wegen im Jemen und in Jordanien begegnet sind. Mittels eines Kuriers, dem Algerier Benchohra K., einem Weggefährten Rabei Osman al-Sayeds, hielten er und A. Kontakt. Der Mittelsmann heiratete später eine Deutsche - eine Grundschullehrerin aus Minden. Usama Sadik A lebt mit seiner Familie ein paar Dörfer weiter.

Usama Sadik A. hat aufgrund der Verurteilung in Ägypten Asyl in Deutschland beantragt. Das ist ihm zwar nicht gewährt worden, aber Abschiebeschutz, da ihm in Ägypten die Todesstrafe drohte. Zwischenzeitig sollte er abgeschoben werden, doch das Verfahren zieht sich.

Er versucht, das Image des Geläuterten zu vermitteln, der seinen Glauben in bester Absicht lebt und bestreitet, politisch aktiv zu sein. Doch daran sind Zweifel mehr als angebracht. Die islamkritische Bloggerin Sigrid Herrmann-Marschall fand heraus, dass auch Usama Sadik A. aus dem Fundamentalismus eine Art Familientradition macht: In einem Video präsentiert er sich als "geehrter Sheikh Usama Ayub".

"Dies ist mein Weg"

Ihm zur Seite steht sein Sohn Mohanned alias "Abu Hagar", den er laut Sigrid Herrmann-Marschall zum Prediger aufbaut. Die beiden betreiben die Webseite "Dies ist mein Weg". Dort stand über den Sohn zu lesen:

Seit Ramadan 2014 hält er online Vorträge, beginnend mit den Hadithwissenschaften, die er zusammen mit seinem Vater hielt. Auf Basis dieser Probleme, welche es in der heutigen Dawa gibt, hält er nun eine Vortragsreihe zum Thema islamische Manieren, denn den Islam müssen wir uns verdienen und eine erfolgreiche Dawa findet nur mit gutem Charakter statt. Deshalb ist es wichtig uns dieses Wissen anzueignen.

"Dies ist mein Weg"

Und über den Vater und zugleich Lehrer:

Sheikh Usama Ayub war während der russischen Besetzung von Afghanistan der offizielle Mufti Al-Sharie in Bayt Al-Anzar (Haus der Anzar). Er lehrte Mujaheddin und gab ihnen wie im Islamischen Zentrum Al-Nur in Pachauer intensive Kurse. … Und nach vielen Reisen in unterschiedlichen arabischen Ländern, kam Sheikh Usama Ayub 1996 nach Deutschland, wo er zunächst das Islamische Zentrum Münster eröffnete.

"Dies ist mein Weg"

Dieses leitete er gemeinsam mit dem Konvertiten Marcel K., der mit Ziad Jarrah bekannt gewesen sein soll, einem der Todespiloten vom 11.9.2001, der eine Maschine in Pennsylvania zum Absturz gebracht haben soll.

Zwischenzeitig sei der "geehrte Sheikh" von den Behörden stark reglementiert worden, war im Oktober 2017 auf der Webseite "Dies ist mein Weg" zu lesen, doch mittlerweile habe er seine Tätigkeit als Prediger und Lehrer wieder aufgenommen. Diese Einlassung wurde von der Webseite inzwischen gelöscht, Sigrid Herrmann-Marschall hat sie auf ihrem Blog jedoch gesichert.

Fazit

Zusammengefasst: Ein Fundamentalist, der in Ägypten wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation zu einer langen Strafe verurteilt wurde, der in Afghanistan den Fundamentalismus ausbreiten half, sich nach eigenem Bekunden außerdem in Pakistan, Saudi Arabien, Jordanien und im Jemen aufhielt, bevor er sich in Ostwestfalen ansiedelte, dessen Wege einschlägig bekannte Terroristen kreuzten, die eine Menge Menschenleben auf dem Gewissen haben, oder Personen, bei denen ihrerseits Kontakte zu solchen Personen vermutet werden, konnte mit einer dieser Personen in Münster eine Moschee aufbauen, dann, nachdem diese aufgrund der vielen verdächtigen Kontakte der beiden Hauptakteure geschlossen wurde, nach Minden weiterziehen und dort weiterhin predigen.

Das wurde ihm zwischenzeitig zu brenzlig, weil er seinen Duldungsstatus nicht aufs Spiel setzen wollte. Und mittlerweile setzt er seine Prediger-Tätigkeit fort und baut seinen Sohn zu seinem Nachfolger auf. In räumlich enger Nähe zu einer weiteren dubiosen Person mit ähnlich fragwürdigen Kontakten, der mit einer Deutschen verheiratet ist, die als Lehrerin tätig sein kann.

Wer würde schon im verschlafenen Ostwestfalen mit seinen neckischen Fachwerkstädtchen so viel terroristische Energie vermuten?

Linke Unterstützung für Ibrahim Abou-Nagie

Zumindest in Bezug auf die Koran-Verteilaktion "Lies!" wurde dem inzwischen Einhalt geboten: Am 15. November 2016 wurde sie verboten. Dagegen legte Ibrahim Abou-Nagie Beschwerde ein, vertreten durch den Menschenrechtsanwalt Hans-Eberhard S. Auf dessen Webseite ist als Begründung u.a. zu lesen:

Erst recht liege die behauptete Verfassungsfeindlichkeit und der Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung nicht vor - geschweige denn dass die Kläger hierbei jeweils mit einer aggressiv-kämpferischen Grundhaltung vorgingen. Vielmehr handelt es sich um Aktivitäten zur Verbreitung des Korans und dessen Auslegung durch Koranübersetzungen in Ausübung der verfassungsrechtlich garantierten Religionsfreiheit, die auch das Recht umfasst, für die Religion zu werben.Klage

Das schreibt der linke Anwalt, der in seiner Laufbahn viele Kurdinnen und Kurden unterstützte - nachdem der Zusammenhang zwischen der "Lies!"-Kampagne und der Ausreise von Jugendlichen zum IS eigentlich nicht mehr ernsthaft bestritten werden konnte.

Die vom IS versklavten Ezidinnen wissen sicherlich zu schätzen, dass die Klage schlussendlich zurückgezogen wurde. Ibrahim Abou-Nagie scheint inzwischen untergetaucht zu sein.

Menschenrechtsanwalt Hans-Eberhard S. ist nicht der einzige, der einen sehr weiten Begriff von Religionsfreiheit offenbart. Ein Bielefelder Unternehmen, der Autozulieferer G., hatte Anfang 2018 dem türkisch-stämmigen Mitarbeiter Kabil U. fristlos gekündigt, weil dieser durch antisemitische Beiträge in sozialen Medien aufgefallen war.

Außerdem wurde bekannt, dass Kabil U. ebenfalls aktiv an den Koran-Verteilaktionen und zudem für "Ansaar International", ein dem salafistischen Spektrum zugeordneten Hilfswerk, Spenden gesammelt hatte.

Die Korane hat er gemeinsam mit Salim Ö., dem Geschäftsführer der Autowerkstatt verteilt, wo die Gebetsbücher für die "Lies!"-Aktion gelagert wurden. Insidern zufolge soll er außerdem Kontakt gehabt haben mit Murat D., dem in Raqqa ums Leben gekommen Gotteskrieger aus Herford.

Das Bielefelder Unternehmen, das zu einer spanischen Gruppe gehört, beschäftigt eigenem Bekunden nach Menschen aus 15 Nationen. Es werde befürchtet, dass die Aktivitäten von Kabil U. den Betriebsfrieden stören, oder gar Jugendliche unter Druck gesetzt werden könnten. Ein Vertreter des Betriebsrats stellte sich hinter Kabil U..

Sein Anwalt Stefan Ch. sagte dem Westfalenblatt: "Ich denke nicht, dass man eine fristlose Kündigung auf diese Facebook-Posts stützen kann. Ich bin Halbgrieche, und das Merkelbild (eine Fotomontage der Bundeskanzlerin in Nazi-Uniform, Anm. d. Verf.) erscheint in Griechenland ständig in irgendwelchen Zeitungen. Dafür einen kleinen Arbeiter zu entlassen, ist nicht verhältnismäßig."

Die Betriebsratsvorsitzende Daniela K. wird mit folgenden Worten zitiert: "Wir sind Metaller und Weltbürger. Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus sind uns fremd. Die IG Metall fährt sogar mit Jugendlichen zu Gedenkstätten!"

Das ändert allerdings nichts daran, dass die Aktivitäten von Kabil U. mehr als fragwürdig sind. Das sieht auch der Staatsschutz so. Laut Westfalen Blatt wird jetzt deshalb gegen Kabil U. ermittelt.

Schulen sitzen das Problem aus

Der Mannheimerin Lamia K., die aktuell mit Fatima M. im Irak inhaftiert ist, wird seitens des Verfassungsschutzes vorgeworfen, in die Kreise um Ibrahim Abou-Nagie verstrickt gewesen zu sein, eventuell sogar als Schleuserin gearbeitet zu haben.

Laut Zeit "bekam sie in ihrer Zeit beim IS immerhin zwei prominente deutschsprachige IS-Kader zu sehen: den Berliner Ex-Rapper Abu Thalia, vormals Deso Dogg, und den österreichischen Terroristen Mohammed Mahmud, besser bekannt als Abu Osama al-Gharib", jene beiden Salafisten, die die "Lies!"-Gruppe leiteten, die Islam M. aktiv unterstützte.

Doch all das wusste Erol Kamisli nicht, als er seinerzeit, nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo, den Prozess gegen Islam M. verfolgte. Er begann, sich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen. Er fand heraus, dass es um Islam M. acht weitere Jugendliche gab, aus seinem familiären Umfeld und aus dem Bekanntenkreis, die sich offenbar den Salafisten angeschlossen hatten.

Zwei minderjährige Mädchen, Detmolder Schülerinnen türkischer Herkunft, aus diesem Kreis wurden im Juni 2015 an der türkischen-syrischen Grenze festgenommen - auch sie hatten sich auf den Weg zum IS gemacht. Um dort einen Gotteskrieger zu heiraten, wie die LZ schrieb.

Ein Salafistenproblem?

Stutzig machte Erol Kamisli, dass alle neun Jugendlichen auf zwei bestimmte Berufskollegs in Detmold gingen. Wie sich später herausstellen sollte, besuchte auch Fatima M. eines dieser Berufskollegs. Erol Kamisli fragte sich, ob diese eventuell ein Salafistenproblem hätten?

Diese Frage stellte er nicht nur sich, sondern zunächst auch der Schulleitung eines dieser Kollegs. "Es war unglaublich kompliziert, einen Termin zu bekommen", erläutert der Journalist gegenüber Telepolis.

Bevor es dazu kam, schaltete sich das Innenministerium ein und ein langwieriges Frage- und Antwort-Spiel via E-Mail begann, das sich etwa drei Monate lang hinzog. Allerdings ohne dass es zu einem Gespräch geführt hätte. Es gebe Krisenteams, die sich um solche Probleme kümmerten, hieß es. Allerdings sei von dem betreffenden Kolleg keine Anfrage eingegangen.

Erol Kamisli

Auf dem kleinen Dienstweg, hinter vorgehaltener Hand, erfuhr er dann, dass die Lehrerinnen und Lehrer an dem betreffenden Berufskolleg einen Maulkorb bekommen hatten. Sie durften sich öffentlich nicht äußern. Erol Kamisli hält genau das für den falschen Weg: "Das macht die salafistische Szene nur noch stärker", so seine Befürchtung.

Birgit Ebel von der Initiative "extremdagegen!" , die mit Verweis auf Aussagen des Verfassungsschutzes von etwa 150 Salafisten in Ostwestfalen-Lippe (OWL) ausgeht, fordert: "Wir brauchen eine Kultur der demokratischen Werte, mehr politische Bildung und mehr interkulturell geschulte Lehrkräfte, die Radikalisierung erkennen und Hilfen vermitteln können."

Zu diesen salafistischen Kreisen in OWL gehören auch Kinder und Jugendliche. Die Landeszeitung NW versuchte zu ermitteln, wie viele Betroffene es gibt. "Zahlen darüber hat der Bielefelder Staatsschutz nicht", berichtet Jobst Lüdeking.

Der Journalist hat sich die Mühe gemacht, Fotos, die der Redaktion vorliegen, auszuwerten und ist auf die Zahl von 20 Kindern und Jugendlichen aus salafistischen Familien allein in Herford, ein Städtchen mit 66.000 Einwohnerinnen, gekommen.

Das Problem ist also offenbar bekannt, nur wie dem zu begegnen sei, darüber herrscht große Ratlosigkeit. Ein Problem, so schätzt es Erol Kamisli ein, sei, dass die Schulen um ihren guten Ruf fürchteten, wenn sie mit dem Salafismus in Zusammenhang gebracht würden.

Da stellt sich dann allerdings die Frage, was dem Ruf mehr schadet: Als Brutstätte terroristischer Vereinigungen bzw. deren Auslandsorganisationen in die Schlagzeilen zu geraten, oder als Institution, die genau dieses Problem aktiv angeht?