Sam Fisher: Unser Mann bei der NSA

Tom ClanceyŽs Splinter Cell: Pandora Tomorrow

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Gegen Sam Fisher ist James Bond ein albernes Würstchen. Erfundene Agentenabenteuer realistisch unterlegt sehen bei Tom Clancy anders aus als beim hoch geschätzten Ian Flemming. Der Autor von Bestsellern wie dem Spionageroman "Die Stunde des Patrioten" und dem Militärthriller "Jagd auf Roter Oktober" schuf für die Videospielbranche den Spion des neuen Jahrtausends.

Passend zum Zeitgeschehen steht der heimliche Einzelkämpfer Sam Fisher im Dienste der NSA, der National Security Agency, gern auch als "No Such Agency" betitelt, dem weltweit größten Geheimdienst. Während Publisher Ubisoft jüngst auf der E3 (Electronic Entertainment Expo) sein drittes Abenteuer vorstellte, schleicht Fisher in "Tom ClancyŽs Splinter Cell: Pandora Tomorrow" noch ganz cool durch Osttimor, Israel und Paris – und seine Fans schwitzen für ihn Wasserfälle.

Ausgestattet mit absoluter Klarsicht, modernstem Agenten-Equipment und unterdosiertem trockenem Humor schlug Fishers erstes Game "Splinter Cell" vor knapp anderthalb Jahren ein wie ein Blitz in dunkler Nacht. Ubisoft perfektionierte mit "Splinter Cell" das Stealth-Genre (engl.: stealth = Heimlichkeit, im Sinne von Verschleiern, Tarnen), das Konami mit "Metal Gear Solid" zuvor erfand.

Fisher ist Agent der NSA, einer 1952 gegründeten, unabhängigen Agentur des US-Verteidigungsministeriums. Die NSA ist der größte Geheimdienst der Welt, größer als die CIA (Central Intelligence Agency), der israelische Mossad sowie der russische Geheimdienst FSB (früher KGB). 38.000 Mitarbeiter (zum Vergleich: Der BND hat 5000 Mitarbeiter) arbeiten für die Organisation, deren Hauptaufgabe es ist, ausländische Geheimnachrichten zu entschlüsseln.

Die Handlung von "Pandora Tomorrow" spielt Ende März 2006. Für die erfundene NSA-Unterabteilung "Third Echelon" muss ihr bester Mann einen Fall in Ost-Timor lösen. Die Befreiung einer Geisel aus der Gewalt von Terroristen ist Ausgangspunkt einer Reise durch Paris, Israel und die USA und Auftakt einer spannenden Story um ein antiamerikanisches Terrornetzwerk, dessen Führung im Besitz von Biowaffen ist.

Fisher bekommt genaue Anweisungen per Funk, wie er sich zu verhalten hat bei der Infiltration der im Dunkeln liegenden, von Rebellen besetzten US-Botschaft. Im Dunkeln fühlt sich der Tarnspezialist mit seiner Spezialausrüstung aus Dietrichen, Mini-Kameras und -Mikrofonen am wohlsten, denn dort sieht ihn niemand, was dem Spieler über den Ausschlag einer Anzeige dargestellt wird. Fisher selbst hat mit Wärmebild- oder Nachtsichtgerät alles im Überblick. Doch seine Gegner sind ebenfalls auf Zack, auch wenn die KI im Vergleich zu Teil 1 zwar nur mäßig, aber doch merklich aufgebohrt wurde. Am Ende des ersten Levels ist beispielsweise ein Wachposten, der ebenfalls mit Nachsichtgerät ausgerüstet ist. So muss der Spieler, um ungesehen zu bleiben, im grellen Suchscheinwerferlicht den Hof überqueren. Da nimmt der Puls schon mal Reißaus – echte Thriller-Spannung eben, wie man sie sonst nur von gutem Kino kennt.

Von Situationen am Rande des Abgrunds lebt das Spiel: Patrouillen marschieren an Fisher vorbei, der reglos in der Ecke harrt und wartet, bis die Wache ihm den Rücken kehrt und der Spieler ihm die Sporen gibt. Der richtige Moment, eine punktgenaue Lenkung und ein Knopfdruck reichen aus, um die Feinde mit einem Griff kampfunfähig zu machen – meist wird auch exakt nur das, und nicht etwa die simple Liquidation, gefordert. Alles, was bei "Splinter Cell: Pandora Tomorrow" zu viel Aufsehen erregt, lässt die Mission nämlich scheitern. Und auch, wenn der Spieler beim nächsten Versuch einen Alternativweg probieren kann, indem er pfeift oder ein Steinchen wirft und somit die Feinde ablenkt, statt sich ihrer aus dem Versteck zu entledigen, so ist die Strecke von Speicherpunkt zu Speicherpunkt stets enorm anstrengend und streckt sich oft viel länger, als sie ist.

Grafisch und gestalterisch bewegt sich Teil 2 auf Spielfilmqualität zu, nicht allein wegen seiner unterschiedlichen Sichteinstellungen und Perspektiven; auch das abwechslungsreiche und detaillierte Leveldesign ist erstklassig, was allein ein Blick durchs Fernglas zeigt, mit dem Fisher seine gesamte Umgebung heranzoomen kann. Das wiegende Gras, wellendes Wasser und atmosphärische Lichteffekte tragen im Zusammenspiel zu hohem Realismus bei. So auch der wirklichkeitsgetreue Sound, die professionelle Synchronisation und Fishers Animation, die sanft und fließend ist.

Mit dem Welterfolg von "Splinter Cell" (mehr als sechs Millionen verkaufte Exemplare) manifestiert sich ein Actionheld der ruhigeren Sorte und man sollte sich nicht wundern, wenn auch Hollywood bald auf Sam Fisher aufmerksam wird.