No Such Agency

Wenig Neues in der "NSA. Der Anatomie des mächtigsten Geheimdienstes" von James Bamford

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Der Journalist James Bamford hat die Geschichte der National Security Agency (NSA) recherchiert und berichtet in Buchform über die Spezialisten für Kryptologie.

NSA heißt nicht "No such Agency", aber dem allergeheimsten Spionage-Dienst der USA, der gerne so genannt wird, wäre es lieber, wenn niemand über ihn sprechen oder schreiben würde, deshalb spannte er lange ein möglichst großes Tarnnetz der Desinformation über sich. Bis in die 70er Jahre wurde seine Existenz offiziell schlicht bestritten.

Während die CIA (Central Intelligence Agency) allgemein bekannt ist, hat man von der National Security Agency in Deutschland vornehmlich erst in Zusammenhang mit dem Lauschsystem Echelon und dem Lauschposten in Bad Aibling erfahren. Mythen um sich zu fabrizieren, war immer Teil der Strategie der NSA. Sie schürt Verschwörungstheorien: die einen erklären sie für omnipotent, die anderen für komplett unfähig.

Die NSA ist einflussreicher als die CIA, mit der sie konkurriert, besser ausgestattet und hat auch mehr Beschäftigte: über 38.000 Mitarbeiter durchschnüffeln die Kommunikation der Welt. Schon vor einiger Zeit warnte der Geheimdienst die US-Regierung, dass man technisch, personell und finanziell angesichts der steigenden elektronischen Datenflut immer weiter zurückfalle. Das wurde jetzt möglicherweise durch die Unkenntnis über die Vorbereitung der Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon bestätigt.

Vorläufer dieses Dienstes gab es schon lange, aber wirklich wichtig wurden die Entschlüssler im Zweiten Weltkrieg, als es ihnen gelang, die geheimsten deutschen Codes zu knacken. Der Kalte Krieg stand vor der Tür und alle ehemaligen Alliierten rüsteten auch kryptologisch auf. 1952 wurde dann die Organisation NSA gegründet. Heute residiert sie in Crypto City, einer ganzen Stadt in Maryland (zwischen Washington und Baltimore): "Sie besteht aus über 60 Gebäuden mit Büros, Lagerhallen, Fabriken, Labors und Wohnungen. Hier arbeiten Zehntausende unter absoluter Geheimhaltung. Die meisten leben und sterben, ohne selbst ihre Ehegatten je über das genaue wesen ihrer Tätigkeit zu informieren. Zu Beginn des Jahres 2001 war aus dem Black Chamber ein schwarzes Reich geworden, die Heimat der National Security Agency (NSA), der größten, geheimsten und fortschrittlichsten Spionageorganisation der Erde."

James Bamford ist Journalist und schreibt für Zeitschriften wie die New York Times, die Washington Post und die Los Angeles Times. Bis vor kurzem hat er außerdem eine tägliche Nachrichtensendung für den Fernsehsender ABC produziert. Er gilt weltweit als der "Papst" in Fragen der Geheimdienst-Szene, speziell der NSA. Schon 1982 veröffentlichte er ein Buch über die NSA ("The Puzzle Palace"), das in den USA ein Bestseller war. Bamford ist ein investigativer Journalist, der seit vielen Jahren alles durchforstet, was er zu den Geheimdiensten und der NSA ergattern kann. Das Bild von sich, das er verbreiten lässt, zeigt ihn im klassischen Trenchcoat, dem Klischee-Kleidungsstück der Spione.

Seine "Anatomie des mächtigsten Geheimdienstes der Welt" erschien fast gleichzeitig in zehn Sprachen und wurde entsprechend von den Verlagen beworben. Sein US-Verlag, Random House, richtete eine eigene Website für das Buch ein (Body of Secret). Auch der deutsche Verlag (C. Bertelsmann) kündigte vollmundig an: "Faktenreich und großartig recherchiert, gewährt dieser atemberaubende Bericht über Aktionen, mit denen kein Geheimdienst-Thriller mithalten kann, einen nie da gewesenen Einblick in die verborgene Welt des Top Secret, die ständig mit dem Feuer spielt, demokratischer Kontrolle weit gehend entzogen ist und für den Machtanspruch von Politikern nur ein kaltes Lächeln übrig hat."

Bei seiner Biografie und fast 60 Seiten Anmerkungen bezweifelt man die saubere Recherche nicht, aber über die konkrete und aktuelle Aktivität der NSA sowie die Strukturen der Informationsweitergabe steht fast nichts in dem Buch. Zweifelsfrei ist die Geschichte des Dienstes umfangreich (688 Seiten) dargestellt, und das bis in die kleinsten Details einzelner Aktionen, aber es findet sich erstaunlich wenig über den Einsatz der Abhörtechniken in Europa, die Zusammenarbeit mit deutschen Geheimdiensten und das heiß diskutierte Programm Echelon. Das Buch ist kein Tatsachen-Reißer, kein authentischer Thriller, sondern eher ein historisches Dossier.

Ausführlich werden Zwischenfälle mit Spionageschiffen in den 60er Jahren geschildert, dabei erfährt der Leser nicht nur, um welche Urzeiten (mit Minutenangaben) wann was geschah, sondern kommt auch in den Genuss extrem ausführlicher Wiedergaben von Erinnerungen einzelner Besatzungsmitglieder, inklusive eigener Gedichte:

"(...) War'n 83 Spione im Kahn.
Das Wetter im Norden
War frostig geworden,
Das Eis selbst die Brille umgab.
Lag als bleischwere Last
Auf Brücke und Mast,
Wir froren den Arsch uns ab"

Bei so viel Sinn für die persönliche Erinnerung einzelner NSA-Mitarbeiter wundert es nicht, dass die eingehend geschilderten Vorgänge, wie z.B. die Kaperung des Schiffes "Pueblo" durch die Nordkoreaner, sich stark die Sicht dieser Mitarbeiter zu Eigen machen, was kaum zur Gewinnung objektiver Wahrheiten beiträgt.

Das Buch ist eine umfangreiche Sammlung von Kleinstinformationen, aber birgt keine Enthüllung. Dass die NSA die größte Ansammlung leistungsstarker Computer hat und dass sie daran tüfteln, damit eine Quadrillion (1.000.000.000.000.000.000.000.000) Operationen pro Sekunde ausführen zu können, ist ja spannend - aber was genau tut sie mit diesen riesigen Informationsmengen? Und wie und an wen gibt sie die gesammelten Informationen weiter? Die Antworten bleibt Bamford schuldig.

Informationen wie die Planungen eines Vorwands für eine Invasion in Kuba durch den Generalstab oder die Rolle des CIA (und Eisenhowers) in der U-2-Affäre sind nicht neu und schon gar keine Enthüllungen über den NSA. An viel zu vielen Stellen erstickt alles im Detail. Ausführlich wird z.B. jede Kleinigkeit wie die Größe eines Die Fülle der unwesentlichen Informationen macht das Buch über ganze Kapitel fast unlesbar und da die enorme Menge an Daten nicht interpretiert wird, fühlt man sich wie eine Abhörstation ohne Filter- und Weiterverarbeitungssoftware.

Alle Angaben über Crypto-City kann jeder dem Buch entnehmen: Etatsummen, Zahl der registrierten Autos, genaue Lage und Nutzung der Gebäude, das eigene Blutspendeprogramm, ja sogar, dass die NSA mit dem Verkauf von Pizza-Schachteln, die sie aus ihren vernichteten Dokumenten herstellen, in einem Jahr 58.9523 Dollar einnahm. Dagegen findet sich im ganzen Buch kein Wort über die Abhörstation Bad Aibling in Bayern, dem angeblich weltweit zweitgrößten Horchposten außerhalb der USA, den der BND mitgenutzt haben soll und der im Herbst 2002 aufgegeben wird. Erwähnt werden kurz einige Horchposten in Deutschland, die im Kalten Krieg durch den eisernen Vorhang lauschten. Dass auch die Berlin-Flüge der Amerikaner über das Territorium der DDR zum Abhören genutzt wurden, hat wohl jeder wohl mindestens geahnt.

Zu Echelon offenbart das Buch, dass es dieses Programm gibt, mit dem große Datenmengen nach Schlüsselbegriffen durchforstet werden können. 10 Seiten lang schildert Bamford die historischen Zusammenhänge, warum US-Staatsbürger keinesfalls von der NSA ausspioniert werden. Wenn sie in abgehörter Kommunikation auftauchen, muss nicht nur ihr Name gelöscht, sondern auch alles unkenntlich gemacht werden, dass auf ihre Identität schließen lassen könnte. Die Identitäten von Europäer und allen anderen werden dagegen offen gehandelt. Wie wenig Bamford die Frage der Überwachung von Nicht-Amerikanern interessiert, ist erstaunlich, denn immerhin zählt er in einem Anhang alle 95 Sprachen namentlich auf, die von Linguisten der NSA verstanden werden.

Der Frage nach potenzieller Wirtschaftsspionage geht Bamford immerhin einige Seiten lang nach, aber er versichert als Fazit, dass die NSA nur Informationen über Bestechungen von europäischen Firmen nutzt, sonst aber keine Fakten an US-Unternehmen weiter gibt. Sein Fazit ist sogar noch schwächer als die Formulierungen im Schlussbericht des Echelon-Ausschusses des europäischen Parlaments (Vgl. Echelon-Ausschuss verabschiedet Empfehlungen).

Allgemein drängt sich die Vermutung auf, dass James Bamford in all den Jahren intensiver Auseinandersetzung mit diesem Geheimdienst zumindest die Distanz verloren hat und dass er seinen Quellen aus dem Dienst zu wenig misstraut. Schließlich ist es das tägliche Brot von NSA-Mitarbeitern nicht nur zu verschlüsseln, sondern auch gezielt Desinformation zu streuen. Nach der Lektüre von "Die Anatomie des mächtigsten Geheimdienstes" drängt sich der Eindruck auf, dass der Autor sich selbst zu tief in die Welt der Schlapphüte und ihrer Verschleierungstaktiken hat hineinziehen lassen.

James Bamford, NSA. Die Anatomie des mächtigsten Geheimdienstes der Welt, Aus dem Englischen von Helmut Dierlamm, Hans-Joachim Maass, Helmut Ettinger, Susanne Bonn, Verlag C. Bertelsmann, 688 Seiten, DM 68,00 / öS 496,00 / sFr 60,00, ISBN: 3-570-15151-4